Heute läuft in Washington ein Ultimatum gegen das Justizministerium aus: Das House Intelligence Committee verlangt, dass es die Dokumente bezüglich des so genannten «Steele-Dossiers» offenlegt. Dieses Gremium untersucht im Auftrag des Repräsentantenhauses (vergleichbar mit unserem Nationalrat) die Vorgänge rund um eine vermutete Zusammenarbeit des Trump-Teams mit dem russischen Geheimdienst.
Ebenfalls heute veröffentlichte die «New York Times» einen Kommentar von Glenn R. Simpson und Peter Fritsch. Die beiden leiten das investigative Büro «Fusion GPS». Sie erhielten 2016 den Auftrag, belastendes Material gegen Trump zu sammeln, ursprünglich von Gegnern in den Reihen der Republikaner, später wurden diese Infos an die Demokraten weiterverkauft.
Im Wahlkampf wurden die brisanten Aussagen von Steeles «Pipi-Tapes» nicht verwendet. Sie sind zu brisant. So soll Trump bei seinem Besuch in Moskau im Jahr 2013 russische Prostituierte dafür bezahlt haben, dass sie in sein Bett im Carlton Ritz Hotel gepisst haben. In diesem Bett hatten auch einst Barack Obama und seine Frau genächtigt. Der russische Geheimdienst soll diesen Vorfall gefilmt und deshalb erpresserisches Material gegen den US-Präsidenten in den Händen haben.
Das ist jedoch bloss der reisserische Teil des Dossiers. Steele deckt auch auf, dass das Trump-Team bewusst mit dem russischen Geheimdienst zusammengearbeitet hat, und dass Trump seit Jahren geschäftliche Beziehungen zu Russland unterhielt. Eine sehr gute Analyse dieses Dossiers bietet das kürzlich veröffentlichte Buch «Collusion» des «Guardian»-Journalisten Luke Harding. Es wird demnächst auch auf Deutsch unter dem Titel «Verrat» erscheinen.
Die «Pipi-Tapes» rücken wieder in den Mittelpunkt der Russland-Affäre. Das Trump-Team, die Republikaner, Trump-hörige Medien wie Fox News und zunehmend auch das «Wall Street Journal» setzen alle Hebel in Bewegung, um zu «beweisen», dass es sich dabei um «Fake News» handelt. Alles erstunken und erlogen, so der Tenor.
Das Steele-Dossier wird auch gegen das FBI und den Sonderermittler Robert Mueller verwendet. Sollte es zutreffen, dass es der Ausgangspunkt der Ermittlungen war, dann müssten diese unverzüglich eingestellt werden, so die Argumentation des Trump-Lagers. Unter der Leitung des Abgeordneten Devin Nunes hat sich eine Gruppe von Trump-Getreuen versammelt, die das beweisen will. Nunes war ursprünglich Leiter des Ausschusses, musste jedoch wegen Befangenheit in den Ausstand treten.
Die Verschwörungstheorie des Trump-Lagers hat nun gleich zwei schwere Rückschläge erlitten. Zuerst hat die «New York Times» aufgedeckt, dass ein aussenpolitischer Berater von Trump namens George Papadopoulos im Suff gegenüber australischen Diplomaten ausgeplaudert hat, dass die Russen «Dreck» gegen Hillary Clinton hätten und diesen auch dem Trump-Team zur Verfügung stellen würden. Als Wikileaks begann, die gehackten E-Mails der Demokraten zu veröffentlichen, wurden die Australier hellhörig und meldeten sich beim FBI. Das geschah, bevor Steele den Auftrag von Fusion GPS erhalten hatte und widerlegt die Verschwörungstheorie.
Das tun auch die Leiter von Fusion GPS. «Wir glauben nicht, dass das Steele-Dossier die FBI-Ermittlungen ausgelöst hat», schreiben sie in der «New York Times». «Wie wir bereits im August vor dem Judiciary Committee des Senats erklärt haben, sagen unsere Quellen, dass das Dossier sehr ernst genommen wird, weil das FBI verschiedene Tatbestände erhärten konnte, die es aus anderen Quellen erhalten hatte, auch aus dem Trump-Lager.»
Tatsächlich ist im Steele-Dossier von einem Besuch eines ehemaligen Trump-Beraters Carter Page die Rede – einer, um es milde auszudrücken, schillernden Persönlichkeit. Dieser war bereits im Mai 2016 nach Moskau gereist und hatte sich dort mit engsten Vertrauen von Wladimir Putin getroffen, um Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu erörtern. Page hat nach anfänglichem Leugnen den Besuch zugegeben, die Zusammenarbeit bestreitet er nach wie vor.
Die beiden Chefs von Fusion GPS drängen darauf, dass die Protokolle ihrer Aussagen vor dem Senatsausschuss veröffentlicht werden. Die republikanische Mehrheit hat dies bisher jedoch verhindert. Mit gutem Grund. Aus diesen Aussagen geht nämlich hervor, dass man auf jeden Fall der Spur des Geldes folgen sollte, um ein zutreffendes Bild von der Verstrickung von Trump und Russland zu erhalten.
Im Mittelpunkt dieser Geldspur steht die Deutsche Bank. Sie hat dreckiges russisches Geld in der Höhe von rund zehn Milliarden Dollar gewaschen. Das ist bereits bewiesen und sie musste deswegen eine Busse in der Höhe von 630 Millionen Dollar entrichten. Die Deutsche Bank ist auch die wichtigste Bank für das Trump’sche Immobilienimperium. Er soll bei ihr immer noch mit rund 300 Millionen Dollar in der Kreide stehen.
Das Verhältnis von Trump und der Deutschen Bank ist mehr als merkwürdig. Nach der Finanzkrise schrammte Trump sehr nahe am Bankrott vorbei. Er hatte zum dümmstmöglichen Zeitpunkt massiv in Immobilien investiert. Die amerikanischen Banken wollten nichts mehr von ihm wissen. Nicht so die Deutsche Bank. Sie lieh ihm weiter Geld, obwohl sie zuvor von Trump eine Milliarden-Klage erhalten hatte.
Auch russische Banken liehen Trump Geld, darunter die kreml-nahe VTB. Die Deutsche Bank und russische Banken sind somit auf undurchsichtige Weise miteinander verbandelt. Luke Harding schildert dies wie folgt: «Die Kreml-Bank VTB, geleitet von dem russischen Geheimdienst FSB nahestehenden Leuten, hat die Kontrolle über die Moskauer Filiale der Deutschen Bank übernommen. Die Filialen in London und New York haben davon profitiert. In der Zeit, in der diese Vorgänge sich abgespielt haben, hat die Deutsche Bank in New York dem künftigen Präsidenten Hunderte von Millionen Dollars geliehen. Demokratische Senatoren und Abgeordnete wollten wissen: Wo ist die Verbindung? Es war eine gute Frage.»
Um diese Fragen aufzuklären, hat sich auch Steele an das FBI gewandt. Als er dank seiner ausgezeichneten Verbindungen nach Moskau von den Verstrickungen von Trump in Russland erfuhr, war er schockiert. Zu diesem Schluss sind auch die Leiter von Fusion GPS gekommen. «Die Öffentlichkeit hat noch viel zu lernen über einen Mann, der eine Geschäftsvergangenheit hat, die weit besorgniserregender ist als diejenige aller anderen US-Präsidenten», stellen sie fest. «Der Kongress sollte die Transkripte unserer Zeugenaussagen veröffentlichen, damit das amerikanische Volk die Wahrheit unserer Arbeit erfährt, und was wichtiger ist, was mit unserer Demokratie geschehen ist.»