Trotz seiner Erfolge und seiner Popularität ist er normal geblieben. Und normal ist, wenn einen nach sieben Monaten ohne Job auch mal Sorgen plagen. Bei Fischer ist das nicht anders. Aber er sollte nicht öffentlich darüber reden, meint sein Manager. Also werden die entsprechenden Passagen aus dem Interview gestrichen. Dabei ist Fischer keineswegs ein seelisches Wrack. Im Gegenteil.
Als Doublegewinner mit dem FC Basel hat es nicht an Angeboten gefehlt. Warum sind Sie auch sieben Monate nach der Trennung noch ohne Job?
Urs Fischer: Wenn man viereinhalb Jahre ununterbrochen Trainer in der Super League war, braucht man etwas Abstand.
Waren Sie nach dem FCB ausgebrannt?
Nein, überhaupt nicht. Weder mental noch körperlich.
Dann hätten Sie im Sommer dem Ruf Ihres Freundes Fredy Bickel folgen und bei Rapid Wien anheuern können?
Es stimmt, dass ich unter anderem eine Anfrage aus Wien hatte. Aber sie kam zum falschen Zeitpunkt. Häufig ist man selbst der Letzte, der sich eingesteht, dass eine Pause gut tun würde. Das war wohl auch bei mir der Fall. Zum Glück habe ich gute Menschen um mich herum, denen ich vertrauen kann, die es gut mit mir meinen.
Sie haben Ihrer Familie zuliebe pausiert?
Auch mir zuliebe. Aber es brauchte die Familie, um mich davon zu überzeugen.
Wie haben Sie die Pause bislang genutzt?
Ich habe mir Zeit genommen.
Wofür?
Für meine Frau, für die Familie, für mich. Mit meiner Frau habe ich Städte besucht. Und selbst habe ich viel gelesen, aber auch meine letzten Berufsjahre intensiv analysiert. Ich habe Dinge gemacht, die etwas zu kurz gekommen sind in den letzten Jahren.
Was?
Ich habe vor allem Biografien über Fussball-Trainer gelesen, aber auch Lektüre über Führung und Management.
Was haben Sie gelernt?
Man lernt immer, wenn man liest. Aber vor allem wurde ich in vielen Dingen bestätigt, was meine Arbeit betrifft.
Suchen Sie nach Bestätigung?
Wer nicht? Auch Ihnen ist es lieber, für Ihre Arbeit gelobt, statt kritisiert zu werden. Bestätigung gibt Sicherheit, vielleicht auch etwas Gelassenheit. Sicher wird das Selbstvertrauen gestärkt. Es ist jedenfalls schön, zu erfahren, dass punkto Teamführung – und das ist einer der wichtigen Aspekte für einen Profi-Fussball-Trainer – keine grossen Unterschiede innerhalb der Trainergilde bestehen.
Tatsächlich?
Taktisch gibt es sicher gewisse Unterschiede. Aber bei den Führungsgrundsätzen sind sich viele Trainer sehr ähnlich. Aber verstehen Sie mich nicht falsch.
Sie werden sich wohl nicht mit einem Jürgen Klopp (Liverpool) oder einem José Mourinho (Manchester United) vergleichen. Dafür sind Sie doch viel zu bodenständig.
Nein, bitte nicht. Mir wurde vorgeworfen, bodenständig zu sein. Wobei ich bis heute nicht kapiere, was an dieser Eigenschaft schlecht ist.
Vielleicht erwartet die Öffentlichkeit von einem Trainer mehr Glitzer und Glamour, mehr Schein.
Und wozu soll das gut sein?
Zur Projektion vielleicht?
Ja, vielleicht. Aber ich kann und will den Menschen doch nicht etwas vorspielen, das ich nicht bin.
Und was sind Sie?
Ein Arbeiter, ehrlich und zuverlässig. Von mir aus bodenständig.
Wann fühlten Sie sich wieder bereit, um als Trainer zu arbeiten?
Ab sofort, aber es muss das Richtige sein. Das kann in einer Woche oder in einem Jahr der Fall sein.
Wie haben Sie die Fussball-Sehnsucht gestillt?
Ich habe bei Urs Meier in Rapperswil reingeschaut. Und ich war bei Dieter Hecking in Mönchengladbach. Ausserdem habe ich sehr viele Spiele geschaut – im Stadion, aber auch am Fernsehen.
Nur, bis dato sind Sie zum Beobachter degradiert.
Das ist nicht nur schlecht. Denn als Beobachter hat man eine andere Sichtweise, kann sehr viel dazulernen.
Spüren Sie Ungeduld?
Nein! Als Trainer muss man mit dieser Situation umgehen können. Respektive, man lernt es.
Wie unterscheidet sich Ihre heutige Situation von jener von 2012, als Sie im März beim FC Zürich entlassen wurden?
Beim FC Zürich wurde ich von einer Sekunde auf die nächste entlassen. Es war meine erste Anstellung als Profitrainer bei einem Super-League-Klub. Und es heisst ja, dass man erst nach der ersten Entlassung ein richtiger Trainer ist. Mit dieser Weisheit konnte ich damals aber nicht viel anfangen. Denn ich war ziemlich geschockt und befürchtete zudem, in der Meinung der Öffentlichkeit versagt zu haben.
Ausserdem hiess es damals, der Ur-Zürcher Fischer würde als Trainer nur beim FCZ funktionieren.
Ja, das förderte meine Zuversicht natürlich nicht. Gut war, dass ich Monate später in Thun die Gelegenheit erhielt, zu beweisen, dass der Fischer auch ausserhalb von Zürich als Trainer taugt.
Wie haben Sie die Trennung beim FC Basel erlebt?
In Basel kam die Trennung nicht Knall auf Fall. Präsident Heusler und Sportchef Heitz informierten mich im Trainingslager im Januar, dass es zu einem Führungswechsel kommen könnte. Ich konnte mich also schon früh damit auseinandersetzen, dass die neue Führung wohl auch einen neuen Trainer installiert.
Kein Groll, kein Schmerz, dass die Zeit beim FCB trotz Titelgewinnen zu Ende geht?
Nein, so ist das Geschäft. Dabei war mein Start beim FCB nicht der einfachste.
Meinen Sie die Szene mit Fans, die Sie mit dem Plakat: «Fischer, nie eine vo uns!!!» in Basel begrüssten?
Ja, das war nicht angenehm. Obwohl mir klar war, dass ich als Zürcher in Basel nicht von allen mit Wohlwollen empfangen werde.
Spüren Sie Genugtuung, es den Kritikern gezeigt zu haben?
Nein. Nach meinem letzten Spiel im St. Jakob-Park sah ich ein Plakat mit der Aufschrift: «Fischer, eine vo uns!!!». Das war eine schöne Bestätigung, nicht alles falsch gemacht zu haben.
Dabei wurden Sie für Ihren Beamten-Fussball, Ihre vermeintliche Biederkeit laufend kritisiert.
Als FCB-Trainer kann man es nie allen recht machen. Entscheidend war, dass ich intern immer die volle Unterstützung gespürt habe.
Der FC Luzern hat eben einen Trainer gesucht, sich aber nicht für Sie entschieden. Machen Sie sich Sorgen, als Trainer überhaupt noch gefragt zu sein?
Nein. Wie gesagt, ich bin wieder bereit und gehe erst wieder ran, sobald das richtige Projekt für mich kommt.
Ist die Rückkehr in den Nachwuchs eine Option?
Im Moment nicht.
Warum nicht, wenn es doch allein darum geht, wieder als Fussballtrainer zu arbeiten?
Ich war beim FCZ sieben Jahre im Nachwuchs tätig. Das war eine schöne und sehr lehrreiche Zeit. Aber heute würde mir der Druck fehlen, den man bei den Aktiven hat.
Resultatdruck als Lebensqualität?
Wenn Sie so wollen, ja. Insbesondere der hohen Erwartungshaltung in Basel ausgesetzt zu sein war nicht immer einfach. Da war ja schon nach zwei Niederlagen Feuer im Dach. Aber es gibt auch den positiven Druck. Und dieser hat bei weitem überwogen.
Oder Druck als Ersatzdroge?
So weit würde ich nicht gehen. Aber eine Sehnsucht nach dem Resultatdruck verspüre ich schon. Der Druck ist ein wichtiger Aspekt der Leidenschaft, die man als Fussball-Trainer ausleben darf.