Die Freude war riesig, als 1860 München verkündete, dass Investor Hasan Ismaik seine Anteile verkaufen würde. Der Jordanier habe sich mit einer Schweizer Familienholding geeinigt, hiess es am 5. Juli. Kurz darauf versammelten sich Fans rund ums Vereinslokal, um mit Gratisgetränken und Pyrotechnik zu feiern, dass der unliebsame Besitzer endlich weg ist.
Wenig überraschend war also auch der Schock gross, als Ismaik am vergangenen Wochenende via soziale Medien bekanntgab: «Ich bleibe bei 1860 München.» Er habe immer betont, dass er seine Anteile nur in verlässliche und verantwortungsvolle Hände geben werde, nun habe er jedoch festgestellt: «Ein Rückzug meinerseits würde dem TSV 1860 nicht helfen – im Gegenteil.» Deshalb habe er entschieden, «den angestossenen Verkaufsprozess sofort zu stoppen». Erneut versammelten sich einige Fans des Drittligisten beim Vereinslokal «Bamboleo» und skandierten: «Wir sind der Verein – ohne Hasan!»
Noch immer bestätigte Ismaik nicht, wer den Verein denn eigentlich hätte übernehmen sollen. Über Namen wie Emil Frey, Kyril Louis Dreyfus oder die Liebherr AG wurde spekuliert, es solle sich aber um Matthias Thoma handeln. Am gestrigen Sonntag bestätigte 1860-Besitzer Ismaik dies dann in einem weiteren Instagram-Post: «Vor einigen Wochen habe ich meine grundsätzliche Zustimmung zu einem Verkauf an eine Gesellschaft gegeben, die letztlich unter der Kontrolle von Matthias Thoma steht.»
Bei Thoma handelt es sich aber nicht um einen Schweizer, sondern lediglich einen Deutschen, der unter anderem in der Schweiz ansässig ist. Der 57-Jährige übernahm 2020 die französische Modemarke Paule KA, wenig später wurde das Unternehmen liquidiert. Im Zuge dessen wurde auch ein Schweizer Frauenradsportteam aufgelöst, weil Thomas Unternehmen die versprochenen Sponsorenzahlungen nicht leisten konnte. Aus diesem Grund musste damals auch die Schweizerin Marlen Reusser, die dem Team angehörte, ihre Saison vorzeitig abbrechen. Recherchen der Münchner «Abendzeitung» hätten zudem «höchstbedenkliche Erkenntnisse» geliefert. So sei im Jahr 2021 gar ein rechtskräftiger Strafbefehl gegen Thoma ergangen.
Aufgrund dieser Hintergrundgeschichte sowie einiger Warnungen bezüglich Thoma stellt sich das Fanportal sechzger.de nun die Frage, «weshalb sowohl die Ismaik- als auch die Vereinsseite trotz solcher Informationen die Verhandlungen fast bis zum Abschluss geführt haben». Erst spät stellte Ismaik fest, dass ein Verkauf seiner Anteile an Thoma wohl doch nicht eine so gute Idee ist. Im Endeffekt scheiterte die Übernahme dann daran, dass das Geld – in deutschen Medien war von 25 Millionen Euro die Rede, wobei die «Abendzeitung» jetzt gar von 60 Millionen Euro schreibt – nicht rechtzeitig geflossen sei. «Der vorgesehene Käufer hat uns alle in eine sehr schwierige Lage gebracht. Ich werde daher alle vertraglichen und rechtlichen Schritte prüfen und einleiten», erklärte Ismaik.
Dass der Verkauf überhaupt öffentlich gemacht wurde, bevor er abgeschlossen war, war von Hasan Ismaik nicht so geplant. Deshalb macht er dem abgetretenen Präsidium deutliche Vorwürfe. Dieses habe darauf gedrängt, die Mitteilung am Tag vor der Mitgliederversammlung, an der das neue Präsidium gewählt wurde, zu veröffentlichen und habe dies ohne die Zustimmung Ismaiks getan. «Robert Reisinger und Karl-Christian Bay (der ehemalige Präsident und Vizepräsident, Anm. d. Red.) haben euch getäuscht. Ihr Ziel war es, sich mit meinem vermeintlichen Abgang einen sauberen Abschluss zu verschaffen – um sich selbst als Retter zu inszenieren», erklärte Ismaik nun den Fans. Der 47-Jährige, der in der Verkaufsankündigung ebenfalls zitiert wurde, zeigte sich von dem Handeln enttäuscht. Auch das neu gewählte Präsidium um Präsident Gernot Mang äusserte seine Verwunderung bezüglich der Veröffentlichung, die «deutlich verfrüht und zum falschen Zeitpunkt» erfolgt sei.
Nach dem Platzen des Deals möchte Ismaik möglichst schnell mit Mang, dem Verwaltungsrat und womöglich auch den Mitgliedern zu treffen, «um einen Konsens zu finden, der für alle Seiten tragfähig ist». Präsident Mang habe bereits am Freitagnachmittag mit Ismaik telefoniert und wolle bei dessen Besuch die nächsten Schritte gemeinsam besprechen.
Unter anderem geht es um das Grünwalder Stadion im Stadtteil Giesing, in welches 1860 München 2017 aus der Allianz-Arena zurückgezogen ist. Das altehrwürdige Stadion muss dringend renoviert werden, ansonsten droht eine Teilschliessung. Mang kündigte deshalb an: «Wenn die Aussagen stimmen, die Hasan Ismaik gemacht: Lass uns über die Sporthalle sprechen, lass uns über das Stadion sprechen – dann haben wir eine Basis.»
Ismaik selbst bekräftigte derweil, dass er weiterhin bereit sei, seine Anteile zu verkaufen: «Wenn es das Beste für 1860 ist, bin ich jederzeit offen für ein Gespräch.»
Während in der Vereinsführung und rund um Investor Hasan Ismaik einmal mehr Chaos herrscht, ist die sportliche Hoffnung bei den Sechzigern gross. Dank der Verpflichtungen der Ex-Bundesliga-Spieler Kevin Volland und Florian Niederlechner träumt der deutsche Meister von 1966 von der erstmaligen Rückkehr in die 2. Bundesliga seit acht Jahren.