Auf der watson-Redaktion machen gleich mehrere Redaktore «Ramadan», sie trinken seit dem 1. Januar keinen Alkohol mehr und sie wollen sich gesünder ernähren. Täuscht es, oder tun das dieses Jahr mehr Leute als sonst?
Mirjam Hauser: Das kann ich nicht sagen, dazu gibt es keine Statistiken. Es wäre interessant, solche zu erheben. Subjektiv nehme ich jedoch schon wahr, dass sich seit ein paar Jahren mehr und mehr Leute vornehmen, sich im Januar gesünder zu ernähren.
Woher kommt das?
Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist es immer noch so, dass wir im Dezember über die Stränge schlagen. Es sind nicht nur der Silvester und die Weihnachtstage. Den ganzen Monat «sündigen» wir. Es gibt mehr Apéros mit Freunden als sonst, Weihnachtsessen und ähnliches. Im Januar wollen wir das dann ausgleichen, die Balance wieder herstellen.
Und zweitens?
Zweitens entwickelt unsere Gesellschaft zunehmend ein Bewusstsein für ausgewogenes Essen. Wir machen uns viel mehr Gedanken über das Essen. Das Thema ist omnipräsent. Man redet darüber. Früher haben im Januar vielleicht viele im Verborgenen gefastet, heute machen es alle öffentlich.
Macht es denn überhaupt Sinn, einen Monat lang gesund zu leben?
Zuerst möchte ich noch etwas anfügen zur vorgehenden Frage: Dass wir heute so viel mehr über das Essen kommunizieren, hat viel mit den sozialen Medien zu tun. Essen zu fotografieren, es auf Instagram oder Facebook zu stellen, das ist ein relativ neues Phänomen. Unsere sozialen Medien sind ein Verstärker dieses Trends sich mit Essen zu beschäftigen. Zurück zu ihrer Sinn-Frage: Naja. Besser wäre es, man würde das ganze Jahr ausgewogener leben statt nur im Januar darauf zu achten. Psychologisch bringen solche Aktionen aber schon etwas.
Was bringen solche Vorsätze denn?
Sie erhöhen die Selbstwirksamkeit. Wir bekommen das Gefühl, selbst etwas zu bewirken – und nicht einfach Opfer zu sein. So bekommt der Mensch das Gefühl, er könne konsequent und strikt sein.
Apropos strikt. Wieso müssen wir immer gleich so radikal sein? Warum nehmen wir uns nicht vor, einfach weniger zu trinken?
Ein bisschen einschränken ist viel schwieriger umzusetzen, weil wir dann ganz viele Regeln aufstellen müssten. Dafür sind wir wohl zu schwach. Mass zu halten ist viel schwieriger als etwas ganz sein zu lassen. Nehmen wir den Alkohol. Wie viel ist zu viel? Zwei Gläser pro Woche? Weil wir das nicht genau definieren können, verzichten wir lieber vollständig darauf.
Trotz allem schaffen es nur Wenige, ihre Ziele einzuhalten. Wird das nun durch das zunehmend öffentliche Kommunizieren besser?
Ich denke schon. Je mehr Leute wissen, dass wir auf Alkohol verzichten, desto mehr werden uns «kontrollieren». Machen wir es öffentlich – gerade auch über die sozialen Medien – werden uns mehr Freunde darauf ansprechen und uns motivieren, es durchzuziehen.
Der Verzicht auf Alkohol ist nur ein kleiner Schritt um gesünder zu leben. Womit müsste man die Alkoholabstinenz im Januar kombinieren?
Da gibt es verschiedenes. Der Verzicht auf Fleisch, auf Süsses, auf Kaffee oder sogar Fasten. Wie gesagt, kommt es aber nicht so darauf an, was der Vorsatz ist, sondern, dass man sich einen nimmt und ihn umsetzt.
Sehen Sie neue Trends im Bereich Food, die irgendwann vielleicht Neujahrsvorsätze werden?
Der Trend Richtung noch bewussterer und gesünderer Ernährung wird sicher anhalten. Werbeverbote für Kinderspeisen mit «zu viel» Zucker oder Fett gibt es bereits. Ein anderes Thema ist das «Nudging». «Nudging» bedeutet frei übersetzt, dass wir alle dank unserer Umgebung mit kleinen «Stubsern» dazu gebracht werden, gesund zu essen. Mit Früchte-Verteilaktionen in der Schule zum Beispiel. Gesunde Menüs in Mensas gehören ebenfalls zum «Nudging».
Das klingt alles sehr vernünftig. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf: Wird unsere Gesellschaft immer lustfeindlicher?
Es gibt zwei Seiten. Dass wir uns immer mehr Gedanken über unser Essen machen, führt dazu, dass wir es rationaler beurteilen. Wenn das Kind sich überlegt, ob es das Schokoladenstück, das es vom Grosi geschenkt bekommen hat, jetzt essen darf oder nicht, ist natürlich lustfeindlich. Andererseits bringt dieser bewusste Konsum auch Positives: Wenn wir uns lange überlegen ob und welches Stück Fleisch wir kaufen, dann geniessen wir das auch viel mehr, weil es wieder etwas Spezielles wird. Dasselbe gilt wohl für das erste Glas Wein zu einem guten Essen nach einem Monat Alkoholverzicht.
Es gibt unzählige Gründe, weshalb wir unsere Vorsätze nicht einhalten. Ein Hauptgrund scheint jedoch die «Macht der Gewohnheit» zu sein. Der Beobachter schrieb dazu einen aufschlussreichen Artikel. Demnach sollten diese fünf Punkte helfen: