Wo steht Tom Lüthi nach dem missglückten MotoGP-Abenteuer? Ist er in der Moto2 wieder ein Titelkandidat wie 2016 und 2017?
Nun haben wir eine erste Antwort auf diese Fragen: Tom Lüthi ist am ersten Trainingstag spektakulär gestürzt und hat am zweiten Tag den siebten Rang und einen Platz in der dritten Startreihe herausgefahren. Er kommentiert diesen Satz mit einem Wort aus der Töff-Diplomatie: «Ich bin nicht unhappy.» Also eigentlich zufrieden, aber auch nicht restlos glücklich.
P7 on the grid for the first race of 2019.
— Tom Lüthi (@ThomasLUTHI) 9. März 2019
congrats @MarcelSchrotter for the top spot today. @IntactGP
#12 #qatargp pic.twitter.com/MgY4Yp2MhB
Er steht im «Niemandsland» zwischen den Favoriten und dem Mittelmass. Noch ist offen, in welche Richtung es geht, und so sagt er: «Ich nenne kein Ziel für das Rennen.» Die Favoritenrolle, die ihm nie behagt hat, und die hohen Erwartungen, an denen er in der Schlussphase der WM 2016 und 2017 zerbrochen ist – das alles ist er los.
Tom Lüthi beginnt die WM als Aussenseiter mit der Erfahrung aus 132 Moto2-Rennen. Davon hat er 11 gewonnen. Eigentlich eine perfekte Ausgangslage für den hochtalentierten, sensiblen Piloten. Eigentlich. Aber nun gibt es ein neues Problem, das im Laufe dieser Saison eine Rolle spielen wird. Sein Teamkollege Marcel Schrötter (26) hat mit der exakt gleichen Kalex-Höllenmaschine die Bestzeit herausgefahren. Die erste seiner Karriere, die in der Moto2-WM schon 111 Rennen andauert und die ihm bis heute erst einen einzigen Platz auf dem Podest beschert hat. Er galt bisher als mental zerbrechlich. Reift er ausgerechnet jetzt gar auf Kosten von Tom Lüthi endlich zum Champion?
Tom Lüthi freut sich selbstredend über diese Trainingsbestzeit und bestätigt, dass er noch nie einen so schnellen Teamkollegen hatte. Das zeige doch, wie super im Team gearbeitet werde. Und natürlich gehört dazu die Erklärung, dass er dadurch nicht beeinflusst werde. Auch das gehört zur hohen Töff-Diplomatie.
POLE for this guy for the #QatarGP 🇶🇦 💥@MarcelSchrotter 😁😄👏 absolutely amazing job 🔝🔝🔝🔝🔝 pic.twitter.com/oh0WJjvlYC
— Intact GP (@IntactGP) 9. März 2019
Aber der Teamkollege ist immer der härteste Gegner. Die Geschichte kennt kein Beispiel von zwei Spitzenpiloten, die unter dem gleichen Dach auf Dauer glücklich geworden sind. Dominique Aegerters Karriere knickte, als er zwei Jahre (2015, 2016) mit seinem ewigen Rivalen Tom Lüthi im gleichen Team fuhr. An dieser Rivalität ist er beinahe zerbrochen.
Eine der spannenden, grossen Fragen dieser Saison ist deshalb, wie Tom Lüthi mit der unerwartet starken internen Konkurrenz leben lernt. Bei einem zu langen Aufenthalt im Windschatten seines Teamkollegen könnte sein Selbstvertrauen eine Erkältung einfangen. Rennsport wird immer auch im Kopf entschieden.
Dominique Aegerter (28) beginnt seine Saison aus der achten Reihe (24.) und sein Teamkollege Stefano Manzi steht sogar noch eine Reihe hinter ihm. Da gibt es keine Mutmassungen mehr, wo er eigentlich steht. Er hat die Bestätigung, dass er erst einmal zu den «Miserablen» gehört. Das ist bitter für einen Piloten, der schon bewiesen hat, dass er gut genug ist, um Rennen zu gewinnen, und vom Alter her im Zenit seiner Karriere steht.
Dominique Aegerter wirkt ein wenig kleinlaut und darf nicht sagen, was er wirklich fühlt und denkt. Er sagt zum wiederholten Mal an diesem Wochenende ein Sprüchlein auf, das ihm mit ziemlicher Sicherheit Teamchefin Milena Körner beigebracht hat: «Ich fahre ein ganz neues Produkt, das wir erst entwickeln müssen. Wir haben ja noch gar keine ganze Renndistanz gefahren. Ein WM-Punkt wird historisch sein.»
Wo er recht hat, da hat er recht. Aber nicht nur die MV Agusta ist ein neues Produkt. Alle mussten durch den Wechsel von Vierzylinder-600er-Triebwerken von Honda auf Dreizylinder-765er von Triumph neue Maschinen bauen. Oder auf den Punkt gebracht: Die Konkurrenz hat im Winter ganz einfach besser gearbeitet und testete im letzten Sommer schon, als die MV Agusta erst auf dem Reissbrett existierte.
Die Italiener waren saumselig und beginnen mit einem hausgemachten Rückstand. Dominique Aegerter zahlt dafür die Zeche.