2023 Meister, 2024 als Sieger der Champions Hockey League auf dem Gipfel Europas und ein Jahr später im Frühjahr 2025 auf Rang 12 nicht einmal mehr fürs Play-In qualifiziert. Nicht einmal Ikarus ist einst so schnell vom Himmel gefallen, als das Wachs geschmolzen war, das seine Flügel zusammengehalten hatte. Sportdirektor Marc Gautschi hat das Glück, über unbegrenzte finanzielle Mittel zu verfügen. Also hat er die Geldspeicher öffnen lassen und versucht, den Kater nach dem Goldrausch mit einer Transferoffensive zu vertreiben.
Money talks. Aus Langnau kommt mit Stéphane Charlin der beste Schweizer Torhüter der letzten Saison und er bringt mit Vili Saarijärivi einen Schillerfalter mit, der das Potenzial zum Publikumsliebling hat. Drei neue ausländische Powerstürmer (Akeson, Puljujärvi, Vesey) sollen Dampf machen, und aus Fribourg ist auch noch Dave Sutter gekommen, um die Löcher zu stopfen, die Vili Saarijärvi bei seinen Sturmläufen offenlassen wird. Der Optimist sieht meisterliche Zeiten aus den Tiefen der Depression aufsteigen. Aber eigentlich hatte ja Servette vorher nicht viel weniger Talent. Eine echte Verbesserung ist nur auf der Goalie-Position und beim ausländischen Personal gelungen.
Eine Rückkehr in die Spitzengruppe ist also nicht in erster Linie eine Frage des Talentes (davon hat Servette mehr als genug), sondern eine Frage der Führung. Sportdirektor Marc Gautschi, als Emmentaler mit den gotthelfschen Lehren (Geld und Geist) sehr wohl vertraut, hat aus gutem Grund die ganze Führungscrew an der Bande ausgewechselt. Die Kommandobrücke ist nun mit einer buntscheckigen Crew besetzt: Der Cheftrainer, ein Franzose, der als Nationaltrainer bei der WM 2025 soeben kläglich abgestiegen ist, assistiert von zwei Finnen und einem Kanadier. Wenn das alles nur nicht mit einem boshaften Spruch endet: Löwen, kommandiert von Eseln.
Auf einer Skala von 1 bis 10 Pucks.
Der freundliche Franzose Yorrick Treille ist im Laufe der letzten Saison nach der Entlassung von Jan Cadieux am 28. Dezember 2024 vom Assistenten zum Chef befördert worden. Und nichts ist bis Saisonende besser geworden. Trotzdem ist sein Vertrag bis zum Frühjahr 2026 verlängert worden. Als französischer Nationaltrainer stieg er bei der WM 2025 kläglich ab. Ob ihn wohl sein berühmter finnischer Assistent Ville Peltonen in Genf auf Dauer ernst nehmen kann? Wir wollen nicht grübeln.
Der verlorene Sohn Stéphane Charlin ist wieder da. Im Sommer 2022 war er in Genf als verlorenes und vergessenes Talent durch die Hintertür abgeschoben worden, und nun ist er in drei Jahren im Emmental zum besten Schweizer Torhüter der vergangenen Saison gereift und durch den Vordereingang und unter Fanfarenklängen heimgekehrt. Der zweite Torhüter ist eher noch berühmter: Robert Mayer war Servettes Meistergoalie (2022/23). Aber spätestens nach der WM-Viertelfinal-Niederlage 2023 gegen Deutschland, ein paar Wochen nach der Meisterfeier, hat er die Magie seines Spiels verloren und seither nie mehr gefunden. Ein ehrgeiziger Konkurrent, der die Kreise von Stéphane Charlin stört, ist er nicht. Mit einem Vertrag bis 2027 kann er mit ruhiger Gelassenheit den Spätherbst seiner Karriere geniessen und an einem guten Abend immer noch einen Sieg stehlen.
Noch selten war eine so teure und so prominent besetzte Abwehr so löcherig. Mit 153 Gegentreffern war Servette letzte Saison defensiv bloss die Nummer 10 der Liga. Ein finnischer Schillerfalter (Vili Saarijärvi), ein tschechischer Haudegen (Jan Rutta) und ein freundlicher Titan (Dave Sutter) genügen nicht, um eine von der Besetzung her meisterliche Verteidigung wieder meisterlich zu machen. Da wartet viel Arbeit auf den Cheftrainer und seine Assistenten.
So viel offensiven Rock’n’Roll können nur wenige Teams spielen. Gleich fünf hochkarätige ausländische Stürmer kann Yorick Treille aufs Eis schicken (drei davon sind neu) und mit sechs helvetischen Nationalstürmern ist die Kadertiefe meisterlich. Um eine von der Besetzung her meisterliche Offensive wieder meisterlich zu machen, genügen ein paar transfertechnische Handgriffe auf den Ausländerpositionen nicht. Da wartet viel Arbeit auf den Cheftrainer und seine Assistenten.
Für die Anzapfung der Rolex-Stiftung zur Förderung des Genfer Hockeys verdienen die Macher von Servette die Maximalnote. Und für die Zusammenstellung eines Teams, das Meister und Europas Nummer 1 werden konnte, auch. Aber inzwischen raunen Kritiker: Noch nie ist in der Genfer Sportgeschichte so viel Geld so schlecht gemanagt worden wie in den beiden letzten Jahren bei Servette. Sportdirektor Marc Gautschi ist gefordert und es wird ihm helfen, wenn er in Mussestunden ein wenig in einem Werk der Weltliteratur schmökert: Geld und Geist von Jeremias Gotthelf.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
War es je so schwierig, Mannschaften einzuschätzen wie vor der Saison 2025/26? Nein, wahrscheinlich nicht. Wir wissen zwar aus Erfahrung, dass es mindestens eine Überraschungs-Mannschaft und einen strauchelnden Titanen geben wird. Aber wer wird positiv überraschen? Langnau? Ambri? Ajoie? Und wer gerät in den Strudel einer Krise? Erneut der Servette? Aber vielleicht helfen ja unsere Noten bei der Einschätzung.
Statistiken sagen viel. Aber alle haben sie. Gibt es mehr als nur diese allgemein zugänglichen Zahlen? Ja. Eine Bewertung jedes einzelnen Spielers. Deshalb benoten wir jeden unserer Helden des rutschigen, eisigen Spielfeldes. Wir polemisieren damit sozusagen nach Noten. Aber leicht machen wir uns die Sache nicht. Unsere Noten basieren bei Weitem nicht nur auf unserem unzulänglichen Urteilsvermögen. Wir folgen auch den Einschätzungen der wahren Kenner, der Trainer, Sportchefs, NHL-Scouts. Und ein Problem können wir nicht lösen: Alle Beurteilungen basieren auf den Leistungen in der Vergangenheit. Was einer in Zukunft leisten wird, bleibt reine Spekulation.
Wenn wir wissen wollen, wie gut eine Mannschaft ist bzw. sein wird, können wir einfach den Noten-Durchschnitt ausrechnen. Oder? Aber so einfach ist es leider nicht. Ob aus hochkarätigen Spielern mit hohen Noten tatsächlich eine starke Mannschaft wird, ist nämlich höchst ungewiss. Es ist keineswegs sicher, dass eine Mannschaft tatsächlich so gut spielt, wie sie es aufgrund der Bewertung der einzelnen Spieler eigentlich müsste. Das zeigt auch, welche Gestaltungskraft gute Trainer haben. Sie können mehr aus einem Team herausholen, als unsere Noten vermuten lassen. Unsere Noten sagen letztlich noch nichts über die Mannschaft. Wer sich bei den Prognosen trotzdem auf diese Noten verlässt, ist selbst schuld.
Eine Steigerung von Platz 12 auf Position 7 ist ein grosser Schritt. Aber bei so viel Geld und Talent wie in Genf ist Rang 7 ein Minimalziel und eigentlich reicht die Substanz für eine Rückkehr in die Spitzengruppe. Aber Servette kann nicht so schnell aufsteigen, wie es abgestürzt ist.