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Auch Paranoide werden gelegentlich verfolgt, heisst es. Doch derzeit muss man nicht paranoid sein, um ein mulmiges Bauchgefühl zu haben. Die Welt gerät aus den Fugen. Rund um den Globus sind Krisenherde entstanden, und jeder kann fatale Folgen haben:
In den USA haben die Republikaner nach einem chaotischen Parteitag einen Soziopathen zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Donald Trump spielt nicht nur immer offener auf der rassistischen Klaviatur – Muslims ist bei ihm auch ein Codewort für schwarz –, er ist auch im Begriff, die Grundpfeiler der westlichen Sicherheitsarchitektur zu demontieren.
In einem Interview mit der «New York Times» hat Trump erklärt, die USA würden anderen Nato-Staaten nur dann zu Hilfe eilen, wenn diese «ihre Verpflichtungen gegenüber uns» erfüllen würden, will heissen: mehr zahlen. Im gleichen Interview fordert Trump Japan und Südkorea auf, sich atomar aufzurüsten und so die US-Streitkräfte zu entlasten.
Nach dem missglückten Putsch – wenn es denn überhaupt ein Putsch war – ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Begriff, das Land in eine Diktatur zu verwandeln. All das erinnert an das Vorgehen Stalins gegen die Trotzkisten. Dazu kommt, dass sich möglicherweise auch am Bosporus ein geopolitischer Wandel abzeichnet.
Eine plausible Spekulation will nämlich wissen, dass der türkische Präsident den Putsch auch dazu benützen will, sich vom Westen ab- und Russland zuzuwenden. Putin und Erdogan im selben Boot – und in den USA ein Putin-Bewunderer im Weissen Haus: ein Albtraum.
Der Brexit hat auch die zweite wichtige Säule des Westens ins Wanken gebracht, die europäische Einheit. Dass ausgerechnet die als besonnen geltenden Briten dieses Wagnis eingegangen sind, ist ein schlechtes Omen. Der Unmut über die EU wächst generell, derzeit vor allem in Italien. Kann die italienische Bankenkrise nicht gelöst werden, ohne die Kleinsparer zur Kasse zu bitten, dann ist es sehr wohl möglich, dass schon in diesem Herbst eine europafeindliche Regierung in Rom an die Macht kommt.
Ein Zerfall der EU ist denkbar geworden, und seit dem Brexit wissen wir auch, dass die Europagegner nicht einmal einen Anflug eines Planes haben, was danach kommen soll.
Der «IS» ist weniger eine militärische, denn eine psychologische Bedrohung. Die nicht enden wollenden Attentate schaffen ein Klima der Angst, das den Rechtspopulisten in die Karten spielt. Wann werden Muslime Opfer von Racheakten?
Generell ist das politische Klima im Westen unterirdisch geworden. Am Parteitag der Republikaner wurde Hillary Clinton nicht als politische Gegnerin hart angegangen. Sie wurde im wahrsten Sinne des Wortes verteufelt. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Ben Carson verglich sie mit Luzifer. Ein Delegierter fragte unter dem Gejohle des Saales, ob man sie hängen oder erschiessen soll – und alle grölten gemeinsam: «Sperrt sie ein! Sperrt sie ein!»
Im Zeitalter des Wohlstandsfaschismus darf ungeniert gelogen, polemisiert und gehetzt werden, und zwar nicht nur anonym in den Kommentarspalten, sondern ganz offiziell. Das Motto: «Mein Gott! Es ist doch nicht so schlimm, dass es eine Falschmeldung war», gilt nicht nur für den SVP-Hardliner Andreas Glarner. Es ist bei Rechtspopulisten inzwischen gängige Praxis. Wissen und Fakten sind bloss noch hinderlich. Der ehemalige englische Justizminister Michael Gove brachte es auf den Punkt: «Das Volk hat genug von Experten.»
Es gibt keine Patentlösung, um die Welt wieder ins Lot zu bringen. Doch es ist unbestritten, dass die extreme Ungleichheit innerhalb der und zwischen den Staaten ein entscheidender Faktor ist. Martin Wolf, der Chefökonom der «Financial Times», schlägt deshalb folgendes Massnahmenpaket vor:
Martin Wolf ist ein erfahrener Mann und der wohl bedeutendste Wirtschaftsjournalist der Gegenwart. Er kommt zu einem Schluss, der bis vor kurzem noch als hoffnungslos pathetisch belächelt worden wäre: «Ein Scheitern können wir uns nicht erlauben. Unsere Zivilisation steht auf dem Spiel.»