4500 Larven und ein Hamburger: Das Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag hat kürzlich ein Video auf Youtube hochgeladen, das eine Fressorgie hungriger Geschöpfe im Zeitraffer dokumentiert:
Zu sehen ist der Nachwuchs der Schwarzen Soldatenfliege, der innert vier Stunden Teile eines Hamburgers frisst. Die Larven haben auch schon Forellen vorgesetzt bekommen: Nach 24 Stunden war nichts mehr übrig ausser den Gräten.
Die Forscher veranstalten die tierischen Festessen nicht aus Spass: Sie testen die Abfallverwertungsfähigkeit der Insekten. Mehlwürmer, Heuschrecken und Co. sollen nicht nur unseren Hunger stillen, sondern auch unsere Abfallberge abtragen. Zumindest die organischen Teile davon.
Abfall landet in vielen Ländern auf Halden und bleibt liegen. Die Berge wachsen, verschmutzen die Umwelt und sind ideale Brutstätten für Krankheiten. Die Siedlungsabfallgruppe der Eawag rund um Leiter Christian Zurbrügg will diesem Problem entgegenwirken. Dafür greift sie auf eine tierische Kampfeinheit zurück – die Schwarze Soldatenfliege, oder genauer: deren Larven.
Die Wissenschafter testen die neuartige Abfallverwertung in Indonesien. In Entwicklungsländern ist der meiste Abfall organisch. Nach einer Aufzuchtzeit von fünf Tagen werden die Larven auf den Müll – Restaurant- oder Marktabfälle – losgelassen. 600'000 bis 800'000 Larven bekommen jeweils eine Tonne Abfall vorgesetzt. Davon vermögen sie 50 bis 80 Prozent zu fressen.
Primär streben die Forscher um Zurbrügg eine neue Abfallverwertungstechnologie an. Doch die Möglichkeiten gehen darüber hinaus: Die vollgefressenen, proteinreichen Larven könnten selbst auch als Tierfutter dienen.
Heute besteht Tierfutter häufig aus Fischmehl oder Soja. Das ist angesichts der überfischten Meere und wegen des grossen Land- und Wasserverbrauchs höchst problematisch. Die Larven wären eine nachhaltige Alternative zu Fisch und Soja. Zurbrügg attestiert ihnen ein «hohes Potenzial».
Insektenburger, wie sie neuerdings auch in der Schweiz erhältlich sind, wollen die Wissenschafter aus den Larven nicht machen. Das liegt nicht an der Soldatenfliege. Sie wäre so unbedenklich zu verspeisen wie Mehlwürmer. Aber: «Die Akzeptanz, mit Abfall genährte Insekten zu essen, wäre wohl zu klein», sagt Zurbrügg. Ausserdem wäre das Gesundheitsrisiko zu hoch. Im Abfall können sich etwa Schwermetalle oder BSE-Erreger befinden. Diese sind nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere schädlich.
Damit die Schädlinge via Nahrungskette nicht doch auf unseren Tellern landen, verfolgen die Wissenschafter den «Multi-Barrier-Approach» (deutsch etwa der "Viele-Schwellen-Ansatz): Je mehr Stufen zwischen Endkonsument und Larve, desto sicherer der Konsum.
Die Abfallverwertungsfähigkeit der gelobten Insekten ist noch begrenzt: Um die Risiken gering zu halten, arbeiten die Forscher derzeit ausschliesslich mit vegetarischen Abfällen. Um dereinst auch Schlachtabfälle als Futter zu verwenden zu können, braucht es laut Zurbrügg noch spezifischere Forschungsbemühungen.