Der amerikanische Industriekonzern General Electric – kurz GE – plant einen grossen Stellenabbau in der Schweiz. Wie die «Nordwestschweiz» aus internen Quellen erfahren hat, könnten über tausend Arbeitsplätze gestrichen werden. Von den Abbauplänen betroffen sind die Standorte in Baden, Birr und Oberentfelden.
Es ist dies bereits die dritte Abbaurunde, seit GE vom französischen Konzern Alstom dessen Energiesparte übernahm. Gemäss internen Quellen hat der US-Konzern vor, in der Schweiz total 1300 Stellen zu streichen. Die Bekanntgabe des Abbauprogramms wird für Mitte November erwartet. Am 13. November nämlich wird der neue starke Mann bei General Electric, John Flannery, an einem Investorentag in den USA über die Ergebnisse einer «strategischen Überprüfung» informieren. Es wird erwartet, dass der CEO die Streichung mehrerer tausend Jobs in der ganzen Welt ankündigt.
Kommt es zum Kahlschlag, wie intern befürchtet, wäre dies nochmals ein Abbauprogramm in der gleichen Grösse, wie es GE schon Anfang 2016 bekannt gab. Damals fiel die Stellenreduktion nach Gesprächen mit Gewerkschaften etwas geringer aus. Im Juli 2017 strich GE dann am Standort in Birr nochmals 100 Jobs. Heute hat GE in der Schweiz noch 4500 Angestellte, Anfang 2016 waren es noch 5500.
John Flannery übernahm im August den CEO-Posten von Jeff Immelt, der General Electric zuvor 16 Jahre geführt hatte. Anfang Oktober löste Flannery dann Immelt auch als Verwaltungsratspräsidenten ab. Nun steht Flannery unter immensem Druck, das einstige Vorzeige-Unternehmen der amerikanischen Wirtschaft aus der Krise zu führen.General Electric hat mit seinem Strom-Geschäft den Wechsel hin zu erneuerbaren Energien verschlafen. Das Geschäft mit Gas- und Dampfturbinen kriselt weltweit, da CO2-Emissionen gekappt werden sollen und erneuerbare Energien bevorzugt werden. Auch der deutsche Konkurrent Siemens soll Medienberichten zufolge weltweit die Streichung Tausender Jobs planen.
GE musste erst letzte Woche enttäuschende Resultate für das dritte Quartal bekannt geben und die Ziele für das Gesamtjahr drastisch herabsetzen. Insbesondere die Energiesparte zog GE einmal mehr hinunter. Flannery nannte die Ergebnisse «schrecklich», vollkommen inakzeptabel» und versprach «radikale Veränderungen». Nun sei «alles auf dem Tisch» und «die Dinge werden nicht bleiben, wie sie sind bei GE».
Schon zuvor hatte sich Flannery darangemacht, einen Kulturwandel bei GE herbeizuführen – und zerlegte dafür das Erbe seines Amtsvorgängers, Jeffrey Immelt. Ein leerer Business-Jet folgte Immelt jeweils, wenn er in seinem GE-Flugzeug um die Welt flog. Der leere Business-Jet sollte als Ersatz dienen, falls das GE-Flugzeug einmal mechanische Probleme haben sollte. Flannery strich diese Extravaganz kurzerhand und zeigte so: auch ganz oben wird gespart. Die symbolische Tat fand ihren Weg in das «Wall Street Journal».
Flannery muss dringend etwas bewegen. Denn der Lack blättert von Quartal zu Quartal immer ein wenig mehr ab von GE, dem einstigen Vorzeigeunternehmen der amerikanischen Wirtschaft schlechthin. In diesem Jahr hat GE an der Börse rund 25 Prozent an Wert verloren und war damit einer der grössten Verlierer überhaupt. Auch wenn man weiter zurückschaut, enttäuschte GE die Aktionäre. In der ganzen Amtszeit von Immelt – von 2001 bis 2016 – gab die Aktie um 41 Prozent nach, während der Gesamtmarkt um 130 Prozent anstieg.
Damit entwickelt sich die Beziehung zwischen General Electric und ihren Schweizer Standorten weiterhin holprig. Am 2. November 2015 schloss GE die 10-Milliarden-Übernahme der Alstom-Energiesparte ab. Nicht einmal drei Monate danach – Mitte Januar 2016 – teilte GE mit, 1300 Arbeitsplätze zu streichen, fast jede vierte Stelle. Im November desselben Jahres folgte dann so etwas wie eine Charmeoffensive.
Der Chef des Power-Services-Geschäfts von GE, Paul McElhinney, lobte im Interview mit der «Schweiz am Wochenende» den Industriestandort Schweiz ausdrücklich. McElhinney sprach von neuen Arbeitsplätzen und einer Investitionsoffensive. Der Kampf gegen die Erderwärmung berge für GE grosse Wachstumschancen: «Von Baden aus wollen wir Zukunftstechnologien für diese Märkte entwickeln.»
An diesen Ankündigungen ist zwar was dran, es wird tatsächlich an solchen Zukunftstechnologien gearbeitet. Doch ob die schöne neue Zukunft dereinst beginnen kann, ist offen. Vorher werden nun wohl nochmals Hunderte von Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren.