Nick Kyrgios gilt nicht umsonst als DER grosse «Bad Boy» der Tennis-Szene. Trotz unbestrittenem Talent sorgte der 25-jährige Australier in seiner Karriere nur in den seltensten Fällen mit sportlicher Leistung für Furore, vielmehr machte er sich durch sein rüpelhaftes Verhalten einen Namen.
Zuhauf zertrümmerte Schläger, Aufschläge von unten, Tweener zur Unzeit und die manchmal offen zur Schau gestellte Unlust kann man ihm ja noch durchgehen lassen. Andere Dinge dagegen nicht: Er telefoniert schon mal während eines Seitenwechsels mit einem Kumpel, verliert absichtlich und sagt dann: «Ich schulde den Zuschauern nichts.»
Im gesitteten England empört er die Zuschauer 2018 mit einer Masturbations-Geste, ein Jahr später wirft er in Rom aus Unzufriedenheit einen Stuhl auf den Platz. Stan Wawrinka beleidigt der Australier 2015 mitten im Spiel, als er dem Romand zuruft, Kumpel Thanasai Kokkinakis hätte mit dessen Freundin Sex gehabt.
Unumwoben gab er einst zu: «Ich respektiere jeden, der tagtäglich versucht, der beste Tennisspieler zu sein. Aber ich bin so nicht.» Statt seriös zu trainieren, vergnügt er sich lieber mit seinen Kumpels, sitzt stundenlang vor der Playstation oder rast mit teuren Luxusschlitten durch die Gegend. In der Vorbereitung auf das Australian Open 2019 hatte er überhaupt keine Lust auf Tennis, stattdessen spielte er stundenlang Basketball.
Strebsam, bedacht, zurückhaltend, diszipliniert, ehrgeizig, fokussiert – das alles ist der Sohn eines Griechen und einer Halb-Malaysierin im Gegensatz zu den meisten anderen Top-Spielern auf der Tour nicht. Seine Fans lieben ihn trotzdem. Kyrgios ist sozusagen der Antiheld auf dem Tennis-Platz. Gerade weil er anders ist. Der Australier will auf dem Platz vor allem Spass haben und versteht sich deshalb mehr als Entertainer, als Mann für die grosse Show statt für grosse Siege.
Kein Wunder, muss sich Kyrgios von Tennis-Kollegen und -Experten immer wieder anhören, dass er sein Talent verschleudere. Mangelnde Intelligenz wurde ihm schon vorgeworfen, doch die macht er nun bei seinen Konkurrenten aus.
Via Twitter kommentiert Kyrgios aus seiner Heimat Australien die Verfehlungen der grossen Tennis-Stars während der Coronapandemie und nennt die Dinge unverblümt beim Namen. Scharf kritisierte er die Weltnummer 1 Novak Djokovic und dessen verantwortungslose Adria Tour. Als Egoisten betitelte er Alex Zverev, der trotz Selbstisolations-Ankündigung wenige Tage später auf einer Party gesichtet wird. Dominic Thiem unterstellte er «mangelnden Intellekt», als dieser versuchte, Djokovic und Zverev zu verteidigen.
Während die Superstars Roger Federer und Rafael Nadal schweigen oder sich vornehm bedeckt halten, schwingt sich ausgerechnet Kyrgios zur Stimme der Vernunft empor. Der einstige Tennis-Rüpel, der schon während der Buschfeuer in Australien zu Beginn des Jahres mit seinem Engagement hervorstach, versucht der Welt – und vor allem seinen Tennis-Kollegen – vor Augen zu führen, dass es momentan um mehr geht als um Training, Tennis und Titel.
Mit seinen kurzen und prägnanten Twitter-Statements trifft Kyrgios den Nagel meist auf den Kopf und zeigt, dass mehr in ihm steckt als der Tennis-Rüpel, zu dem er mittlerweile nur noch abgestempelt wird. Als einer der wenigen scheint er begriffen zu haben, worum es in dieser für viele so schwierigen Zeit geht. Um Verantwortung und um Rücksicht gegenüber Mitmenschen. Das macht ihn nun plötzlich zum Vorbild für viele seiner Kollegen.
Mit seiner direkten, unverstellten Art zeigt Kyrgios nämlich vor allem eines schonungslos auf: dass die meisten Tennis-Profis selbst in einer Zeit, in der Solidarität gross geschrieben werden sollte, eben nur das sind, wozu sie von klein auf gemacht wurden. Ein-Mann-Unternehmen, die darauf getrimmt wurden, das Optimum für sich herauszuholen. Kleine Egoismus-Fabriken sozusagen. Da ist es doch für einmal wirklich erfrischend, dass Nick Kyrgios etwas anders ist.
Er ist aber immer Ehrlich auch wenn er manchmal ziemlich auf Mammut im Porzelanladen macht
Kyrgios ist bald beliebter als du.
Gibt dir das zu denken ?