Es läuft erst die fünfte Spielminute, als Benjamin Mendy ein vermeintlich leicht zu kontrollierendes Zuspiel bekommt. Doch der FCZ-Verteidiger verpatzt die Annahme und schiesst beim Klärungsversuch Lausannes Jamie Roche genau an den Fuss, von wo der Ball etwas unglücklich für die Zürcher ins Tor springt. Schon kurz zuvor hatte Mendy dem Gegner beinahe ein Tor geschenkt, Alban Ajdini nutzte die grosse Chance jedoch nicht.
Dennoch dürften sich am Mittwochabend immer mehr Fans des FC Zürich gefragt haben: Weshalb haben wir den nochmal geholt?
Mendy stand gegen Lausanne-Sport zum zweiten Mal seit seiner Unterschrift bei den Zürchern in der Startformation. In seinen insgesamt sechs Spielen machte er bereits fast ebenso viele Fehler. Eine Auflistung: Im Cup-Viertelfinal gegen YB verschuldete er das entscheidende 2:3 mit, einige Tage darauf machte er vor dem Gegentor zum 1:3-Endstand gegen Servette einen groben Fehler, am vergangenen Wochenende trat er im Derby gegen GC-Verteidiger Benno Schmitz nach und sah Gelb – fast alle Experten waren sich einig, dass er eigentlich hätte Rot sehen müssen –, zur Pause wurde er ausgewechselt. Nun folgte ein weiterer folgenschwerer Fehler.
Wegen Mendys Aussetzer lief der FCZ im so wichtigen Strichkampf früh einem Rückstand hinterher. Nach einem weiteren Gegentor, an dem Mendy für einmal nicht beteiligt war, wurde der 30-Jährige ausgewechselt. Danach gelang den Zürchern dank eines späten Doppelschlags tatsächlich noch der Ausgleich. Aufgrund der Dominanz nach dem frühen Gegentor muss die Frage erlaubt sein: Wäre in dem Spiel für den FC Zürich ohne den frühen Patzer nicht mehr möglich gewesen? Die Kritik aus Fankreisen an der Verpflichtung Mendys dürfte nach dieser Leistung zumindest nicht geringer werden.
Schon nach Bekanntgabe des Neuzugangs schwappte den Verantwortlichen um Sportchef Milos Malenovic und dem Präsidentenpaar Ancillo und Heliane Canepa eine Welle der Empörung entgegen. Der Grund: Mendy wurde von mehreren Frauen Vergewaltigung vorgeworfen. Im Sommer 2023 wurde er von einem englischen Gericht für unschuldig befunden, da es nicht genügend Beweise gab, um ihn zu verurteilen.
Dennoch übten Fans, Medien und auch die Frauenzentrale Zürich harsche Kritik am Vorgehen des Klubs. «Mit dieser Verpflichtung trägt der FCZ zur Rape Culture bei! Einer Kultur, die Täter schützt und Gewalt an Frauen verharmlost», so der Dachverband der Zürcher Frauenorganisationen. Auch von der Südkurve gab es mittels Banner bei einem Spiel eine klare Stellungnahme: «Canepas: En Verein mit ‹Stil und Klass› gseht andersch us.» Bei seinem ersten Einsatz wurde er mit einem Pfeifkonzert empfangen.
FCZ-Präsident Ancillo Canepa erklärte später, von dem vielen Gegenwind überrascht gewesen zu sein. Auch er war ins Visier geraten, weil er nach der Verpflichtung gesagt hatte: «Bekannte Fussballer sind oft begehrte Objekte, um sie auch ohne Fehlverhalten einzuklagen.» Dies sei etwas schräg herübergekommen, gab Canepa später zu: «Das war sicher ein wenig unglücklich formuliert von mir.» Mendy verteidigte er nach wie vor. Wahrscheinlich hoffte die FCZ-Führung, die angab, «ein bisschen stolz» auf den Transfer des Weltmeisters von 2018 zu sein, dass die Kritik mit der Zeit nachlasse.
Doch erst am letzten Wochenende kursierte gemäss NZZ während dem Cup-Final der FCZ Frauen und dem Derby ein offener Brief im Letzigrund, in dem kritisiert werde, dass die Werte des Klubs infrage gestellt würden. Präsident Canepa werde darin eine «klassische Täter-Opfer-Umkehr» vorgeworfen. Die Initiantinnen und Initianten bezeichnen sich als «FCZ-Anhänger*innen». Aufgrund der letzten Wochen würden sie sich fragen, ob sie es weiter mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, FCZ-Spiele zu besuchen oder ihre Kinder in ein Probetraining des Klubs zu schicken.
Dass die Verpflichtung Mendys aus moralischer Sicht nicht unproblematisch sein würde, war von Beginn weg klar. Doch bei entsprechenden sportlichen Leistungen sind diese Bedenken im Sport schnell vergessen, dachte sich der FCZ wohl. Bei einem ehemaligen Spieler von Manchester City, der zehn Partien für Frankreichs Nationalteam absolviert hat, durfte man auch darauf hoffen. Jedoch blieb er ab August 2021 zwei Jahre ohne einzigen Einsatz. Nach dem Ende seines Prozesses unterschrieb er beim FC Lorient, bei dem er nur 15 meist kurze Einsätze bestritt. Nach dem Abstieg spielte er im halben Jahr vor seiner Unterschrift beim FCZ gar keine Rolle mehr.
Seine sportlichen Leistungen rechtfertigen die Verpflichtung der Zürcher bisher in keinster Weise. Und es sind nicht nur die Patzer, die für Kritik an Mendy sorgen. Diese können zu einem Teil mit mangelnder Spielpraxis erklärt werden. Beim Blick wird aber auch seine Physis bemängelt. Er müsse eine Saison ins Fitnesscenter, bevor er dem FCZ auf dem Platz vielleicht helfen könne, hiess es dort vor einigen Wochen.
Ob der Linksverteidiger, der mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattet wurde, den Zürchern irgendwann wirklich noch helfen wird, muss er aber erst beweisen. Bis dahin bleibt jedoch die Frage nach dem Grund für die Verpflichtung und Benjamin Mendy für den FC Zürich ein grosses Problem.