Man kann sterben, wenn man versucht, eine Taschenbibel zu schlucken. Oder wenn man sich das Pinkeln vor lauter Etikette verkneift. Auch nicht unbedingt empfehlenswert ist es, dem Tango zuliebe das Kinn stolz zu erheben und den Blick zur Decke zu richten, denn es kann sein, dass man sich im fünften Stock befindet und geradewegs aus dem offen stehenden, bodentiefen Fenster heraustänzelt.
Auf ganz vielen Ebenen ist Analsex mit einem Pferd verkehrt. Sei gewarnt, die Gartenschnecke, die man für eine Mutprobe heruntergewürgt hat, kann sich auch acht Jahre später noch rächen. Und selbst wenn deine Scheiben bruchsicher sind, solltest du es im 24. Stock eines Hochhauses nicht unbedingt darauf ankommen lassen. Denn sie mag zwar tatsächlich nicht zerbrechen, wenn du dich dagegen wirfst, stattdessen aber vollkommen unversehrt aus dem Rahmen springen.
Willkommen zur Artikel-Reihe RIP LOL – Tode, die nicht ganz so würdig, dafür umso sinnloser sind. Die Frauenquote, das sei schon mal vorausgeschickt, wird gleich null sein, was in diesem Fall doch ziemlich schmeichelhaft ist.
Heute mit ...
... Aischylos! (was «kleiner Hässlicher» bedeutet)
Wer kennt ihn nicht, den grossen griechischen Dichter, der uns das älteste Drama beschert hat, das wir besitzen? Und wovon handelt wohl die älteste Tragödie der Menschheit?
Vom Kriege natürlich! Von einem gegen das grundlegend Andere. Oder aber vielleicht auch gegen das Eigene im Fremden. Hier prallen Orient und Okzident zum ersten Mal aufeinander, zwei Kulturen, von denen die eine gerade erst die Idee der Freiheit zu denken beginnt, während an der Spitze der anderen jener mit Geschmeide behängte Perserkönig erstrahlt. Auf schlotternden Knien rollt ihm sein Volk den langen Teppich der Macht aus, mit seiner Nase in der staubigen griechischen Erde. Und schon wandelt er übers Meer, als wär er ein Gott:
«Aber nicht mein Sohn erkennt es, jugendlichen Stolzes voll,
Der den heilgen Hellespontos einem Knecht gleich kettenhaft Wähnte zu umfahrn, den mächtgen Bosporos, des Gottes Strom,
Der den Weg des Meeres umschuf und, mit der Fesseln Eisenlast
Ihn umgürtend, weite Strasse seinem weiten Heere schuf,
Der, ein Mensch, die Götter alle glaubte, bösen Wahns betört,
Und Poseidon selbst zu zwingen.
War's denn möglich, trieb ihn blind
Nicht des Wahnsinns Geist?»
Der Geist des toten Perserkönigs Dareios, der die Hybris seines Sohnes Xerxes anprangert, in «Die Perser».
Xerxes glaubte in seiner Vermessenheit, ihm stünde die ganze Welt zu.
Doch die Griechen wussten die ihre zu verteidigen. Nicht umsonst hatten sie die heimische Tyrannis beseitigt, ihre eigenen Gewaltherrscher verjagt oder gar getötet. Niemals würden sie ihre neu gewonnene Freiheit kampflos aufgeben.
Zum ersten Mal hatten sie nun einen gemeinsamen Feind, einen nämlich, der von aussen kam. Zum ersten Mal schafften es die ständig zerstrittenen Stadtstaaten, ihre Kleinkriege untereinander einzustellen, 30 Poleis taten sich unter der Führung von Athen und Sparta zusammen, um sich dem expansionswütigen persischen Eindringling zu stellen, der sie zu verschlingen und seinem Reich jenseits der Ägäis einzuverleiben drohte. Die aufständischen Inseln an der kleinasiatischen Küste hatte er bereits verspeist, sein westlicher Arm reichte schon bis nach Thrakien und seine gierige Hand fingerte bald auch ins griechische Mutterland hinein.
Unser Aischylos hatte bereits in der Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) gekämpft, die die Griechen gegen die persische Übermacht gewannen. Allerdings verlor der Dichter dabei seinen Bruder Kynaigeiros.
Zehn Jahre später sieht er sich nun bei Salamis abermals den Persern gegenüber, dieses Mal auf einem Kriegsschiff. Inzwischen hat Xerxes den Thron bestiegen, und die Griechen in der Schlacht bei den Thermopylen – in der der spartanische König Leonidas und seine 300 Männer so heroisch gefallen waren – besiegt.
Diese Seeschlacht ist es nun, die Aischylos in seiner Tragödie «Die Perser» verarbeitet. Es geht ihm darin aber weder um die Glorifizierung des eigenen, völlig unerwarteten Sieges noch um die Herabwürdigung des Feindes. Es ist vielmehr das tragische Ende eines tapferen Helden, dessen Schicksal sich aus seiner Schuld ableiten lässt.
Xerxes hat sich der Hybris schuldig gemacht. Er hat sich mit seinen Taten nicht bloss über die Menschen und ihre Sittengesetze hinweggesetzt, er wähnte sich gar über der Ordnung der Natur. Er hob sich selbst über die Götter, von Ate, der Verblendung, verführt.
Solcherlei Vermessenheit wird von den Göttern mit Leiden bestraft. Xerxes' übermächtige Flotte geht unter im Meer, bis auf ein paar wenige Getreue sterben sie alle in jener furchtbaren Schlacht. Er selbst aber bleibt verschont, muss es bleiben, damit er lernt.
In zerrissenen Kleidern und mit einem leeren Köcher in der Hand beklagt der schmachvoll Geflüchtete schliesslich sein bitteres Schicksal, es schreit in der Brust sein Herz vor Jammer – und in diesem Schmerz endlich erkennt Xerxes die ewige Gültigkeit göttlicher Satzung.
Die Verlockungen der Macht sind gross und jeder kann ihnen erliegen, ganz gleich, ob Perser oder Grieche. In dieser allzu menschlichen Schwäche eint Aischylos die Völker.
Und während er sich derart grosse und tiefe Gedanken macht über Schuld und Sühne, während er seinen tragischen Helden in klangvollen Versen untergehen und ihn unermüdlich wehklagend als gebrochenen, aber auf pädagogisch wertvolle Weise leidenden Mann zurücklässt, während er auf einem sizilianischen Felde sitzend bereits das Schicksal seines nächsten Helden ausbrütet, wird er von einer Schildkröte erschlagen, die ihm plötzlich auf den kahlen Kopf donnert, weil ein hungriger Adler seine Glatze von hoch oben für einen Stein hielt, mit dessen scharfen Kanten er den Panzer des Tierchens aufzuknacken gedachte.
Doch es knackte bloss der Schädel des Dichters.
Und als wär dies nicht schon genug an absonderlich-tödlicher Kombination, wähnte sich Aischylos auch noch in Sicherheit, als er da so arglos auf seinem Felde in Gila sass. Denn er hatte Athen verlassen, um dem Schicksal zu entrinnen, das ihm von einem Orakel geweissagt wurde: Dass ihm nämlich etwas vom Himmel Hinabgeschleudertes das Leben rauben werde.
Vielleicht hatte Aischylos sich getäuscht. Vielleicht sind die Götter keine logisch handelnden, die Menschen streng erziehenden Überwesen, vielleicht sitzen sie bloss gelangweilt auf ihrem umwölkten Olymp und lassen zur allgemeinen Erheiterung ab und zu einen Dichter von einer Schildkröte totschlagen.
Oder aber sie bestrafen dabei eben doch die menschliche Hybris, die allerdings darin besteht, sich anzumassen, göttliches Handeln überhaupt verstehen zu können. Denn was wissen wir schon über jene entrückten Wesen. Ihre Wege sind unergründlich.