Die Stimmung war schlecht, als die Manchester-United-Profis am Sonntag zum Straftraining antraben mussten. Natürlich, hatten sie doch am Vortag 0:4 in Brentford verloren. Eine Blamage für den einstigen englischen Vorzeigeklub. Aber eigentlich auch nur eine weitere Episode in der Geschichte seines Niedergangs. Am Samstag gab die Leistung seiner Mannschaft Erik ten Hag Anlass zu einer Wutrede: «Ich hätte am liebsten alle ausgewechselt.»
Der Gegner sei deutlich hungriger gewesen. Dies machte er unter anderem an der Laufleistung fest, die auch schon der ehemalige United-Captain Roy Keane kritisierte. «Sie rennen nicht, sie sprinten nicht – das heisst für mich, dass sie nicht 100 Prozent geben.» Gegen Brentford liefen die «Red Devils» 95,8 Kilometer, 13,8 Kilometer weniger als der Gegner. Diese Distanz liess der niederländische Trainer seine Spieler am Sonntag laufen. Es war ein klares Zeichen: Noch einmal will er eine solche Leistung nicht erleben.
Ten Hag setzt auf hohes Pressing, und dafür sind viele Läufe nötig. Doch das gefällt Cristiano Ronaldo überhaupt nicht. Wie «The Athletic» berichtet, sei der Portugiese im Training regelmässig zu sehen, wie er seine Arme verwirft oder gegen den Spielstil des Trainers zu argumentieren versucht. Mit ihm als Stürmer übte United gegen Brentford gemäss der «Daily Mail» nur siebenmal Druck auf das gegnerische Aufbauspiel aus, Brentford gelang dies dreimal so oft.
Deshalb soll ten Hag nun auch bereit sein, Ronaldo ziehen zu lassen. Vorausgesetzt, es wird ein neuer Stürmer verpflichtet. Nach der Pleite bei den «Bees» wurde gar davon berichtet, dass der Klub in Betracht zieht, den Vertrag des 37-Jährigen aufzulösen. Dies dementierte Manchester United aber gegenüber «Sky Sports», Ronaldo stehe nicht zum Verkauf.
Im Team wird der Unmut dennoch immer grösser. An gewissen Tagen esse der Superstar abseits seiner Teamkollegen alleine in der Kantine beim Trainingsgelände. Zudem verstünden gemäss «The Athletic» nicht alle, weshalb Ronaldo mehr Spielraum zugestanden werde als seinen Mitspielern und er Vorzüge geniesse, die nicht seinem Beitrag zum Teamerfolg entsprechen würden. Nur liegt hier wohl das Problem.
Ronaldo ist ohne Zweifel einer der besten Fussballer aller Zeiten und gemeinsam mit Lionel Messi die dominante Figur des Weltfussballs im 21. Jahrhundert. Doch diesen Ansprüchen kann der 37-Jährige derzeit nicht mehr gerecht werden. Daraus entsteht eine Spannung zwischen gewissen Vorzügen, die er sich mit vergangenen Leistungen verdient hat, und dem Wert, den er für ein Team noch hat.
Das dürfte ein Grund dafür sein, weshalb er trotz des offensichtlichen Wunschs, Manchester zu verlassen, noch keinen neuen Klub gefunden hat. Ronaldo ist das Sinnbild für die Krise von United. Einem Klub, der vergangenen, sehr erfolgreichen Zeiten nacheifert, aber seit Jahren daran scheitert. Mit der Rückkehr des verlorenen Sohns im Sommer 2021 sollte dann alles wieder besser werden, nur wurde es das nach dem zweiten Platz in der Saison 2020/21 nicht. Im Gegenteil, es wurde schlimmer.
Und das hängt jetzt auch Ronaldo an. Die Stimmen, dass er trotz seiner Tore nicht gut für das Team ist, weil er eben nicht mehr alle nötigen Wege geht und im Pressing nicht immer die nötige Disziplin zeigt, wurden bereits unter Interimstrainer Ralf Rangnick immer lauter. In dieser Saison wurde das noch deutlicher. Denn die andauernden Diskussionen über seinen Abgang tun dem Team sichtlich nicht gut.
Nur stellt sich die Frage: Welches Topteam will einen alternden Superstar ins Team holen und damit das Teamgefüge riskieren? Bisher erhielten Ronaldo und sein Berater Jorge Mendes nur Absagen. Bayerns Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn sagte deutlich: «Ronaldo hätte in der aktuellen Situation nicht zu unserer Philosophie gepasst.»
Als Gerüchte über einen Wechsel zu Atlético Madrid kursierten, bezogen einige Fans mit einem Banner deutlich Stellung. «CR7 Not Welcome», stand darauf. Dass Ronaldo bei Atlético nicht willkommen sei, liegt auch an dessen Zeit bei Stadtrivale Real. Doch dürften auch Gründe wie das Alter des 189-fachen Nationalspielers mitspielen.
Dieses sorgte kürzlich gar bei Florentino Perez, dem Präsidenten des Klubs, dem Ronaldo vier Champions-League-Titel einbrachte, für einen spöttischen Kommentar. Als ein Fan ihn aufforderte, Ronaldo zurückzuholen, erwiderte der Real-Boss: «Noch einmal? Er ist 38!» Ronaldo ist zwar erst 37, aber das dürfte an der Meinung von Perez nicht viel ändern.
A Florentino Pérez le pidieron por la vuelta de Cristiano y esto respondió 👀...
— SportsCenter (@SC_ESPN) August 11, 2022
📹 maldoooo7/Tiktok pic.twitter.com/tLcg9EJwWR
Jorge Mendes soll seinen Schützling auch beim FC Barcelona angeboten haben, die haben sich dann aber für Robert Lewandowski entschieden. Zuletzt wurden die beiden Mailänder Klubs Inter und AC ins Spiel gebracht. Der «Corriere dello Sport» berichtete, dass Mendes Ronaldo bei den letzten beiden italienischen Meistern angeboten hätte. Sowohl Inter als auch Milan hätten aber kein Interesse gehabt.
Und so geht das Transfertheater – mittlerweile kann man es fast nicht anders bezeichnen – weiter. Ronaldo will in der Champions League spielen, das kann ihm Manchester United in dieser Saison nicht bieten. Aber die Klubs, die dies können, zeigten bisher kein Interesse. Selbst um einen möglichen Wechsel zum FC Chelsea, der zeitweise am realistischsten schien, wurde es zuletzt ruhig. Das Team von Thomas Tuchel soll sich hingegen um Barcelonas Edeljoker Pierre-Emerick Aubameyang bemühen, was viel über das aktuelle Standing von CR7 im Weltfussball aussagt.