Erst mit Heinz Ehlers hat in Langnau das Zeitalter der Playoffs begonnen. Ja natürlich: Die Langnauer hatten schon 2011 zum ersten Mal die Playoffs der höchsten Liga erreicht. Aber diesem kurzen Wahn folgte eine lange Reue und eine Ehrenrunde in der NLB.
Heute sind die SCL Tigers finanziell und sportlich stabil wie nie in diesem Jahrhundert. Deshalb: Erst mit Heinz Ehlers hat das Zeitalter der Playoffs begonnen.
Eine Episode hat es möglich gemacht, dass der Däne in Langnau der mächtigste Trainer der Neuzeit geworden ist. Die Emmentaler haben im Herbst 2016 ihre Identität («Hockey Country») nach Jahren der Wirren gefunden. Aber nach wie vor keinen Patron, der das Personal im Griff hat. Sie verlieren zum Saisonauftakt gleich neunmal hintereinander. Sportchef Jörg Reber hält trotzdem eisern an Scott Beattie fest.
Aber dann sitzen Verwaltungsräte in diesem milden Herbst mit Kunden auf der Terrasse des «Hirschen». Scott Beattie fährt im Cabrio mit laut aufgedrehter Musik vorbei. Die SCL Tigers in einer schweren Krise, aber der Trainer kreuzfidel. Der Spott ist beissend.
Genug ist genug. Nun wird von höherer Stelle, vom Verwaltungsrat, ein Kommandowechsel verordnet. Bei der Wahl des neuen Chefs vertrauen die Herren nicht mehr der Sportabteilung. Sie ziehen eigene Erkundigungen ein und kommen zum Schluss, dass nur einer in Frage kommt: Heinz Ehlers.
Seine Referenzen sind gut. Er hat Biel 2008 in die NLA zurückgebracht (was vorher 13 Trainer nicht geschafft hatten), 2012 mit Langenthal NLB-Meister geworden (ein Hockeywunder) und ist in Lausanne trotz exzellenter Arbeit (als Neuling gleich zweimal in drei Jahren in den Playoffs) gefeuert worden.
Eigentlich will er eine Pause machen. Er ist daheim in Kopenhagen mit der Regelung privater Angelegenheiten beschäftigt. Er muss erst dazu überredet werden, die Arbeit im Hockey wieder aufzunehmen. Mit dem Auto brettert er schliesslich von Kopenhagen nach Langnau und am 4. Oktober 2016 steht er zum ersten Mal an der Bande (0:3 gegen Ambri).
Langnaus grösste Zeit seit Einführung der Playoffs (1986) hat begonnen. Die Playoffs gegen Lausanne sind eine vorläufige Krönung.
Heinz Ehlers ist kein Besserwisser. Er ist ein Bessermacher. Er verbindet die soziale Kompetenz der Skandinavier mit der Akribie eines helvetischen Buchhalters, britischem Sinn für schwarzen Humor und Selbstironie. Er hat die notwendige Sturheit, um sein Konzept durchzusetzen, die schmerzhafte Direktheit, um ohne Umwege zu erklären, was er will und ein feines Gespür für die Stimmung in der Kabine und die Dynamik eines Spiels.
Wie sehr Heinz Ehlers (mit Vertrag bis 2021) inzwischen in Langnau verehrt und respektiert wird, zeigt sich an einer Nebensächlichkeit.
Die Emmentaler pflegen, die Vertrautheit mit einem Menschen mit dem Vornamen auszudrücken. Aus Hans wird «Hausi», aus Fritz «Fridu», aus Werner «Wernu», aus Andreas «Resu» oder aus Jakob «Köbu». Aber keiner nennt Heinz «Hene». Stets ist vom «Heinz» die Rede. Es ist die höchste Form von Respektsbezeugung.
Die SCL Tigers sind nominell (in der Gesamtsumme des Talentes) zusammen mit Ambri neben den Lakers das schwächste Team der Liga. Aber sie stehen in der oberen Tabellenhälfte, weil der Trainer aus jedem ein Maximum herausholt.
Heinz Ehlers lässt «totales» Hockey spielen wie Luca Cereda in Ambri: Die Scheibe oder der scheibenführende Gegenspieler werden unter Beibehaltung von Ordnung gejagt. Wie weit kann Langnau in den Playoffs kommen? Gewinnen die Emmentaler zum ersten Mal ein Playoffspiel in der höchsten Liga? 2011 schieden sie sieglos gegen den SCB aus.
Gegen Biel, Ambri oder Servette hätten sie eine Erfolgschance von über 50 Prozent gehabt. Gegen Lausanne sind es weniger als 50 Prozent. Weil Lausanne unter Kari Jalonens Zauberlehrling Ville Peltonen taktisch die welsche Antwort auf Langnau ist. Aber mit doppelt so viel Talent. Eine Überraschung wäre eine Sensation. Oder kann Heinz Ehlers mit Langnau nicht nur Qualifikation?
Die Parallelen zwischen den SCL Tigers und Ambri, den beiden Überraschungsteams der Saison, sind augenfällig: Auch Ambri verdankt seine Playoffs dem Trainer und auch in Ambri steht der mächtigste Trainer der Neuzeit an der Bande.
Ambri unterscheidet sich 2016 nicht mehr von gewöhnlichen Klubs und hat keine sportliche und wirtschaftliche Zukunft mehr. In diesen Zeiten der Not reift bei Präsident Filippo Lombardi die Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann. Ambri soll sich wieder auf seine Identität, seine Kultur besinnen und das wahre Ambri werden.
Aber kein Kanadier, kein Finne und kein Schwede, auch keiner aus dem Welschland oder der Deutschschweiz, kann Ambri als Trainer zu seinen Ursprüngen zurückführen. Das vermag nur ein Sohn der Leventina. Und allein kann er das auch nicht. Er braucht einen Sportchef, der mit dieser Kultur vertraut ist.
Filippo Lombardi hat Glück, dass er zwei Männer findet, die Ambri atmen, essen und trinken, die im Tal hoch angesehen sind, die einerseits in der Seele stockkonservative Ambri-Traditionalisten, aber hockeytechnische Revolutionäre sind, die Beziehungen in alle Welt pflegen und das moderne Hockey kennen. Paolo Duca (37) wird vom Captain zum Sportchef befördert und der gleichaltrige Luca Cereda wird sein Trainer.
Luca Cereda, der einzige Trainer der Liga mit einem ganz normal kündbaren Arbeitsvertrag (also kein Zeitvertrag), mahnt mit seiner Hockey-Besessenheit ein wenig an Arno Del Curto. Aber er ist weniger «ideologisch», sein Ego ist kleiner. Typisch für ihn: Wenn die Siegeshymne «La Montanara» in der heimischen Arena angestimmt wird, verschwindet er in der Garderobe. Er sagt, diese Hymne gehöre den Spielern. Nicht dem Trainer. Mit seiner Beharrlichkeit, mit der er aus einem Minimum ein Maximum herauszuholen vermag, ähnelt er Heinz Ehlers.
Luca Cereda war einst eines der grössten Talente unseres Hockeys (Torontos Erstrundendraft), aber gesundheitliche Schwierigkeiten (Herzoperation) verunmöglichten die grosse NHL-Karriere und deshalb begann er früh seine Trainerkarriere. Er lebt die Leidenschaft vor, die er von seinen Spielern erwartet. Er fordert ein «totales» Hockey wie Heinz Ehlers in Langnau. Die Scheibe oder der scheibenführende Gegenspieler werden unter Beibehaltung von Ordnung in den eigenen Reihen gejagt.
Während Heinz Ehlers in Langnau die Rahmenbedingungen für die Umsetzung seiner Philosophie in einer wohlgeordneten Hockey-Firma schon vorgefunden hat, muss Sportchef Paolo Duca auch neben dem Eis eine neue Kultur aufbauen, um seinem Trainer den Neuanfang zu ermöglichen.
Wie er das erreicht hat, mag eine Episode zeigen: Ein Trainer kann in Ambri eigentlich gar nie in Ruhe arbeiten. Die Gerüchteküche wird durch die Konkurrenz von zwei Tageszeitungen und verschiedenen Onlineportalen täglich neu angeheizt. Wenn alle Spieler, die im Verlaufe einer Saison im Tessin gerüchteweise nach Ambri geschrieben werden, tatsächlich verpflichtet würden, könnte Ambri drei NLA-Mannschaften ins Rennen schicken. Und natürlich wird jede Woche ein neues mediales Gerücht über die bevorstehende Absetzung des Trainers in die Welt gesetzt. In diesem Reizklima ist langfristige Arbeit unmöglich.
Paolo Duca ist ein kaum beachtetes und im Tessin logischerweise in den Medien nie erwähntes Kunststück gelungen: Er hat die Medien zum Schweigen gebracht.
Freundlich, aber bestimmt hat er durchgesetzt, dass in den Tessiner Medien keine Transfergerüchte mehr verbreitet werden und sein Trainer nicht mehr mit polemischer Berichterstattung destabilisiert wird.
Ein Chronist, der seine Infos stets direkt von einem Verwaltungsrat bezieht, klagte mir kürzlich, er dürfe seine Infos nicht einmal mehr über Twitter verbreiten, geschweige denn in einem Print- oder Online-Medium. Die Order komme von ganz oben. Von den Chefs. Dahinter stecke der Duca. Da könne man nichts machen. Er sagt es respektvoll, nicht verärgert. Paolo Duca und Luca Cereda geniessen in Ambri mehr Respekt als alle Sportchefs und Trainer dieses Jahrhunderts zusammengenommen.
Kein Kanadier, kein Finne und kein Schwede, auch keiner aus dem Welschland oder der Deutschschweiz, hätte auch nur den Versuch wagen können, mit einer Tour durch die Büros der Chefredaktoren die Medien zum Schweigen zu bringen. Das kann, das darf nur einer aus dem Tal. Paolo Duca.
Luca Ceredas Erfolg ist ohne Paolo Duca nicht denkbar. Nur so ist es möglich, dass der Jungtrainer trotz einem zweitletzten Platz in seiner ersten Saison (2017/18) nie in Frage gestellt wird. Die Geduld hat sich gelohnt. Die Playoffs 2019 sind wertvoller und vor allem kostengünstiger als der gegen Lugano verlorene Playoff-Final von 1999. Nie war Ambri so authentisch und populär wie heute.
Aber so wie Langnau das Pech hat, nun gegen Lausanne spielen zu müssen, so hat Ambri das Pech, ausgerechnet auf Biel zu treffen. Gegen Langnau, Servette, ja sogar gegen Zug und Lugano wären die Siegeschancen höher als 50 Prozent. Aber nicht gegen Biel.
Ambri hat in der Qualifikation gegen Biel alle Partien verloren. Weil die Bieler Gaukler und Individualisten wie Anssi Salmela, Toni Rajala oder Damien Brunner in ihren Reihen haben, die vom Trainer nicht stur ins System gepresst werden, sich gegnerischem Druck zu entziehen vermögen und Biel unberechenbar machen.
Eine Überraschung wäre eine Sensation. Oder kann Luca Cereda mit Ambri auch Playoff und nicht «nur» Qualifikation?