Der Abstieg ist der Höhepunkt eines sportlichen Dramas, das sich meistens über mehrere Jahre hinzieht. Das spektakuläre Ende eines schleichenden wirtschaftlichen und sportlichen Zerfalls.
In der neuen Zeit hat der Abstieg seinen Schrecken verloren. Der mediale Theaterdonner ist zwar gewaltig. Doch in den zwei letzten Fällen hat sich die Relegation als sportlicher und finanzieller Segen erwiesen. Die SCL Tigers und die Rapperswil-Jona Lakers sind aus dem Abstieg sportlich und wirtschaftlich rundum erneuert und gestärkt hervorgegangen und haben die Rückkehr in die höchste Liga nach bereits zwei (Langnau) bzw. drei Jahren (Lakers) in guter Verfassung geschafft. Die SCL Tigers sind inzwischen so gut wie nie mehr seit ihrem einzigen Titel von 1976 und die Lakers haben nach ihrem Abstieg ihren ersten Titel auf höchster Ebene (Cupsieg 2018) gefeiert.
Die reinigende Kraft eines Relegationsgewitters hat ihre Logik. Es ist wie bei einem echten Gewitter. Die Spannungen, die sich oft über Jahre hinaus aufgebaut haben, entladen sich mit Blitz und Donner, die Luft wird rundum erneuert, die Wolken verschwinden und unter einer wärmenden Sonne wächst und gedeiht wieder alles bestens.
Der Abstieg ist deshalb so nützlich, weil in der Regel alle Verträge endlich aufgelöst werden können. Es ist ein Neuanfang, der nur der Abstieg möglich macht.
Nun ist bald ein Jahr nach dem Abstieg des EHC Kloten vergangen. Es war das grösste Abstiegsspektakel dieses Jahrhunderts. Weitaus dramatischer als die Relegationen der SCL Tigers (2013) und der Lakers (2015). Erstens war es der erste Abstieg der Klubgeschichte überhaupt, zweitens der Untergang des dienstältesten Klubs in der höchsten Liga (Aufstieg 1962) und drittens ereilte die Klotener das Schicksal erst in der 7. Partie der bis heute dramatischsten Liga-Qualifikation. Und natürlich mit dem dazugehörenden Zusatzprogramm wie Trainer- und Ausländerwechsel.
Die rasche und erfolgreiche Erneuerung ist den SCL Tigers und den Lakers auf unterschiedliche Art und Weise gelungen.
In Langnau blieben der Präsident und seine Verwaltungsräte im Amt, fabulierten nie von Verkauf und Verrat und stellten sich der Verantwortung. Die heftigen Turbulenzen dauerten vorerst noch an. Der Trainer und die beiden Ausländer, die im Herbst 2013 die Mission Wiederaufstieg begannen, wurden bald gefeuert. Mit einem neuen Trainer (Bengt-Ake Gustafsson) und bereits mit dem aktuellen Kult-Kanadier Chris DiDomenico verloren die Emmentaler den NLB-Final 2014 gegen Visp. Ein Jahr später waren sie nach nur zwei Saisons in der Verbannung schon wieder zurück in der höchsten Liga. Sie fegten in der Liga-Qualifikation die Lakers in nur vier Partien von der nationalen Bühne.
Die Lakers fanden nach dem Abstieg mit Jeff Tomlinson gleich den richtigen Trainer. Er schaffte im dritten Anlauf im Frühjahr 2018 die Rückkehr und ist heute noch im Amt.
Und wie steht es nun um Kloten? Die Zürcher haben ein kurioses Hybrid-Modell der Erneuerung gewählt. Anders als Langnau und die Lakers haben sie den Abstiegstrainer nicht gefeuert. André Rötheli ist geblieben – mit mässigem Erfolg. Kloten hat in der Qualifikation bloss Rang 5 erreicht und den Playoff-Heimvorteil verspielt. Langnau hatte in der ersten Saison nach dem Abstieg Rang 2 erreicht, die Lakers gewannen gar die Qualifikation.
Kloten ist nominell in etwa vergleichbar mit Langnau und den Lakers im Jahr 1 nach der Relegation. Aber anders als in Langnau und Rapperswil-Jona ist in Kloten eine seltsame Genügsamkeit spürbar. Die Ausreden von Cheftrainer André Rötheli für das mässige Abschneiden sind – excusez l'expression – lächerlich. Er schwadronierte kürzlich in der noblen NZZ von den Schwierigkeiten, sich an die neue Liga anzupassen. Mit Verlaub: Ein fähiger Trainer braucht dafür höchstens 20 spiele.
In der trauten Klotener Hockeyfamilie um den freundlichen, schlauen «Patriarchen» Felix Hollenstein (er hat nun das Amt eines Sportchefs) und Präsident Hans-Ulrich Lehmann ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Mit dieser Mannschaft hätte André Rötheli mindestens Platz 2 erreichen müssen. In Kloten war während der ganzen Saison nie die Entschlossenheit zu spüren, die in Langnau und in Rapperswil-Jona auf und neben dem Eis am Anfang der Mission Wiederaufstieg standen.
Muss also die Mission Wiederaufstieg scheitern? Keineswegs. Vielleicht werden wir im Rückblick erkennen, dass das milde Klima in Kloten bloss die Qualifikations-Ruhe vor dem Playoff-Sturm war. Und uns vor Felix Hollenstein und André Rötheli verneigen, so tief, wie wir es vermögen.
Die Mannschaft ist bei weitem gut genug, um die zweithöchste Liga zu gewinnen. Dieser Einschätzung widersprechen zwar Sportchef Felix Hollenstein und sein Freund und Trainer André Rötheli. Aber es ist, wie es ist. Seit der Verpflichtung von Joren van Pottelberghe haben die Klotener sogar einen Aufstiegsgoalie. Aber Tiefstapelei erleichtert das Leben. Das haben Hollenstein und Rötheli von Arno Del Curto gelernt, der jeweils vor einer Meistersaison die Sorge zelebrierte, ob es wohl für die Playoffs reicht.
Das Viertelfinale gegen den SC Langenthal ist eine der interessantesten Erstrunden-Serien der letzten Jahre. Die Langenthaler befinden sich in einer Phase der Erneuerung, sie stehen im Abendrot der erfolgreichsten sieben Jahre ihrer Geschichte mit den zwei Meistertiteln von 2012 und 2017. Einen engen Bezug zur Region Zürich haben sie auch: Präsident Stephan Anliker (der sein Amt nach der Saison an Geschäftsführer Gian Kämpf übergeben wird) ist zugleich der grosse Vorsitzende bei Fussball-GC. Das ist auch der Grund, warum in Langenthal inzwischen nicht mehr vom Aufstieg gesprochen wird. Anliker wirft das Geld lieber in ein Fass ohne Boden (GC) als es in den populärsten Klub seiner Heimatstadt zu investieren (SC Langenthal).
Das Viertelfinale zwischen dem EHC Kloten und dem SC Langenthal kann in einem Satz auf den Punkt gebracht werden: Wenn Kloten diese Serie nicht gewinnt, dann sind der Sportchef und sein Trainer sportlich auf der ganzen Linie gescheitert. Dann wäre Kloten der schwächste Absteiger der Neuzeit.
Die Frage, ob es nun ein verlorenes Jahr oder ein Jahr der Erneuerung war, wäre dann beantwortet: Es war ein verlorenes Jahr und die Entlassung von Trainer André Rötheli wäre eigentlich zwingend. Eigentlich. Aber in Hockey-Seldwyla ist Ruhe die erste Bürgerpflicht.