Die NFL-Saison beginnt in der Nacht auf Freitag (2.20 Uhr) gleich mit einem Leckerbissen – vor allem für Fans von Offensiv-Spektakel. Super-Bowl-Sieger Kansas City empfängt die Detroit Lions, die in diesem Jahr zum erweiterten Kreis der Titelanwärter zählen. Wie fast jede Saison ist dieser vergleichsweise gross, Überraschungen sind so häufig wie in kaum einer anderen Sportart. Mit diesen Teams musst du rechnen.
Solange Patrick Mahomes bei den Kansas City Chiefs spielt und von Andy Reid gecoacht wird, zählt das Team aus Missouri zu den absoluten Topfavoriten in der NFL, so wie es die New England Patriots mit Tom Brady und Bill Belichick taten.
Mahomes führte sein Team in fünf Jahren als Stamm-Quarterback immer mindestens in den Halbfinal und zweimal zum Gewinn des Super Bowl. In der letzten Saison wurde der bald 28-Jährige zum zweiten Mal zum wertvollsten Spieler (MVP) gekürt. Dabei konnte er sich stets auf Tight End Travis Kelce verlassen, der 33-Jährige könnte zum Saisonstart jedoch ausfallen und wird auch nicht jünger.
Mit JuJu Smith-Schuster ist zudem der Passempfänger weg, welcher am zweitmeisten Raumgewinn erzielte. Damit fällt Marquez Valdes-Scantling und den wenig bewährten Wide Receivern Kadarius Toney und Skyy Moore eine grössere Verantwortung zu. Mahomes hat aber nach dem Abgang von Tyreek Hill schon in der letzten Saison bewiesen, dass er auch mit vermeintlich schwächeren Receivern Topleistungen zeigen kann.
In der Defense hingegen wird der Ausfall von Chris Jones nicht so leicht wettzumachen sein. Der Defensive Tackle streikt derzeit aufgrund eines Vertragsdisputs, es ist unklar, wann und ob er ins Team zurückkehren wird.
Die letzte Saison endete für Buffalo mit einer herben Enttäuschung im Viertelfinal gegen die Cincinnati Bengals. Das Drama um Damar Hamlin, der auf dem Feld einen Herzstillstand erlitt, kurz vor Ende der Regular Season darf jedoch nicht ausser Acht gelassen werden. Für die Mitspieler war es ein Schock, den sie möglicherweise nicht überwinden konnten, obwohl Hamlin im Playoff-Spiel gegen Cincinnati bereits wieder im Stadion war.
Die Bills haben nach wie vor ein hochtalentiertes Kader, das offensiv wie defensiv zum absolut besten gehört, was die NFL zu bieten hat. Stefon Diggs setzte den Gerüchten, dass er in Buffalo unzufrieden sei, ein Ende und wird weiterhin als Top-Passempfänger für Quarterback Josh Allen dienen. Hinter Diggs ist Buffalos Offense aber abgesehen von Gabe Davis, der selbst Probleme mit der Konstanz hat, eher dünn.
Dennoch ist das Team von Coach Sean McDermott stark vom Pass abhängig, da auf der Position des Runningbacks bisher kein sicherer Wert identifiziert werden konnte. Ob James Cook, Bruder von Dalvin, diese Lücke in seinem zweiten Jahr füllen kann, muss sich erst noch zeigen.
Aktuell gibt es nur gute Nachrichten aus Cincinnati. Quarterback Joe Burrow sei kurz davor, der bestbezahlte Spieler der NFL-Geschichte zu werden, und dürfte den Bengals damit noch einige Jahre erhalten bleiben. Ausserdem deutet alles darauf hin, dass Burrow rechtzeitig zum Saisonstart fit wird. Der 26-Jährige hatte mit einer Wadenzerrung zu kämpfen.
Ist Burrow fit, gehört Cincinnati auch dank der Wide Receiver Ja'Marr Chase und Tee Higgins zu den grössten Favoriten auf den Super-Bowl-Einzug in der AFC. Dies liegt auch an einer sehr soliden Defensive um Trey Hendrickson, die vom viel gepriesenen Defensive Coordinator Lou Anarumo angeführt wird. Nach jeweils einer Niederlage im Final und im Halbfinal in den letzten beiden Jahren hofft das bisher titellose Cincinnati nun auf den ganz grossen Wurf.
Im Februar waren sie so nahe dran, nach drei Vierteln lagen die Philadelphia Eagles im Super Bowl noch knapp vorn, am Ende unterlagen sie Kansas City aber 35:38. Nach Niederlagen im NFL-Endspiel tun sich viele Teams schwer, erneut an die Leistungen anzuknüpfen, in den USA wird häufig vom «Super Bowl Hangover» gesprochen. Um völlig abzustürzen sind die Eagles aber zu talentiert und zuletzt bewies auch Cincinnati, dass nicht jeder Super-Bowl-Verlierer verkatert in die Saison startet.
Dennoch musste Philadelphia einige tragende Personen ziehen lassen. Sowohl Offensive Coordinator Shane Steichen (in Indianapolis) als auch sein defensiver Konterpart Jonathan Gannon (in Arizona) wurden zu Cheftrainern befördert. Dazu haben in Safety C. J. Gardner-Johnson, Defensive Tackle Javon Hargrave und Runningback Miles Sanders einige Leistungsträger das Team verlassen.
Es wird also alles andere als einfach, die Leistungen der Vorsaison zu wiederholen. Sowohl die Offense um Quarterback Jalen Hurts und die Passempfänger A. J. Brown sowie DeVonta Smith, als auch die Defense gehörten zu den Top 3. Nun wird aber auch der Spielplan deutlich schwieriger als im letzten Jahr. So trifft «Philly» unter anderem auf Kansas City, Buffalo und San Francisco.
Auch die «Niners» gehören fast jährlich zu den Titelkandidaten, seit Trainer-Genie Kyle Shanahan sie 2017 übernommen hat. Sie haben unfassbar viel Talent auf beiden Seiten des Balls und konnten sich mit Defensive Tackle Javon Hargrave von Philadelphia gar noch verstärken. Ausserdem konnte gerade noch rechtzeitig eine Einigung mit Nick Bosa, dem besten Verteidiger der letzten Saison, getroffen werden. Der 25-Jährige wird in den nächsten fünf Jahren bis zu 170 Millionen Dollar verdienen und damit zum besten Defensivspieler der Geschichte.
Bei der gemäss «DVOA» – einem Wert, der aus verschiedenen Statistiken die Qualität eines Teams errechnet – besten Verteidigung der letzten Saison stellt sich jedoch die Frage, wie gut der Abgang von Defensive Coordinator DeMeco Ryans aufgefangen werden kann.
Und in der Offense steht hinter der Quarterback-Situation ein grosses Fragezeichen. Zwar wird er durch Runningback Christian McCaffrey, Tight End George Kittle und Alleskönner Deebo Samuel hervorragend unterstützt, doch muss Brock Purdy seine überraschend starken Leistungen der Vorsaison erst noch bestätigen. Der letzte Pick im Draft 2022 gewann alle sieben Spiele, die er von Anfang bis Ende bestritt.
Ausserdem wurde der 23-Jährige im März am Ellbogen operiert, er ist zwar rechtzeitig zum Saisonstart fit, doch wäre er nicht der Erste, den eine solche Verletzung längere Zeit aus der Bahn wirft. Fällt er aus, muss San Francisco auf den bisher wackligen Sam Darnold setzen. Trainer Shanahan muss also weiterhin tief in die Trickkiste greifen, um auch nach dem Weggang von Jimmy Garoppolo eine Top-Offensive zu stellen.
Die Defense bei «America's Team» ist dank Spielern wie Linebacker Micah Parsons und Cornerback Trevon Diggs hervorragend besetzt. In der Offense ist die Lage weniger gefestigt. Quarterback Dak Prescott warf in der letzten Saison 15 Interceptions bei nur 23 Touchdown-Pässen. Nun versprach der 30-Jährige zwar, dass weniger als zehn seiner Pässe vom Gegner abgefangen werden, doch passierten ihm in der Saisonvorbereitung immer wieder Fehler.
Das muss aber nicht viel heissen. War Prescott fit, war er meist ein grundsolider bis guter Quarterback. Mit Brandin Cooks bekommt er eine weitere verlässliche Anspielstation neben dem starken CeeDee Lamb. Der Abgang von Ezekiel Elliott wird zu verkraften sein, obwohl er zumindest aufgrund seiner Block-Fähigkeiten vermisst werden wird. Die Dallas Cowboys hatten den Nachfolger als Runningback in Tony Pollard aber bereits in den eigenen Reihen. Der 25-Jährige übertraf Elliott in der letzten Saison, obwohl er weniger Laufversuche bekam.
Das grösste Problem stellt sich den Texanern aber an der Seitenlinie. Mit Kellen Moore wurde ein vielversprechender Offensive Coordinator entlassen und nun übernimmt Head Coach Mike McCarthy die Wahl der Spielzüge. In Green Bay hatte der 59-Jährige damit Erfolg, doch dies ist fünf und mehr Jahre her. Team-Besitzer Jerry Jones ist dennoch optimistisch: «Ich sehe die Arbeit, die er als Head Coach, der auch die Spielzüge ansagt, gemacht hat, als eine seiner grössten Qualitäten.»
Bereits im letzten Jahr überraschten die New York Jets in den ersten Monaten der Saison mit sieben Siegen aus elf Spielen. Dies lag vor allem an der herausragenden Defense, welche die Probleme der Offensive wettmachen konnte. Mit der Ankunft von Superstar-Quarterback Aaron Rodgers sollen aber auch diese gelöst werden.
Der viermalige MVP, zuletzt in den Jahren 2020 und 2021, soll mit Wide Receiver Garrett Wilson und den Runningbacks Breece Hall und Dalvin Cook dafür sorgen, dass sich die Jets erstmals seit 2010/11 für die Playoffs qualifizieren. Als Schwachpunkt im Team von Trainer Robert Saleh gilt die O-Line, die den 39-jährigen Quarterback beschützen soll.
In Baltimore ging im Frühling die grosse Angst um. Denn zeitweise schien es so, als würden die Ravens Quarterback Lamar Jackson verlieren. Am Ende konnten sich die beiden Parteien aber auf eine Vertragsverlängerung einigen, die den 26-Jährigen kurzzeitig zum bestbezahlten NFL-Profi der Geschichte machte.
Nun hängt viel von der Gesundheit des Quarterbacks mit der aufgrund seiner vielen Läufe riskanten Spielweise ab. Ausserdem ist wichtig, dass die neuen Passempfänger Odell Beckham Jr. und Rookie Zay Flowers dabei helfen, Jacksons Passspiel auf ein neues Level zu heben. Neben einer dynamischen Offensive kann Trainer John Harbaugh auch auf eine solide Defensive zählen.
Es war ein noch fast nie dagewesener Einbruch, den die LA Chargers in der ersten Playoff-Runde der letzten Saison erlebten. Mit 27:0 führten sie bis kurz vor der Halbzeit in Jacksonville, am Ende unterlagen sie den Jaguars aber 30:31. Es war das drittgrösste Playoff-Comeback der NFL-Geschichte. Dennoch konnten die Chargers um Quarterback Justin Herbert, dem aktuell bestbezahlten Spieler der NFL-Geschichte, auch mit zehn Siegen in 17 Regular-Season-Spielen andeuten, was für ein Potenzial in ihnen schlummert.
Nun soll die Offense dank des neuen Coordinators aus Dallas, Kellen Moore, noch besser werden, während die Defense unter anderem durch die Verpflichtung von Linebacker Eric Kendricks ebenfalls einen Schritt nach vorne machen dürfte. Bleiben die anfälligen Receiver Keenan Allen sowie Mike Williams und Runningback Austin Ekeler grösstenteils von Verletzungen verschont, ist den Chargers viel zuzutrauen.
Sie waren auf der schöneren Seite des starken Comebacks im letzten Januar. Die Jacksonville Jaguars konnten nach vier schwachen Jahren erstmals wieder mehr Siege als Niederlagen einfahren und scheiterten erst im Viertelfinal am späteren Super-Bowl-Sieger Kansas City. Dies lag vor allem an Quarterback Trevor Lawrence und Trainer Doug Pederson. Der 23-jährige Lawrence geht nunmehr in seine dritte Saison und dürfte nicht nur deshalb einen weiteren Schritt machen.
Mit Calvin Ridley bekommt er nämlich noch eine neue Anspielstation. Der 28-Jährige bewies sein grosses Talent zuletzt in Atlanta, verpasste die letzten beiden Saisons aber fast komplett aufgrund mentaler Probleme und einer Sperre wegen Sportwetten auf die NFL. Es wird sich zeigen, wie schnell er zu alter Stärke finden kann. Die Defense wird hingegen ziemlich sicher ein Problem bleiben.
Die Bilder gehen nicht so schnell aus dem Kopf. Wie Tua Tagovailoa am Boden liegt, die Finger verkrampft in alle Richtungen zeigend. Der 25-jährige Quarterback erlitt während der letzten Saison zwei Gehirnerschütterungen und verpasste deshalb fünf Spiele, darunter die Playoff-Niederlage gegen Buffalo. Nun ist er zurück – und der Hoffnungsträger im Team vom in seinem ersten Jahr sehr überzeugenden Coach Mike McDaniel.
Die Sorgen bleiben jedoch. Nur, wenn sich der Hawaiianer vollständig erholt hat und gesund bleibt, kann die Offense um die Star-Receiver Tyreek Hill und Jaylen Waddle erneut eine der besten der NFL sein. Ist dies der Fall, dürfen die Floridianer vom ganz grossen Wurf träumen. Die Defense dürfte nämlich kein Problem darstellen, obwohl der von den Los Angeles Rams gekommene Cornerback Jalen Ramsey noch bis mindestens Dezember ausfällt.
Die Detroit Lions werden sich selbst verwundert die Augen reiben, dass sie in diesem Jahr so hoch gehandelt werden. Das Team aus Michigan, das letztmals in der Saison 1991/92 ein Playoff-Spiel gewann, überzeugte in der letzten Saison aber mit einer spektakulären Offensive und einem nur knappen Verpassen der Playoffs. Dies lag neben dem wiedererstarkten Quarterback Jared Goff und dem deutsch-amerikanischen Passempfänger Amon-Ra St. Brown vor allem an Offensive Coordinator Ben Johnson.
Das Trio soll erneut dafür sorgen, dass die Lions eine Top-Offense aufs Feld bringt. Denn das wird angesichts der grossen Probleme auf der anderen Seite des Balls nötig sein. Zwar konnte sich Detroit mit Cornerback Cameron Sutton aus Pittsburgh und Safety C. J. Gardner-Johnson aus Philadelphia verstärken, doch sind auch sie kein Allheilmittel für diese Defense. Den Lions kommt wie dem folgenden Team aber entgegen, dass die NFC in der Breite deutlich schwächer ist als die AFC.
Die Minnesota Vikings sind ein komisches Team. Trotz ihrer starken Regular Season im letzten Jahr mit 13 Siegen bei nur vier Niederlagen war niemand so richtig überrascht, als sie im ersten Playoff-Spiel gegen die New York Giants unterlagen. Dies lag daran, dass das Team vom neuen Trainer Kevin O'Connell nicht so überzeugend auftrat, wie es ihre Bilanz ausdrückte. Nach 17 Spielen wiesen sie gar eine knapp negative Punktedifferenz auf.
Dass Quarterback Kirk Cousins und Co. dennoch so viele Siege einfuhren, lag daran, dass sie die neun Spiele, die mit sieben oder weniger Punkten Differenz endeten, alle für sich entschieden. Eine ungewöhnliche Statistik in der NFL, weshalb viele Experten einen Rückschritt erwarten. Auch die Abgänge in der Defense wie jene von Linebacker Eric Kendricks und Cornerback Patrick Peterson sind besorgniserregend.
Justin Jefferson catch vs the Bills. https://t.co/IVRfc8EsvF pic.twitter.com/gqEPHS67nl
— Vikings Central (@VikesCentral) June 15, 2023
Aufgrund von Justin Jefferson, dem derzeit wohl besten Receiver der Liga, Tight End T. J. Hockenson sowie dem vielversprechenden Rookie Jordan Addison ist dennoch mit den Vikings zu rechnen.
Schon bei einigen der oben aufgeführten Teams wäre es eine Überraschung, sollten sie den Super Bowl gewinnen, bei allen anderen Teams wäre es aber eine echte Sensation. Dennoch lohnt es sich, zumindest bei den Spielen von einigen davon ab und an mal einzuschalten.
So trauen einige Experten beispielsweise den Green Bay Packers trotz des Abgangs von Aaron Rodgers eine gute Saison zu. Dafür müsste Jordan Love, der drei Jahre nachdem er an 26. Stelle gedraftet wurde, in seinem ersten Jahr als Stamm-Quarterback gleich eine solide Offensive anführen. Ebenfalls interessant wird sein, wie stark der Einfluss von Sean Payton, dem neuen Coach der Denver Broncos, auf den letzte Saison miserablen Russell Wilson und das gesamte Team sein wird.
Wilsons Ex-Verein war in der letzten Saison hingegen eine der Überraschungen. Die Seattle Seahawks, angeführt von Trainer Pete Carroll und Quarterback Geno Smith, erreichten die Playoffs, wo sie in der ersten Runde scheiterten. Der 32-jährige Smith muss nun zeigen, dass sein später Durchbruch keine Ausnahme war.
Auch die Pittsburgh Steelers, die in 16 Jahren unter Trainer Mike Tomlin immer mindestens die Hälfte der Spiele gewannen, werden sich in keinem Spiel kampflos ergeben. Gleiches gilt für die Tennessee Titans unter Mike Vrabel und die New Orleans Saints, die hoffen, dass ihnen der aus Las Vegas gekommene Quarterback Derek Carr neues Leben einhaucht.
Ausserdem sind wie jedes Jahr natürlich auch die Teams mit Rookie-Quarterbacks spannend zu beobachten. Am meisten wird im ersten Jahr Bryce Young, der von den Carolina Panthers an erster Stelle ausgewählt wurde, zugetraut. Aber auch Anthony Richardson (Indianapolis Colts) und C. J. Stroud (Houston Texans) wird grosses Potenzial attestiert. In der NFL dürfte es also auch in diesem Jahr nicht langweilig werden.
Mein Tipp fürs Endspiel ist ein Sieg der 49ers gegen die Chiefs.
Am meisten gespannt bin ich auf die Falcons. Mit Pitts, London und jetzt Robinson haben sie drei junge offensive Waffen. Mal schauen wie und ob Ridder auf QB die drei in Szene setzen kann.