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EM 2022: Chloe Kelly bejubelt ihr Siegtor wie die Ikone Brandi Chastain

England's Chloe Kelly, right, celebrates after scoring her side's second goal during the Women's Euro 2022 final soccer match between England and Germany at Wembley stadium in London, S ...
Auf und davon: Chloe Kelly feiert ihren Final-Treffer.Bild: keystone

England-Heldin Kelly weckt Erinnerungen an die berühmteste Szene des Frauenfussballs

Bei Englands erstmaligem Gewinn des EM-Titels bei den Frauen wurde Chloe Kelly zur Matchwinnerin. In der Verlängerung gegen Deutschland schoss sie das Siegtor zum 2:1. Ihren Torjubel feierte auch Fussball-Ikone Brandi Chastain – schliesslich lieferte sie die Vorlage dafür.
01.08.2022, 10:5602.08.2022, 14:10
Ralf Meile
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In der Geschichte des Fussball gibt es die Hand Gottes. Das Wembley-Goal. Roger Millas Tänzchen an der Eckfahne, Panenkas Penalty oder Zidanes Kopfstoss.

Und es gibt eine Szene, die im Frauenfussball berühmter ist als alle anderen: den ikonischen Torjubel von Brandi Chastain. Als sie die USA 1999 zum Weltmeister-Titel schiesst, vor über 90'000 Zuschauern im Rose-Bowl-Stadion bei Los Angeles, feiert sie das Siegtor wie viele männliche Kollegen, indem sie das Trikot auszieht.

Das Tor, der Jubel, der Titel: Brandi Chastain 1999.Video: YouTube/KTVU FOX 2 San Francisco

Während bei einem Mann die blanke Brust – oder eine stark behaarte – zu sehen wäre, sieht bei Chastain alle Welt einen Sport-BH. Gegen Ende des letzten Jahrtausends war das je nach Kultur und Weltgegend ein Aufreger. Noch war es nicht zu erahnen, dass heutzutage auch männliche Profis zwecks Datenerfassung Sport-BHs tragen.

Kelly: «Es war in Ordnung, oder?»

Brandi Chastains Jubel schaffte es auf die Titelseiten der Zeitungen und Zeitschriften, wurde immer und immer wieder gezeigt. Irgendwann sah auch Chloe Kelly drüben in England die Bilder. Zum Zeitpunkt des WM-Finals 1999 war sie erst eineinhalb Jahre alt.

IMAGO / UPI Photo

Yes - Weltmeisterin Brandi Chastain (USA) hält das Cover von Sports Illustrated, auf welchem sie als definitives Turnierhighlight abgebildet ist, in ihren Händen - PUBLICATIONxINxGE ...
Chastain mit der Titelseite der Zeitschrift «Sports Illustrated».Bild: imago

Die Bilder der jubelnden Brandi Chastain brannten sich ins Gedächtnis ein. So sehr, dass Kelly ihren Treffer zum 2:1 für England in der Verlängerung des EM-Finals gegen Deutschland auf die gleiche Art feierte.

«Ich bin einfach durchgedreht», sprudelte es nach dem Erfolg aus der 24-Jährigen heraus. «Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich habe nicht darüber nachgedacht oder es so geplant. Aber es war in Ordnung, oder?»

Das war es definitiv. In England wurde Chloe Kelly ohnehin zur Heldin, aber auch auf der anderen Seite des grossen Teichs wurden ihr Treffer und ihr Jubel registriert. Brandi Chastain gratulierte höchstpersönlich – und blickte in Kellys Zukunft: «Geniesse das kostenlose Bier und Essen, das du für den Rest deines Lebens in ganz England erhalten wirst. Cheers!»

Als Fan Geschichte miterlebt, als Spielerin Geschichte geschrieben

Englands neue Fussballheldin hatte zwar keinen Plan für ihren Torjubel. Doch Kelly kündigte ihrer Familie vor dem Spiel an, dass es einen grossen Moment geben werde. «Ich sagte ihnen, dass es wie damals bei Bobby Zamora werde», verriet sie.

Die Londonerin ist Anhängerin der Queens Park Rangers und Zamora schoss 2014 im Aufstiegs-Final in letzter Minute das Siegtor, das QPR in die Premier League brachte. Das Spiel fand im Wembley statt, so wie gestern der EM-Final. Zamoras Tor sah Kelly damals als Jugendliche im Stadion – für den neusten «Zamora-Moment» sorgte sie gleich selber. Beide trafen übrigens als Joker.

Zamora schiesst QPR in die Premier League.Video: YouTube/QPR FC

Zurück zum ikonischen Jubel von Brandi Chastain. «Ich habe kurz die Kontrolle verloren», entschuldigte sie sich damals. Der Berner «Bund» nannte es einen Fauxpas, die Torschützin habe «die prüden Amerikaner dadurch geschockt, dass sie sich ihr Shirt über den Kopf zog». Wobei vielleicht auch alles kalkuliert war und die 192-fache US-Nationalspielerin genau wusste, was sie tat.

IMAGO / ZUMA Wire

July 10, 1999, Pasadena, California, USA: US midfielder American soccer BRANDI CHASTAIN, 30, drops to her knees after making the final and winning goal during penalty kicks, after t ...
Der grösste Moment ihrer Karriere: Chastain ist Weltmeisterin.Bild: imago

Denn der schwarze Sport-BH von Sponsor Nike wurde umgehend zum grossen Renner. «Diese 10 Sekunden auf dem Rasen des Rose-Bowl-Stadions waren alles, was Nike braucht, um mehr BHs zu verkaufen, als man produzieren kann», freute sich Marketing-Chef Allen Adamson. «Brandis Strip war also ein abgekartetes Werbespiel, mit dem sie ihren Busen vergolden kann», lautete das Fazit des «SonntagsBlicks».

Aus dem Tal der Tränen in den siebten Himmel

Der Büstenhalter von Chloe Kelly stammt vom selben Hersteller, dessen «Swoosh» auf den Fotos überall zu sehen sein wird. Für die Torschützin ist mit einem Jahr Verspätung doch noch ein Traum in Erfüllung gegangen. Ein Kreuzbandriss im Mai 2021 kostete die Stürmerin von Manchester City die Teilnahme an den Olympischen Spielen von Tokio.

Ein Jahr später schaffte sie nach ihrer Genesung den Sprung in den EM-Kader – und mit ihrem Siegtreffer in der 110. Minute wurde Chloe Kelly auf einen Schlag zu einer Figur, die in der langen und an Episoden reichen englischen Fussballgeschichte einen festen Platz haben wird.

Wer weiss, ob es eines Tages gar eine Statue von ihr vor dem Wembley geben wird. Vor der Rose Bowl in Pasadena jubelt Brandi Chastain seit dem Jahr 2019 in Bronze.

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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goschi
01.08.2022 11:46registriert Januar 2014
ich habe nicht das gefühl, dass das ein Nachahmen ist, das entwertet mMn die Situation.
Das ist einfach aus der Situation geboren, aus der Emotionalität.

und männer ziehen sich die Shirts ja auch dauernd ab...
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Mijasma
01.08.2022 11:08registriert Oktober 2018
"Verrückt: Laut den Global Sports Salaries Survey verdienten die 1700 Fußballspielerinnen aus den sieben Top-Ligen USA, Deutschland, Frankreich, England, Schweden, Australien und Mexiko im Jahre 2017 zusammen 32,8 Millionen Pfund (rund 36,91 Millionen Euro). Damit kassierten sie etwa 100.000 Euro weniger als der brasilianische Megastar Neymar alleine."
Und dabei spielen sie auch Fussball und wälzen sich nicht auf der Wiese.
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_kokolorix
01.08.2022 11:45registriert Januar 2015
Wieso ziehen eigentlich die Männer nicht die Hose aus? Das wäre doch eine Superwerbung, für die Sportunterhosen. Oder sehen die eher peinlich aus?
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