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Das olympische Tennisturnier ohne Roger Federer? Ohne Novak Djokovic, ohne Andy Murray, ohne Rafael Nadal? Der Wettbewerb würde höchstens als zweitklassig eingestuft werden.
Im Golf ist dieses Szenario eingetreten. Gestern erklärte mit Jordan Spieth die Nummer 3 der Weltrangliste seinen Verzicht auf eine Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen. Vor ihm gaben mit Jason Day, Dustin Johnson und Rory McIlroy schon die Nummern 1, 2 und 4 der Welt bekannt, nicht in Rio de Janeiro anzutreten.
Alle vier, wie auch viele weitere Golf-Stars, machen den selben Grund geltend: Die Furcht vor einer Ansteckung mit dem Zika-Virus. Stimmt das wirklich oder gibt es andere Gründe? Monetäre? McIlroy beispielsweise sagte schon letztes Jahr, noch bevor er absagte, er wolle sich 2016 auf den Gewinn von Major-Titeln konzentrieren.
Das Zika-Virus grassiert im Olympia-Gastgeberland Brasilien seit rund eineinhalb Jahren. Es wird von Mücken übertragen – und wer infiziert ist, kann das Virus weitergeben. Auch eine Übertragung beim Sex ist möglich und eine von einer schwangeren Frau auf ihr ungeborenes Kind.
Das ist der Hauptgrund, den die Golfer nennen: Dass ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen sei und sie nichts riskieren wollten. Denn mittlerweile gilt es gemäss der NZZ als bewiesen, dass das Zika-Virus das sich entwickelnde Gehirn eines Babys schädigen kann.
Auffallend ist, dass es in erster Linie Golfspieler sind, die das Zika-Virus fürchten. Das ist durchaus plausibel: Während Hallensportler sich bloss in der Freizeit anstecken könnten – und man kann sich ja auch dann in Gebäuden aufhalten – verbringen Golfer mehrere Tage viele Stunden draussen. Auf einem Platz mit von Mücken geliebten Wasserhindernissen.
Und trotzdem könnte es sein, dass das Zika-Virus bloss eine willkommene Ausrede ist. Denn Adam Scott, der Achte der Weltrangliste, nannte Terminprobleme als Grund für seine Absage. «Ich spiele vor und nach Olympia sehr viele Turniere und habe auch sonst viele Verpflichtungen, sportlicher wie privater Natur», liess der Australier Scott verlauten. Sein Konkurrent Louis Oosthuizen sagte ebenfalls ab: «Ich habe immer sehr gerne Südafrika repräsentiert und mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht.» Oosthuizen macht «familiäre Gründe» für die Absage verantwortlich.
Fakt ist: Die Stars sparen sich ihre Kräfte lieber für die grossen Turniere auf. Unmittelbar vor den Olympischen Spielen findet die PGA Championship in der Nähe New Yorks statt. Gesamtpreisgeld: 10 Millionen Dollar. Das Preisgeld in Rio de Janeiro? Null. Nix. Nada.
Wer eine Randsportart ausübt, für den sind Olympische Spiele das Grösste. Es geht um Ruhm und Ehre – und darum, diesen Ruhm möglicherweise durch einen Medaillengewinn versilbern, respektive vergolden zu können. Schwerreiche Golfer können darauf verzichten: Denn was sind schon Ruhm und Ehre im Gegensatz zu einer Zahl mit vielen Nullen auf dem Konto?
Dass aus Golf wieder eine olympische Sportart wurde, war schon bei der Ernennung kritisiert worden. Bei der Aufnahme ins Programm im Jahr 2009 waren unter anderem Squash, Karate oder Inline-Skating abgeblitzt. Anstelle von Randsportarten nahm das IOC mit Golf also bewusst eine Sportart auf, die in vielen Teilen der Welt bereits jetzt äusserst populär ist.
Die Situation ist vergleichbar mit dem Tennis, das erst seit 1988 wieder bei Olympia dabei ist. Auch dort war die Begeisterung anfangs nicht überall gleich gross: Kein Preisgeld, keine Weltranglisten-Punkte. Martina Navratilova und John McEnroe zum Beispiel verzichteten auf eine Teilnahme in Seoul. Steffi Graf hingegen schaffte 1988 den Golden Slam: Alle vier Grand-Slam-Turniere ebenso zu gewinnen wie Olympia. Letzteres habe für sie sogar den höheren Stellenwert, betont die mit Andre Agassi verheiratete Deutsche.
Heute ist die Bedeutung der Olympischen Spiele so gross, dass Roger Federer in Rio möglicherweise im Einzel, im Doppel und im Mixed antreten wird. Vielleicht werden in vier oder acht Jahren auch die besten Golfer der Welt ihre Meinung geändert haben.
Stand heute verzichten insgesamt 18 Männer und eine Frau (die Weltnummer 39, Lee-Anne Pace) auf das olympische Golfturnier. Schweizer Männer können von den vielen Absagen nicht profitieren und nachrücken: Keiner hat annähernd das Niveau, um es ins 60 Teilnehmer starke Feld zu schaffen. Dafür gelang zwei Schweizerinnen die Qualifikation: Die 29-jährige Zugerin Fabienne In-Albon ist ebenso dabei wie die erst 18-jährige Westschweizerin Albane Valenzuela.
Die Furcht vor einer Ansteckung durch das Zika-Virus ist nicht zu verniedlichen. Niemand weiss, wie es in den Köpfen von Spieth, Day, Scott oder McIlroy aussieht. Und doch bleibt der Eindruck, dass eine mögliche Ansteckung wohl nicht der einzige Grund für den Verzicht auf eine Olympia-Teilnahme ist.