Es ist eine makabere Ironie des Schicksals: Manche Erfinder wurden zum Opfer ihrer eigenen Erfindungen. Sie bezahlten wie William Bullock eine Unachtsamkeit mit ihrem Leben oder starben wie Franz Reichelt, weil ihre Erfindung schlicht nicht funktionierte. Hier sind 11 Helden des Fortschritts, denen ihre Erfindungen zum Verhängnis wurden, in chronologischer Reihenfolge.
Der Gelehrte aus Transoxanien verfasste ein arabisches Wörterbuch mit rund 40'000 Einträgen. Daneben fand er noch Zeit, sich mit Erfindungen abzugeben – von denen eine sich als tödlich für ihn herausstellte. Im Jahr 1002 oder 1008 schnallte Abu Nasr ein Paar hölzerne Flügel, die mit Federn versehen waren, an seine Arme und sprang solchermassen ausgerüstet vom Dach der örtlichen Moschee. Wie manchem Flugpionier vor und nach ihm gelang es Abu Nasr nicht, die Schwerkraft zu überlisten – er stürzte zu Tode.
Vielleicht hat Wan Hu nie existiert – gut möglich, dass die Erzählung seines versuchten Mondflugs nichts als eine Legende ist. Doch wo Rauch ist – und bei Wan Hu war viel Rauch im Spiel –, ist auch Feuer, wie es heisst. Der chinesische Beamte liess 47 Raketen an einen Stuhl montieren und soll dann in seinen besten Kleidern darauf Platz genommen haben. Gehilfen zündeten die Raketen gleichzeitig und brachten sich dann eilends in Sicherheit.
Was danach geschah, ist umstritten: Entweder explodierte der Stuhl samt Pilot gleich auf der Stelle oder schoss in den Himmel und explodierte erst dort. Jedenfalls blieb nichts vom Stuhl übrig, und auch Wan Hu überlebte seinen Höllenritt auf dem Raketenstuhl nicht.
Viel Glück hat seine Erfindung nicht gebracht – seinen Mitstreitern nicht, seinen Feinden nicht, und ihm selber auch nicht. Der Marine-Ingenieur baute das erste kriegstaugliche U-Boot, das von seiner Besatzung mit Handkurbeln angetrieben wurde. Doch schon bei einer der ersten Probefahrten sank das U-Boot, alle Besatzungsmitglieder sterben.
Hunley gab nicht auf. Doch am 15. Oktober 1863 ereilt ihn sein Schicksal: Während einer weiteren Probefahrt verliert er im Hafen von Charleston (US-Staat South Carolina) die Orientierung, das U-Boot sinkt erneut. Alle neun Insassen ersticken, darunter auch Hunley selber. Trotz dieses Rückschlags schickten die Südstaaten die CSS H. L. Hunley in den Seekrieg gegen die Yankees. Bei seiner ersten und letzten Mission versenkte das U-Boot ein Kriegsschiff der Nordstaaten – aber die Detonation brachte auch die U-Boot-Besatzung um. Die Männer starben sofort durch die Druckwelle, die Lunge und Gehirn schädigte.
William Bullock revolutionierte die Druckindustrie. Seine Rotationsdruckmaschine mit Endlospapiereinzug, die er 1863 hatte patentieren lassen, war ein imposantes Stück Technik. Als sie 1865 zum ersten Mal die Tageszeitung «Philadelphia Public Ledger» druckte, jubelte die US-Presse. Es handle sich um die «einfachste und solideste Maschine, die je Papier bedruckt hat».
Doch die zentnerschwere Rotationsmaschine brachte ihrem Konstrukteur kein Glück. Am 3. April 1867, als Bullock beim «Public Ledger» eine neue Maschine einrichten und justieren wollte, gab es ein Problem mit einem Antriebsriemen. Bullock trat zu, um den Riemen auf die Rolle zu bringen – und verhedderte sich mit dem Fuss im Mechanismus. Die Maschine zerquetschte sein Bein. Bullock kam ins Krankenhaus, aber er starb neun Tage später, als man sein von Wundbrand befallenes Bein amputieren wollte.
Otto Lilienthal war ein bedeutender Erfinder. Der deutsche Ingenieur baute im Laufe seiner Karriere über 20 Flugapparate und schaffte als Flugpionier den entscheidenden Durchbruch beim Flug von Objekten, die schwerer als Luft sind. In seiner Maschinenfabrik in Berlin stellte er seinen Gleiter in Serie her – als erster in der Geschichte der Luftfahrt.
Lilienthal absolvierte wohl an die 2000 erfolgreiche Flugversuche, darunter den ersten freien Gleitflug der Geschichte im Sommer 1891. Doch am 9. August 1896 stürzte er aus 15 Meter Höhe ab, als sein Gleiter ins Trudeln kam, und brach sich den dritten Halswirbel. Er fiel ins Koma und starb am nächsten Tag.
Ob ihn kurz vor dem Sprung doch noch Zweifel befielen? Auf dem Filmmaterial, das seinen fatalen Sprung zeigt, sieht man Franz Reichelt eine Weile zögern, bevor er dann endlich in seinem selbst gebastelten «Fledermaus-Anzug» von der ersten Plattform des Eiffelturms springt. Der «Fliegende Schneider» fiel vor zahlreichen Schaulustigen und Journalisten 57 Meter in die Tiefe und schlug nach vier Sekunden nahezu ungebremst auf dem gefrorenen Boden auf. Der 33-jährige Reichelt war sofort tot.
Der aus Böhmen stammende Reichelt, der schon seit Jahren an einem Fallschirm-Anzug für Piloten arbeitete, hatte die Behörden über seine Absichten getäuscht – man hatte ihm nur eine Bewilligung für seinen Testsprung erteilt, weil er angegeben hatte, einen Dummy zu verwenden. Obwohl ihn Freunde davon abhalten wollten, sprang er jedoch selber – in den Tod.
Der in Riga geborene Valerian Abakovsky (lettisch eigentlich Valerians Abakovskis) war erst 22 Jahre alt, als er 1917 – mitten in den Wirren der Russischen Revolution – mit der Entwicklung eines Schienenfahrzeugs mit Propellerantrieb begann. Der Eisenbahnwaggon mit Flugmotor, genannt Aerowagon, erreichte Geschwindigkeiten von bis zu 140 km/h.
Am 24. Juli 1921 führte der Erfinder eine Testfahrt von Moskau nach Tula durch. Auf dem Rückweg entgleiste der Aerowagon. Sechs der 22 Insassen – eine Gruppe von Kommunisten, darunter auch ausländische Delegierte – kamen ums Leben. Auch Abakovsky fand beim Unglück den Tod. Alle sechs Todesopfer wurden in einem Gemeinschaftsgrab an der Kremlmauer beigesetzt.
Der russische Philosoph und Ökonom Alexander Bogdanow war einer der Vordenker der revolutionären Bewegung im zaristischen Russland. Aufgrund ideologischer Differenzen mit Lenin wurde er allerdings später aus der bolschewistischen Partei ausgeschlossen. Vermutlich motiviert durch seine Hoffnung, gewissermassen den Schlüssel zur ewigen Jugend zu finden, interessierte er sich für die Erforschung der Bluttransfusion. 1925 konnte er sogar Stalin überzeugen, in Moskau ein Institut für Bluttransfusion mit einer Blutbank zu gründen.
Elf Transfusionen führte Bogdanow im Selbstversuch durch; die Resultate hielt er für vielversprechend: Er glaubte, seine abnehmende Sehschärfe habe sich verbessert. Die 12. Transfusion im April 1928 allerdings verschaffte ihm nicht die ewige Jugend, sondern kostete ihn das Leben. Er hatte eine mit Malaria und Tuberkulose verseuchte Blutkonserve erhalten.
Berühmt wurde der Chemiker Thomas Midgley, der in seinem Leben über 170 Patente anmeldete, für seine Erfindung des verbleiten Benzins. Der permanente Umgang mit dem innovativen Stoff bescherte ihm allerdings eine Bleivergiftung, die ihn zwang, mit der Arbeit daran aufzuhören. Midgley starb jedoch nicht am Blei – das Schicksal hielt etwas bedeutend Perfideres für ihn bereit.
1940, er war 51 Jahre alt, erkrankte Midgley an Kinderlähmung und war nun ans Bett gefesselt. Der Erfinder gab sich nicht mit seiner schwierigen Situation zufrieden, sondern entwarf ein komplexes System von Seilzügen, das ihm erlaubte, sich trotz seiner Lähmungen selber im Bett aufzurichten. Am 2. November 1944 verhedderte sich Midgley in den Schnüren seiner Vorrichtung und strangulierte sich selber.
Der alte Traum vom fliegenden Auto wurde ihm zum Verhängnis: Der amerikanische Ingenieur Henry Smolinski, der zuvor beim Northrop Institute of Technology gearbeitet hatte, entwarf und baute den AVE Mizar, mit dem er später tödlich verunglücken sollte. Es handelte sich um einen umgebauten Ford Pinto, der mit dem hinteren Teil einer Cessna Skymaster – Flügel, Leitwerk und Propeller – aufgerüstet werden konnte.
1968 gründete er die Firma Advanced Vehicle Engineers, in der das fliegende Auto von 1971 an entwickelt wurde. Das hybride Gefährt hob bei Testflügen tatsächlich ab; Smolinski fasste bereits eine Serienproduktion ins Auge. Doch am 11. September 1973 löste sich der abnehmbare Flügel bei einem Testflug – der Ford Pinto stürzte ab. Smolinski und der Pilot Harold Blake fanden den Tod.
Sein Stunt machte ihn weltberühmt: 1984 stürzte sich Karel Soucek in einer selbst konstruierten Tonne über die Niagarafälle – und überlebte. Seine innen gepolsterte Sicherheitskapsel, an der er acht Jahre lang gearbeitet hatte, hatte den tschechisch-kanadischen Stuntman vor Verletzungen oder Schlimmerem bewahrt.
Sein Glück sollte nicht dauern. Am 19. Januar 1985 wagte Soucek im Houston Astrodome einen noch gefährlicheren Stunt – obwohl ihn der berühmte Stuntman Evel Knievel eindringlich davor gewarnt hatte. Knievel sagte, es sei das Gefährlichste gewesen, was er jemals gesehen habe. Soucek liess sich in seiner Kapsel 55 Meter tief in ein Wasserbecken fallen. Diesmal ging der Stunt schrecklich schief; die Kapsel mit Soucek wurde zu früh losgelassen, kam ins Trudeln und schlug am Rand des Beckens auf statt in dessen Mitte. Soucek wurde schwer verletzt und starb am nächsten Tag.