Nong Pee kann alles: jonglieren, dribbeln, köpfeln und schiessen. In einer Fernsehshow trifft er bei vier Versuchen vier Mal die Torlatte − gewollt. Nong Pee aus Thailand ist erst sieben. Man denkt: Wow, das muss der neue Messi sein.
Vielleicht wechselt dieses Wunderkind in 15 Jahren ja tatsächlich für 1 Milliarde Euro von Manchester United zu Real Madrid und verdient 100 Millionen pro Jahr. Die Menschen würden dann den Kopf schütteln und fragen: Wo führt dieser Irrsinn noch hin? Und sie würden lachen, wenn man ihnen erzählte, dass die Menschen schon 2017 den Kopf geschüttelt haben, als ein gewisser Neymar für 222 Millionen von Barcelona zu Paris Saint-Germain transferiert und mit einem Fünfjahressalär von 150 Millionen Euro netto zugedeckt worden sei.
Doch selber haben wir ja auch geschmunzelt, als wir lasen, dass Johan Cruyff 1973 für mickrige 1,9 Millionen Euro von Ajax an Barcelona verkauft wurde und Weltstar Diego Armando Maradona 1984 für 12 Millionen von Barcelona an Napoli. Wir erinnern uns aber, wie wir dann ebenfalls tüchtig die Hände verwarfen, als Zinédine Zidane 2001 für 73,5 Millionen von Juventus nach Madrid wechselte und Cristiano Ronaldo acht Jahre später für 94 Millionen von Manchester United zu Real. Und wie wir dann nur noch mit den Achseln zuckten, als Real mit dem Zuzug von Gareth Bale die 100-Millionen-Grenze knackte und die «Red Devils» für Paul Pogba (Juventus) 105 Millionen hinblätterten.
Das ist nicht einmal die Hälfte von dem, was nun der 25-jährige Stürmer Neymar gekostet hat. Ganz zu schweigen vom Gesamtpaket, das mehr als eine halbe Milliarde Euro beinhaltet und eine neue Dimension darstellt. Das «St.Galler Tagblatt» hat ausgerechnet: Würde man die Transfersumme für Neymar in Goldbarren umtauschen und diese aufeinanderlegen, wäre der Turm stolze 110 Meter hoch − und somit 17 Meter höher als der Big Ben in London. Schon in den 90er-Jahren warnten die Experten, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Fussballblase platze. Passiert ist das bis heute nicht. Eher stellt in absehbarer Zeit einer wie der 18-jährige Monegasse Kylian Mbappé einen neuen Transferrekord auf. Klubs wie Real und Barcelona sollen schon heute bereit sein, 180 Millionen Euro für das Ausnahmetalent zahlen.
Es sind aber nicht nur die Transfersummen, die in groteske Sphären gestiegen sind, sondern auch die Gehälter. Nach dem Bosman-Urteil 1995, das bei auslaufenden Verträgen Ablösesummen untersagte, sind die Löhne geradezu explodiert. Gemäss «Forbes» hat Cristiano Ronaldo von Juni 2015 bis Juni 2016 inklusive der Werberechte 83,1 Millionen Euro eingestrichen. Allerdings müssen auch die Superstars anderer Sportarten nicht darben. Auf das Konto von LeBron James (Basketball) flossen 72,9 Millionen, auf jenes von Roger Federer (Tennis) 64,0 Millionen.
Wie unermesslich viel Geld im Fussball fliesst, zeigt sich am Beispiel des Spielerberaters Jorge Mendes. Allein mit seinem Klienten Cristiano Ronaldo hat der Portugiese 40 Millionen Euro verdient. Kein Wunder, dass bei solchen Zahlen schon mal vergessen geht, den Pappenstiel von 14,7 Millionen Euro zu versteuern.
Parallel zu den Ablösesummen und Salären sind auch die Werte und die Finanzkräfte der Klubs markant gestiegen. Nach einer Studie der Finanzprüfungsgesellschaft KPMG ist der Unternehmenswert der 32 führenden europäischen Klubs im Jahr 2016 um 14 Prozent auf 29,9 Milliarden Euro angewachsen. Manchester United (3,095 Milliarden), Real Madrid (2,976), Barcelona (2,765) und Bayern München (2,445) sind dabei die am höchsten bewerteten Vereine. Gemessen wurden Wirtschaftlichkeit, Beliebtheit, Eigentumsrechte am Stadion, Übertragungsrechte und das Sportpotenzial.
Es ist unbestritten, dass die Spitzenklubs durch die Vermarktung ihrer Superstars bisweilen unverschämt hohe Einnahmen generieren. Als Kolumbiens Star James Rodriguez nach der WM 2014 von Real Madrid als 80 Millionen Euro schwerer Neuzuzug angekündigt wurde, verkauften die Königlichen innerhalb weniger als einer Stunde 900 Leibchen à 101 Euro. Im vergangenen Jahr wurden dann weltweit 1,2 Millionen Rodriguez-Trikots verkauft. Wird mit einem Durchschnittsgewinn von 7 Euro pro Stück kalkuliert, resultiert ein Plus von 8,4 Millionen. Es zeigt: Es ist ein Mythos, zu glauben, die Refinanzierung eines Topspielers sei allein durch den Trikotverkauf möglich. Wenn wie bei Real die Spieler aber bis zu 50 Prozent ihrer Werbeeinnahmen an den Klub abtreten, kommen immense Summen dazu.
Die Rolle des Turbos bei dieser Entwicklung gebührt dem Fernsehen. Die Premier League zahlt für die Übertragungsrechte 3,64 Milliarden Euro pro Jahr, die Bundesliga neu 1,19 Milliarden. Wie verzweifelt Fernsehsender um Stücke aus dem Fussballkuchen kämpfen, zeigt das Beispiel der ARD in dieser Woche. Am Dienstag und Mittwoch übertrug sie den unbedeutenden Audi-Cup aus München und am Donnerstag die FrauenEM – alles zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr! Undenkbar noch vor wenigen Jahren.
Neben den Fernsehgeldern hat die Globalisierung viel zur Kostenexplosion beigetragen. Paris Saint-Germain gehört dem Staat Katar, Mansour bin Zayed Al Nahyan, der Besitzer von Manchester City, ist Mitglied der Herrscherfamilie von Abu Dhabi. Immer mehr Vereine in Europa werden von profitgierigen Investoren aus Russland und China übernommen. In China selber, wo der Argentinier Carlos Tevez mit jährlich 38 Millionen der Rekordverdiener ist, hat die Regierung inzwischen der Geldverschwendung Einhalt geboten, indem sie bei grossen Transfers hohe Steuern erhebt.
In Europa versucht die Uefa derweil, die Auswüchse des ungebremsten Geldflusses mit den Regeln des Financial Fairplay (nicht mehr ausgeben als einnehmen und nicht höhere Verluste als 30 Millionen Euro in drei Jahren haben) einzudämmen. Kritiker sprechen indes von Finanzdoping, durch das sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet und es in den internationalen wie nationalen Klubwettbewerben stets weniger Titelkandidaten gibt. Sie rufen nach Obergrenzen bei Transfers und Salären wie im US-Sport.
Im Zuge des Neymar-Transfers haben sich viele zu Wort gemeldet. Moralapostel und Mahner. Das Magazin «Stern» schreibt online: «Der Fussball macht sich nur noch lächerlich.» Wetten, dass auch der «Stern» weiter über Fussball berichtet? Der Bundesligatrainer Christian Streich sagt: «Der Mammon ist eine der grössten Gefahren für die Menschheit.» Wahrscheinlich hat er ja recht. Vor ein paar Wochen aber, als Dortmund dem SC Freiburg für den Durchschnittsprofi Maximilian Philipp 20 Millionen Euro zahlte, haben die Breisgauer das Geld genommen. Auch Streich hat nicht gesagt: «Zu viel! 10 Millionen sind schon in Ordnung.»