Nein, das war's noch nicht. Der Sommer hat nur kurz Pause gemacht, spätestens morgen kehrt er noch einmal zurück – und zum Wochenende hin wird es mit 30 Grad sogar noch mal heiss. Das sind für Anfang September aussergewöhnliche Temperaturen. Und auch in der nächsten Woche hält die Warmluftzufuhr aus dem Mittelmeer in die Schweiz wohl an. Trotz diesem Sommernachschlag ist nicht jeder mit der warmen Jahreszeit zufrieden. Aber war dieser Sommer wirklich mies, wie viele meinen?
Die Bauern jedenfalls sind nicht zufrieden. Für sie war das Wetter zu unbeständig. Die Ernten fielen nicht so üppig aus wie im Durchschnitt der vergangenen Jahre: Es gab in diesem Jahr deutlich weniger Kartoffeln (minus 23 Prozent), weniger Weizen (minus 27 Prozent), weniger Kirschen (minus 15 Prozent) und vermutlich weniger Wein und Gemüse. Einigermassen normal sind hingegen die Beeren- und Apfelernte, teilt der Schweizer Bauernverband auf Anfrage mit.
Beim Mais muss man noch abwarten. Einige Felder mussten nach dem feuchtwarmen Juni neu bepflanzt werden. Trotzdem könne sich der Mais noch erholen, sagt Pressesprecher Hans Rüssli. Hoffnung verspricht da eine alte Bauernregel: September schön in den ersten Tagen, will den ganzen Herbst ansagen. Ob es am Ende allerdings auch so kommt, weiss niemand.
Die meteorologische Bilanz fällt hingegen ziemlich positiv aus. Stephan Bader von Meteo Schweiz kann nicht verstehen, warum dieser Sommer schlecht gewesen sein soll. «Wir stellen immer wieder fest, dass in der Bevölkerung falsche Vorstellungen zum durchschnittlichen Schweizer Alpennordseiten-Sommer vorliegen», sagt er. Über Wochen anhaltende Schönwetterperioden, wie man das aus Italien, Spanien und Griechenland kenne, gehörten auf der Alpennordseite nicht zur Regel. Und wenn dann doch einmal die Jahreszeit extrem heiss ausfalle, wie 2003 oder 2015, würden diese sofort zum typischen Sommer stilisiert. «Aber das ist Wunschdenken», sagt er.
Bader arbeitet bei der Klimaabteilung des Wetterdiensts. Regelmässig sortiert er die Wetteraufzeichnungen und ordnet sie in den langjährigen Trend ein. Er analysiert, ob es zu warm, zu nass oder zu sonnig war. Sein Klimabericht liefert vor allem Zahlen über eine zurückliegende Wetterperiode. Bader arbeitet die Statistik des Wetters heraus.
Die Zahlen des Sommers 2016 können sich jedenfalls sehen lassen: Er gehört zu den zehn wärmsten Sommern seit dem Messbeginn im Jahre 1864. Über die ganze Schweiz gemittelt lag er sogar um 0,7 Grad höher als in der ohnehin schon warmen Referenzperiode von 1981 bis 2010. Vor allem im Wallis verliefen die Monate Juni, Juli und August überaus warm mit einer positiven Abweichung von 1,3 Grad, durchschnittlich hingegen war es im Engadin.
Der schlechte Ruf des Sommers liegt wahrscheinlich an seinem Beginn, der für viele gefühlt bereits im Mai liegt, aber meteorologisch korrekt erst im Juni erfasst wird. Mai und Juni waren in der Tat zu nass und brachten zu wenig Sonne. Verbreitet fiel in der Schweiz mehr als ein Drittel der üblichen Niederschlagsmenge. In Basel fiel im ersten Halbjahr mit rund 700 Litern fast doppelt so viel Regen wie üblich.
Landesweit war der Juni zu trüb, die Sonnenscheindauer erreichte auf der Alpennordseite nur sechzig bis achtzig Prozent der üblichen Werte. Rekord-Sonnenarmut registrierten die Meteorologen auf dem Säntis. Dort zählten sie lediglich 87 Stunden – der niedrigste Wert seit 1959.
Ursache hierfür war ein gewaltiger Tiefdruckkomplex über Mitteleuropa, der sich wochenlang kaum vom Fleck bewegte. Die Folge: Heftige Unwetter, die in der Schweiz, Deutschland und Österreich grosse Schäden verursachten. Starkregenfälle führten vielerorts zu Überschwemmungen und Hangrutschungen. Besonders betroffen waren hierzulande das Tessin, Nord- und Mittelbünden, das Oberengadin sowie der zentrale und östliche Alpennordhang.
Pünktlich zu Julibeginn besserte sich das Wetter. Einige Wochen lang zeigte sich der Sommer so, wie ihn die meisten Schweizer bevorzugen: Sonnig, nicht zu heiss, nicht schwül, mit kühlen Nächten. Trotz kleinen Schlechtwetterphasen legte sich wiederholt ein Hochdruckgebiet über das Land. Zwei Drittel des Monats brachten also sommerliche Werte, die Alpensüdseite schnitt dabei noch deutlich besser ab.
Ähnlich verlief auch der August, allerdings brachte das letzte Monatsdrittel sogar noch einmal heisse Saharaluft. Die Sonne jedenfalls zeigte sich im Juli und August überdurchschnittlich häufig. Und während der Juni deutlich zu nass ausfiel, brachten Juli und August trockene Phasen. Dies führte am Ende sogar dazu, dass die Regenbilanz in vielen Regionen der Schweiz negativ ist. Lediglich in einem Streifen von Zürich bis Schaffhausen sowie im Südtessin brachten Gewitter 130 bis 140 Prozent der normalen Sommermenge.
Fazit des Experten: «Zwei Drittel des Sommers brachten gute sommerliche Bedingungen. Deshalb ist die Unzufriedenheit über den Sommer eigentlich nicht zu verstehen», sagt Stephan Bader. Zumal die Warmzeit jetzt deutlich in die Verlängerung geht. Das wiederum passt zum weltweiten Trend: Noch nie seit Messbeginn im 19. Jahrhundert waren Juni und Juli derart warm, teilt die Weltmeteorologie-Organisation mit. Für August liegen zwar noch keine Daten vor, es dürfte aber nicht wundern, wenn der Monat global ähnliche Rekorde erzielte. Die Zukunft ist jedenfalls heiss.