Der «Urwald des Meeres» – diese poetisch anmutende Metapher bezeichnet die Korallenriffe, die artenreichsten, marinen Lebensräume. Diese Riffe sind die grössten von Lebewesen geschaffenen Strukturen der Erde und spielen eine Schlüsselrolle für die Ökosysteme der Küsten, denen sie als Wellenbrecher dienen.
Doch die von Meeresgetier wimmelnden Korallenriffe – sie beherbergen rund ein Viertel des Lebens in den Ozeanen, obwohl sie nur 0,2 Prozent des Meeresgrunds bedecken – sind ernstlich bedroht. Steigende Meerestemperaturen und die Versauerung des Meerwassers machen ihnen zu schaffen. Die meist winzigen Lebewesen, welche die gewaltigen Riffe bauen, sind diesen bedrohlichen Veränderungen hilflos ausgesetzt, da sie an ihren Ort gebunden sind.
Nach Berechnungen von Wissenschaftlern des UNO-Weltklimarats (IPCC) aus dem Jahr 2018 werden bei einer Erderwärmung von 1,5 Grad bis 2050 rund 70 bis 90 Prozent der Korallen weltweit sterben. Steigt die globale Temperatur um 2 Grad, wären es gar 99 Prozent. Seit Beginn des Industriezeitalters hat sich die Erde um etwa 1,2 Grad erwärmt und steuert derzeit auf eine Erwärmung um 2,7 Grad zu, da nach wie vor zu viel CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Und mehr als 90 Prozent der Wärme, die durch anthropogene Treibhausgase entsteht, werden in den Ozeanen gespeichert. Viele Korallen sind bereits jetzt tot, denn die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Weltmeere liegt derzeit auf Rekordniveau.
Neben den steigenden Temperaturen macht den Korallen auch die Versauerung der Ozeane zu schaffen. Diese hängt mit dem CO₂-Eintrag in die Atmosphäre zusammen: Die Meere nehmen rund ein Drittel des Treibhausgases auf, das zusätzlich in die Atmosphäre gelangt. Das drückt ihren pH-Wert – von derzeit 8,1 auf 7,8. Wenn der pH-Wert unter 7,7 sinkt, wachsen Korallenriffe nicht mehr weiter. In Zonen mit erhöhtem CO₂-Gehalt gibt es zudem massiv weniger junge Korallen.
Wenn Korallen absterben – das Phänomen heisst «Korallenbleiche» –, verblassen die oft sehr farbenprächtigen Korallenstöcke. Der Grund für den Farbverlust liegt darin, dass die Korallen, die in Symbiose mit ihnen lebenden verschiedenfarbigen Mikroalgen abstossen, wenn die Wassertemperaturen zu hoch sind. Die Korallen wachsen dann nicht mehr; zudem sind sie weniger gut in der Lage, sich gegen Feinde und Konkurrenten zu wehren.
Die Korallenbleiche ist reversibel, wenn die Algen aufgrund sinkender Temperaturen zurückkehren – allerdings nur innerhalb einer bestimmten Zeit, etwa acht Wochen. Geschieht dies nicht, kann sich die Koralle nicht mehr erholen und stirbt vollends ab. Das tote, weisse Kalkskelett bleibt zurück. Folgen die Bleichen einander immer schneller wie in letzter Zeit, können die Riffsysteme sich nicht mehr vollständig regenerieren.
Das Sterben der Korallen ist nicht nur ein ökologisches Desaster: Millionen Menschen hängen indirekt von ihnen ab – sei es, weil Fische und andere Meerestiere, die in und an den Riffen leben, ihnen als Grundnahrungsmittel dienen, sei es, weil die Riffe Touristen anlocken. Das Global Coral Reef Monitoring Network (GCRMN) schätzte 2020 in einem Bericht den Wert von Waren und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Korallenriffen auf 2,7 Billionen US-Dollar (gut 2,2 Billionen Franken) im Jahr.
Unter Umständen können sich Korallen allerdings nach einer Bleiche regenerieren, wobei die Erholung bei schnell wachsenden Korallenarten etwa zehn bis fünfzehn Jahre dauert – sofern es während dieser Phase nicht zu einer weiteren Bleiche kommt. Alte Riffe benötigen für eine Wiederbesiedlung hingegen mehrere Jahrzehnte.
Den Wiederaufbau beschädigter Korallenriffe hat sich das Schweizer Start-up rrreefs zum Ziel gesetzt. Das Non-Profit-Unternehmen will den Lebensraum für die Korallen wiederherstellen, mit Materialien, die nicht sofort wieder durch das saure Meerwasser angegriffen werden. Die künstlichen Riffe, die aus einem modularen System von umweltfreundlichen Tonziegeln bestehen, stellen eine Sofortmassnahme dar, die dann aber längerfristig den Kern für neue natürliche Korallenstrukturen bilden können.
Zusammen mit der Mama Earth Foundation – einer auf den Philippinen gegründeten Stiftung, die sich in Projekten zur Wiederaufforstung von Küstengebieten einsetzt – und dem Team Malizia – einem Offshore-Segelteam unter der Leitung von Boris Herrmann, das sich auch gegen den Klimawandel engagiert – hat rrreefs ein Projekt zur Wiederherstellung von Korallenriffen und Mangroven auf den Philippinen lanciert.
Das langfristig ausgelegte Unterfangen, das von der Zurich Gruppe Deutschland unterstützt wird, zielt auf die Regeneration der geschädigten Meeresökosysteme in der Pujada Bay auf der philippinischen Insel Mindanao ab. Auf der Inselgruppe der Philippinen befinden sich fast zehn Prozent der weltweiten Korallenriffe, von denen aber nahezu der gesamte Bestand (98 %) als bedroht eingestuft wird. Stark oder gar sehr stark gefährdet sind rund 70 Prozent der Riffe.
Gefährdet sind auch die Bestände der Mangroven – weltweit wurden in den letzten 40 Jahren etwa ein Drittel von ihnen vernichtet. Mangroven sind eine Pflanzengesellschaft, die weltweit rund 70 verschiedene Baum- und Straucharten umfasst. Charakteristisch für diese immergrünen Pflanzen sind ihre auffallenden Wurzeln, die wie Stelzen aus dem Wasser ragen und ihnen ermöglichen, selbst auf weichem, schlammigem Untergrund Halt zu finden. Mangroven überleben auch in salzhaltigem Wasser, daher sind sie an Meeresküsten und brackigen Flussmündungen zu finden.
Mangrovenwälder sind eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde; ihr ausgedehntes Wurzelnetzwerk bietet zahlreichen Tierarten Schutz und Unterschlupf vor dem offenen Meer und trägt zur Wasserfilterung und damit zur Verbesserung der Wasserqualität bei. Wie Korallenriffe tragen sie zum Küstenschutz bei, da sie die Wucht von Sturmfluten abfangen können. Überdies sind Mangrovenwälder hervorragende CO₂-Senker; sie binden bedeutende Mengen des Treibhausgases.
Das Projekt von rrreefs und seiner Partner kombiniert nun die Wiederherstellung dieser beiden wichtigen Küstenökosysteme – der Korallenriffe und der Mangrovenwälder – in der Pujada Bay, die 1994 zum Meeresschutzgebiet erklärt wurde. In dieser Region sind das Team Malizia und die Mama Earth Foundation seit vielen Jahren aktiv an der Wiederherstellung des Mangroven-Ökosystems beteiligt, indem sie den Malizia Mangrove Park geschaffen haben. In Zusammenarbeit mit der örtlichen Universität haben sie bereits über 800'000 Mangrovensetzlinge gepflanzt. Dies dient zugleich dem Ziel, den lokalen Gemeinschaften ein besseres Einkommen zu verschaffen.
Die gemeinsame Wiederherstellung von Mangroven und Korallenriffen bietet Vorteile für beide Ökosysteme, wie rrreefs in einer Medienmitteilung betont: Die erhöhte Artenvielfalt der Riffe kann den jungen Mangroven helfen, mehr CO₂ zu speichern, und die Mangroven wiederum können dem regenerierten Riff helfen, indem sie die Wassertemperatur und die Sedimente im Wasser verringern.
Um den potenziellen Nutzen der gemeinsamen Wiederherstellung der beiden Ökosysteme besser zu verstehen, wird ein Kontrollversuch durchgeführt: Während jeweils rund 3000 Mangroven vor zwei beschädigte Korallenriffe gepflanzt werden, wird nur eines der Riffe durch rrreefs wieder aufgebaut. Damit lässt sich experimentell zeigen, ob die gemeinsame Wiederherstellung Vorteile bietet.
Bei der Regeneration des Korallenriffs wird rrreefs sein modulares System aus 3D-gedruckten Tonziegeln einsetzen. Sie bieten den Vorteil, dass sich beliebige Oberflächenstrukturen, Strömungseigenschaften und Hohlräume formen lassen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Korallen-Polypen sich daran anhaften können. Auch können alle möglichen Riff-Lebewesen in den Hohlräumen Unterschlupf finden. Damit ermöglichen die Module die Wiederherstellung eines gesunden Riff-Ökosystems ohne weitere Pflege.
Ob das wiederhergestellte Riff zu einer höheren Artenvielfalt in den Mangroven beiträgt und deren CO₂-Speicherung verbessert, werden Wissenschaftler der Davao Oriental State University in Mati untersuchen, die an allen Projektschritten beteiligt sind. Auch die Gemeinden entlang der Küsten werden in das Projekt einbezogen, da ihre Beteiligung – wie rrreefs in der Medienmitteilung feststellt – für den Erfolg und die langfristige Nachhaltigkeit der Wiederherstellungsmassnahmen entscheidend ist.
Die Meeresbiologin Ulrike Pfreundt, wissenschaftliche Expertin im Team von rrreefs, sagt dazu: «Es ist ein komplexes Experiment. Wenn es funktioniert, werden die Erkenntnisse sehr wertvoll für künftige ozeanbasierte Klimaschutzmassnahmen sein.» Das Projekt soll im Februar 2024 umgesetzt werden.
Aber die Meere bräuchten viel effektiveren und umfassenderen Schutz:
- radikale Einschränkung des Fischfangs
- umfassenden Schutz von Küstenabschnitten (zBsp wird die Schlacke von Goldminen mittels Rohren auf 70-80m Tiefe geführt und dort abgelassen - regelmässige Wasserqualitätstests finden statt, aber an der OBERFLÄCHE, oh Wunder, Qualität i.o.! 👍🏻)
- radikales Verbot von Tiefseebergbau (die Folgen sind über JAHRZEHNTE sichtbar)
das wäre mal ein Anfang, nebst dem Klimaschutz......
Hauptsache, wir müssen keine PV Anlagen montieren und das Kerosin bleibt billig..