Im Herbst 2017 ist seine Karriere auf der grossen Bühne eigentlich zu Ende. Teamchef Fred Corminboeuf ist so knapp bei Kasse, dass er die Nenngebühr in der Höhe von 20'000 Euro für die Saison 2018 nicht einzahlen mag. Jesko Raffin ist seinen Platz in der Moto2-WM nach drei Jahren los.
Aber er hat nicht aufgegeben. Er weiss um sein Talent. 2017 hat er beim GP von Australien den vierten Platz geholt. Nun bestreitet er die Moto2-EM, dominiert den Wettbewerb nach Belieben und hofft auf eine neue Chance ganz oben. Einen Platz im GP-Fahrerlager hat er diese Saison behalten: als Co-Kommentator fürs Schweizer Fernsehen. Auch heute in Misano sitzt er hinter dem Mikrofon. Aber nicht fürs Moto2-Rennen – das muss er nämlich selber fahren.
Jesko Raffin ist zurück in der Moto2-WM, vorerst für ein Rennen. «Im Laufe der Woche wird entschieden, wie es weitergeht.» Er ersetzt im SAG-Team Alejandro Medina und es ist nicht ausgeschlossen, dass der Schweizer den Spanier bis Ende Saison vertreten darf.
Nach dem Moto2-Rennen ist heute also noch nicht Feierabend. Zwischen dem Ende seines Einsatzes und dem Start der TV-Übertragung des MotoGP-Spektakels um 13.55 Uhr bleiben Jesko Raffin gut 40 Minuten. «Diese Zeit sollte eigentlich reichen, um mein Rennen mit den Technikern zu besprechen und dann rechtzeitig hinter dem Mikrofon zu sein.» SRF-Kommentator Marco Felder bestätigt: «Ja, so haben wir es geplant.» Vom Renntöff direkt in die TV-Reporterkabine – das schafft nicht einmal Valentino Rossi.
Raffin wird aus der sechsten Reihe (17.) direkt hinter Dominique Aegerter (14./fünfte Reihe) starten. Eine brisante Ausgangslage. Beide wissen nicht, ob sie nächste Saison dabei sind. Beide sind auch Konkurrenten um die letzten noch freien Plätze für die Moto2-WM 2019. Jesko Raffin hat mit dieser Ungewissheit leben gelernt, für Aegerter ist die Situation ungewohnt. Er ist ein Star. Vor einem Jahr, am 9. September 2017, hat er hier in Misano seinen zweiten GP gewonnen. Vor Tom Lüthi. Sieg ist Sieg und steht für seine fahrerische Klasse. Auch wenn ihm der Triumph später wegen illegaler Substanzen im Motorenöl aberkannt worden ist.
Nun weiss der Rohrbacher nicht einmal, ob er 2019 noch dabei sein wird. So schnell rostet der Ruhm. Nachdem er einen fertig ausgehandelten Vertrag mit dem Team von Jarno Janssen für die Saison 2019 nicht akzeptiert hat, ist sein Manager Robert Siegrist nach sieben Jahren frustriert ganz ausgestiegen. Bruder Kevin kümmert sich nun um die Verhandlungen mit den Team-Generälen. «Aber er ist nicht mein Manager. Er hat dafür ja gar nicht die Ausbildung. Er ist einfach mein Bruder und hilft mir», sagt Dominique Aegerter.
Weil 2018 gerade nicht sein Jahr ist, kommt noch Pech der besonderen Art dazu. Die Familie Aegerter organisiert jedes Jahr zum letzten Rennen in Valencia eine Fanreise: Flug, Unterkunft und VIP-Tickets. Inzwischen eine Reise mit Kultcharakter mit 40 bis 60 Teilnehmern. Logisch also, dass ein Flug gechartert wird. Bei SkyWork. Mitte August sei man angefragt worden, ob es möglich sei, den Charterflug etwas früher als üblich zu bezahlen. Natürlich ist das möglich. Mehr als 40'000 Franken werden überwiesen. Inzwischen ist SkyWork dem Konkurs verfallen. Das Geld dürfte verloren sein. Nun wird halt bei einer anderen Firma ein Flugzeug gechartert.
Aber was ist eigentlich verlorenes Geld gegen einen wahren Schicksalsschlag? Am 5. September 2010 verunglückte Dominique Aegerters Teamkollege und Freund Shoya Tomizawa im Moto2-Rennen tödlich. Alle zwei Jahre kehrt seine Mutter seither nach Misano zurück, um das Andenken an ihren Sohn zu ehren. Sie bereitet hier während des ganzen Wochenendes das Essen fürs Team und die Gäste von Alain Bronec zu (er war damals Teamchef), legt an der Unglücksstelle Blumen nieder und bringt Geschenke mit. Sie umarmt Dominique Aegerters Vater und schenkt ihm ein Glas mit der eingravierten Nummer 77. Der Haudegen ist gerührt und den Tränen nahe. Auch er hatte Shoya Tomizawa ins Herz geschlossen. Es geht in diesem Geschäft nicht nur um Geld und Ruhm.