Es waren schon sonderbare Blüten, die das Werben um Roger Federer in den vergangenen Wochen trieb, nachdem der Baselbieter angekündigt hatte, in diesem Frühling wieder auf Sand zu spielen. Da war zum Beispiel Rom, das Pizza als Argument ins Feld räumte. Oder Genf, das hoffte, Federer wolle dort die Werbetrommel für den Laver Cup rühren, der im Herbst dort über die Bühne geht und ihm so sehr am Herzen liegt.
Nur zu gerne hätte man sich hier und dort mit dem erfolgreichsten Spieler der Geschichte geschmückt, verknüpft mit dem Auftrag, Federer möge dort bitteschön auch gleich seinen 100. Titel feiern.
Federer aber wählte Madrid für die Rückkehr auf Sand nach drei Jahren Unterbruch und damit jenen Ort, an dem er 2006, 2009 und 2012 den Titel gewonnen hatte. Das Turnier in Spanien beginnt am 5. Mai. Federer widerstand damit all den Sirenengesängen, Millionengagen und Ködern, die man nach ihm ausgeworfen hatte. Denn an den Mastersturnieren werden keine Antrittsgagen bezahlt, die Entscheidung, dort zu spielen, ist eine sportliche, keine monetäre.
Madrid liegt einfach günstig. Es erlaubt ihm eine adäquate Pause nach den Hartplatzturnieren in Nordamerika und vor den French Open Ende Mai. Das hält die Veranstalter indes nicht davon ab, den Coup gebührend zu feiern. «Ein Geschenk», frohlockte Feliciano Lopez, ein Jahrgänger Federers, eigentlich noch Spieler, aber auch schon Turnierdirektor in Madrid. Spaniens Tennisikone Manolo Santana griff in die Nostalgiekiste, als er sagte: «Es macht nichts, dass er schon 37 ist. Er hat immer noch das angeborene Talent, das ihn zu einem der Besten überhaupt gemacht hat.»
Es klingt ein bisschen so, als wäre es bereits eine Attraktion, wenn Federer auf den Platz geht. Er hat diese Sichtweise selber geprägt, indem er sagt, es sei ein Geschenk, in diesem Alter auf diesem Niveau spielen zu können. Doch darin schwingt wohl auch ein bisschen Koketterie mit, die man sich leisten kann, wenn man auch immer noch grosse Titel gewinnt. So, wie er das in den vergangenen zwei Jahren tat. Doch nun ist er erstmals nirgendwo mehr Titelhalter an einem wichtigen Turnier.
Für Turnierdirektoren aber bleibt Federer Attraktion, Tanzbär und Trophäe. Wie viele Titel er hält, ist für sie unerheblich. Nicht aber für Federer, der kein Freund von Sentimentalitäten ist. Einst darauf angesprochen, wie er sich denn das Ende der Karriere vorstelle, sagte er: «Ich muss nicht auch noch kitschig aufhören.» Ihm ist nicht entgangen, dass sich die Konkurrenz jüngst noch viel wohlwollender über ihn äussert, als sie das ohnehin schon immer tat. Und das dürfte ihm zu denken geben.
Zwischen 2012 und 2017 war er schon einmal in diese Spirale geraten, in der er in der Wahrnehmung viel mehr lebende Legende als Aspirant auf grosse Titel war. Es war eine Zeit, in der er an Grand-Slam-Turnieren weder Novak Djokovic noch Rafael Nadal bezwingen konnte. Er gewann zwar immer noch Titel, doch Stück für Stück zerbröselte die Aura, die ihn jahrelang umgeben hatte. Für Federer geht es in dieser Woche in Dubai deshalb um mehr als um die magische Marke von 100 Titeln, die vor ihm nur Jimmy Connors erreicht hatte. Connors gewann 109 Titel.
Nach Wimbledon und Basel ist Dubai der logischste Schauplatz für dieses Szenario. Seit 13 Jahren hat Federer dort einen Wohnsitz, sein Bezug zum Emirat ist eng. Weil er in der Meydan Tennis Academy jeweils seine Saisonvorbereitung bestreitet, feiert er seit Jahren in Dubai Weihnachten. Er bekommt dort etwas, das er sonst nur in der Schweiz erfährt: Anonymität. Selbst einen wie ihn schluckt diese Stadt der Superlative, in der Geld keine Rolle spielt.
Im Gegenzug liess sich Federer in der Vergangenheit immer wieder für Werbezwecke einspannen. Einmal spielte der Baselbieter auf der Plattform des Burj Al Arab auf über 300 Metern Tennis, ein anderes Mal liess er sich ablichten, als er im Motorboot durch den Hafen fuhr, oder als er mit dem Helikopter über die künstlichen Inseln von Jumeirah flog. Die Bilder machen Federer, ob gewollt oder nicht, zum Botschafter des Emirats. Doch um nicht zur Attraktion im Tenniswanderzirkus zu verkommen, braucht Federer nun vor allem eines bald: grosse Titel.