Eigentlich war das gestern nur noch eine Vollzugsmeldung: Der FIFA-Kongress stimmte den Austragungsorten der Fussball-Weltmeisterschaften 2030 und 2034 ohne Gegenstimmen zu. Während das übernächste Turnier mit Portugal, Spanien, Marokko, Uruguay, Paraguay und Argentinien in sechs Ländern und auf drei Kontinenten stattfindet, kommt 2034 Saudi-Arabien alleine zum Handkuss.
Aber anders als 2014, als die WM-Vergaben nach Russland und Katar die Welt entsetzten, war die gestrige Ankündigung keine Überraschung mehr. Schliesslich hatte FIFA-Präsident Gianni Infantino bereits vor einem Jahr, am 31. Oktober 2023, die mittlerweile bestätigten Gastgeber verkündet.
Die vielleicht wichtigste Entscheidung im weltweiten Fussball wurde dabei nicht etwa auf einem offiziellen FIFA-Kanal in die Welt gesetzt, sondern auf Infantinos persönlichem Instagram-Account. In den Worten von «Star Wars»-Bösewicht Imperator Palpatine: «I am the senate FIFA.»
Zu diesem Zeitpunkt war die 25-tägige Bewerbungsfrist für interessierte Kandidaturen für 2030 und 2034 gerade abgelaufen und für beide Turniere gab es nur je einen Bewerber. Eigentlich hätten Uruguay, Paraguay und Argentinien eine eigene Kandidatur für das Turnier 2030 einreichen wollen – anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der ersten WM in Uruguay. Doch Infantino und die FIFA überzeugten die drei Länder, stattdessen einfach Teil der Bewerbung von Portugal, Spanien und Marokko zu sein und so je ein Jubiläumsspiel im eigenen Land auszutragen.
Das machte den Weg frei für Saudi-Arabiens Kandidatur für 2034. Die Regeln der FIFA besagen, dass ein Kontinentalverband nach einer WM-Austragung für zwei Turniere nicht mehr als Gastgeber infrage kommt. Das hiess, mit den Turnieren 2026 in den USA, Kanada und Mexiko und der Mega-Kandidatur für 2030 waren Nordamerika, Europa, Südamerika und Afrika allesamt vom Tisch. Es blieben noch Ozeanien und Asien übrig.
Australien plante eigentlich eine Kandidatur, wurde aber von der unerwarteten Eröffnung des Bewerbungsverfahrens mit der 25-tägigen Frist überrumpelt und zog sich zurück. Saudi-Arabien hingegen reichte sogleich eine ausführlich gestaltete Bewerbung ein – ein Schelm, wer denkt, der Wüstenstaat sei vorab informiert worden.
Es war schon lange Infantinos Traum, dass Saudi-Arabien eine Fussball-WM ausrichten darf. Das Öl-Geld lockt. Der Walliser setzte sich zunächst dafür ein, dass die Saudis gemeinsam mit dem nicht immer geliebten Nachbar Katar für das Turnier 2022 zusammenspannen. Dann versuchte er zunächst Italien, dann Griechenland und Ägypten eine gemeinsame Kandidatur mit dem Wüstenstaat für 2030 schmackhaft zu machen. Doch auch diese Idee scheiterte.
Damit Infantinos Traum doch noch wahr werden konnte, baute sich der 54-jährige Walliser den Weltfussballverband nach seinem Geschmack um. 2016 als Reformer das Amt angetreten, entmachtete er bald einmal die damalige Generalsekretärin Fatma Samoura. Die nach den Wirren um Sepp Blatter und der WM-Vergabe nach Russland und Katar geschaffene FIFA-Ethik-Kommission besetzte er wie den mächtigen FIFA-Council mit ihm wohlgesinntem Personal.
Natürlich musste auch die eine oder andere Regel ignoriert oder zumindest etwas gebogen werden. Eigentlich dürften seit 2010 nicht mehr zwei WM-Turniere am selben Tag vergeben werden, um Absprachen zwischen den Kandidaturen zu verhindern. Trotzdem wurde das gestern am ausserordentlichen FIFA-Kongress so gemacht.
Es gab keine separate Entscheidung, ja nicht einmal eine echte Abstimmung. Die FIFA-Mitgliedsländer «stimmten» mit Applaus gleichzeitig den beiden Kandidaturen zu, es gab also keine Möglichkeit, 2030 anzunehmen und 2034 abzulehnen.
Nations gave their votes for the 2030 and 2034 World Cups by 'acclamation' - clapping in front of their cameras via their video links.#BBCFootball pic.twitter.com/dHG09aqmev
— BBC Sport (@BBCSport) December 11, 2024
Auch hier sind die Beweggründe offensichtlich: Bei einer Abstimmung wären allfällige ablehnende Stimmen gegen Saudi-Arabien offensichtlich geworden. So gab es für Infantinos Freunde einen warmen Applaus. Protest-Aktionen wie ein Brief des Schweizerischen Fussballverbands SFV an die FIFA wurden gekonnt ignoriert.
Genauso wie kritische Stimmen von Menschenrechtsorganisationen bei der FIFA ebenfalls auf taube Ohren stossen. Etwa Human Rights Watch oder Amnesty International kritisierten die Lage in Saudi-Arabien stark. Neben der mangelnden Menschenrechtslage für Frauen sowie Mitglieder der LGBTQ+-Community auch die Tatsache, dass beim jüngsten Mega-Bauprojekt auf der arabischen Halbinsel bereits über 20'000 Menschen gestorben sind.
Trotzdem erhielt die WM-Kandidatur von Saudi-Arabien in der FIFA-Beurteilung 4,2 von 5 Punkten – die höchste je erzielte Bewertung. In der Sparte Menschenrechte sah der Fussball-Weltverband nur «moderates Risiko» für eine erfolgreiche Durchführung des Turniers.
Eben: Infantino macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Er lagert die FIFA-Rechtsabteilung von Zürich nach Miami aus und lässt dort gemäss einem Bericht des «Blick» die Schulkosten seiner Tochter von seinem Arbeitgeber bezahlen – trotz eines Gehalts von über vier Millionen Schweizer Franken pro Jahr.
Neben der WM in Saudi-Arabien ist die Klub-WM im nächsten Jahr mit 32 Teams Infantinos anderer grosser Wurf. Der Walliser ist derart besessen von diesem Turnier, dass er gar auf der neuen Trophäe namentlich erwähnt wird. Dort steht unter anderem eingraviert:
Doch es gab bei der Klub-WM ein grosses Problem. Die FIFA fand keine TV-Sender, die bereit waren, für die Übertragungsrechte zu bezahlen – bis kürzlich DAZN doch noch ein Angebot machte. Der britische Streaminganbieter bot dem Weltverband eine Milliarde, um die Spiele zu zeigen. Und welch Wunder: Der saudische Staatsfond PIF soll demnächst mit rund einer Milliarde bei DAZN als Teilinhaber einsteigen.
Die FIFA-Statuten sehen vor, dass Infantino 2031 sein Amt als Präsident niederlegen müsste – drei Jahre bevor seine WM in Saudi-Arabien über die Bühne geht. Man darf gespannt sein, ob er da auch noch ein Schlupfloch findet.