Nachdem er schon unter der Saison mit fünf Kranzfestsiegen der klar Stärkste im Land gewesen war, dominierte der Seeländer Hüne Christian Stucki auch den Unspunnen-Schwinget fast nach Belieben. Die ersten vier Gänge – im 4. Gang bereits einmal gegen Curdin Orlik – gewann er mit lauter Maximalnoten, ehe er sich vom defensiv starken Innerschweizer Sven Schurtenberger den einzigen Gestellten abringen liess. Der Schlussgang war dann allerdings keine klare Sache. Orlik wehrte sich gut, und Stucki wirkte mit zunehmender Gangdauer müde. In der 16. und letzten Minute gelang es ihm mit seinen Bärenkräften schliesslich doch noch, den acht Jahre jüngeren Orlik zu bodigen.
Während zahlreiche über 30-jährige Schwinger allmählich ihre Mühe haben, hat Stucki auf eindrucksvolle Weise vorgemacht, dass selbst ein älterer Schwinger den vielen aufstrebenden Youngsters den Meister zeigen kann. Mit 32 Jahren und 7 Monaten ist Stucki der älteste Sieger eines Festes mit eidgenössischem Charakter seit 21 Jahren. Damals, 1996, gewann der populäre Berner Niklaus «Chlöisu» Gasser als 35-Jähriger den komplett verregneten Kilchberger Schwinget im Schlussgang gegen den Muttenzer Rolf Klarer.
Für wohl die meisten unter den 15'400 Zuschauern kam die Schlussgangteilnahme von Curdin Orlik überraschend. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Armon Orlik war zu Recht als einer der Topfavoriten gehandelt worden, aber mit dem «anderen» Orlik, der seit dieser Saison nach einem Wohnortswechsel für den Berner (Oberländer) Verband schwingt, nutzte die Gunst der Stunde und die Tatsache, dass viele Böse vorzeitig aus der Entscheidung fielen. Vor allem im 4. Gang erlebten etliche Spitzenschwinger ihr Waterloo, so die beiden Berner Schwingerkönige Matthias Sempach – er war nach einer langen Verletzungspause weit von seiner Bestform weg - und Kilian Wenger sowie der St. Galler Daniel Bösch, der Gewinner des letzten Unspunnen-Schwingets 2011.
Für Curdin Orlik war der Ausgang des als Halbfinal gedachten Spitzenduells zwischen den jungen Bösen Armon Orlik und Joel Wicki günstig. Der Entlebucher Wicki besiegte Armon Orlik, bekam für die Arbeit am Boden jedoch nur 9,75 Punkte gutgeschrieben. Mit der Maximalnote wäre Wicki punktgleich mit Curdin Orlik gewesen und wäre aufgrund des eindeutig besseren Notenblatts als Stuckis Schlussganggegner erkoren worden.
Ist «Chrigu» Stucki, der seit vielen Jahren nicht weniger populär ist als ein Schwingerkönig, der richtige und vollauf verdiente Sieger des überraschungsreichen Fests, darf man den für die Zukunft sehr viel versprechenden Joel Wicki getrost als den zweiten oder den heimlichen Sieger bezeichnen, und zwar nicht nur, weil er in der Schlussrangliste tatsächlich den 2. Platz belegt.
Der nicht allzu gross gewachsene Sörenberger - er misst 182 Zentimeter - zeigte von allen aufstrebenden Jungen und künftigen Anwärter auf die Königstitel – die beste Leistung. Wäre der Schlussgang gestellt ausgegangen, hätte Wicki den Unspunnensieg geerbt – wie zuletzt Jörg Abderhalden 1999. Dabei wäre er vermutlich nicht einmal auf die Erbschaft angewiesen gewesen. Im ersten Gang stellte er gegen Kilian Wenger. Wie TV-Bilder zeigten, hätte der Kampfrichter in einer strittigen Szene auch Wicki den Sieg geben können. Die weiteren fünf Gänge gewann Wicki allesamt. (sda/jsc)