Wer heute die Morgennachrichten verfolgt hat, dem blieb möglicherweise das Gipfeli im Mund stecken: 54 Milliarden Franken Gewinn hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) im vergangenen Jahr erzielt. In Worten: Vierundfünfzig Milliarden! Das lässt selbst das renommierte «Wall Street Journal» aufhorchen:
«Der Profit ist grotesk gross», schreibt das Finanzblatt. «Das ist mehr, als Apple in einem Jahr verdient, und mehr als JPMorgan Chase und Berkshire Hathaway Inc. (die Holding von Warren Buffett, Anm. d. Red.) zusammen. Bei ihnen handelt es sich um globale Konzerne. Die SNB hat gerade mal 800 Mitarbeiter.»
Auch die deutsche Zeitung «Welt» staunt: «Die Schweizer Notenbank macht das, wovon alle träumen. Sie schafft Milliardengewinne praktisch aus dem Nichts.»
Thomas Jordan ist jedoch kein Finanzgenie, auch kein stabiles. Er hat diese Performance unfreiwillig erzielt. Der Job des SNB-Präsidenten besteht darin, den Wechselkurs des Frankens in einem vernünftigen Rahmen zu halten, die Rendite ist dabei zweitrangig. Die Anlagepolitik der SNB ist deshalb stockkonservativ: Sie kauft sichere Obligationen, hat einen hohen Goldbestand und kauft Aktien nur von der sichersten Sorte.
Genau das war im vergangenen Jahr die Zauberformel: Die Obligationen haben wegen der tiefen Zinsen nicht an Wert verloren und der Goldschatz hat rund drei Milliarden Franken abgeworfen. Den grossen Reibach hat die SNB jedoch mit den Aktien erzielt. Dank Apple, Microsoft & Co. hat die SNB dumm und dämlich Geld verdient. Die SNB hält beispielsweise Apple-Aktien für rund drei Milliarden Dollar.
Zum guten Portfolio gesellt sich noch das Wechselkurs-Glück. Die SNB hat in den letzten drei Jahren rund 200 Milliarden Franken am Devisenmarkt investiert mit dem Ziel, den Franken nicht noch stärker werden zu lassen. Ein grosser Teil dieser Investitionen erfolgte in Euro, denn Euroland ist unser wichtigster Handelspartner. Weil nun auch die europäische Wirtschaft angesprungen ist, legt auch der Euro langsam wieder an Muskeln zu – und beschert so der SNB einen unverhofften Windfall-Gewinn.
Was soll die SNB mit ihrem Riesengewinn machen? Dazu muss man wissen, dass sie in den letzten Jahren ihre Bilanz massiv verlängert hat, will heissen: Derzeit beträgt die Bilanzsumme rund 800 Milliarden Franken. Zum Vergleich: 2016 betrug das Bruttoinlandprodukt der Schweiz rund 660 Milliarden Franken.
Für eine kleine Volkswirtschaft wie die Schweiz ist dies viel zu viel. Jordan wird daher alles daran setzen, diese Bilanz wieder schrumpfen zu lassen, denn das Risiko ist viel zu gross. Zur Erinnerung: 2015 hat die SNB einen Verlust von 23 Milliarden Franken verbucht.
Problemlos kann die SNB ihren Verpflichtungen gegenüber den Aktionären – hauptsächlich die Kantone – nachkommen und jährlich 1,5 Milliarden Franken ausschütten. Dazu hat sie sich bis 2020 verpflichtet. Im Übrigen will die Bank fünf Milliarden Franken auf die Seite legen, um Wechselkursschwankungen aufzufangen. Der Rest soll für schlechte Zeiten auf die Seite gelegt werden.
Ob die SNB dies durchsetzen kann, wird sich weisen. Der Rekordgewinn wird wahrscheinlich Begehrlichkeiten aller Art wecken. Die SNB wird sich gegen politische Attacken wappnen müssen. Thomas Jordan kann dem mit breiter Brust entgegentreten – und seiner stockkonservativen Anlagepolitik treu bleiben.