«The DNA Journey» heisst das Video, und es hat mit seiner wunderschönen Botschaft Millionen tief berührt. Menschen, die voller Vorurteile über andere Völker sind, werden in dem Clip mit dem Ergebnis ihres DNA-Tests konfrontiert und erfahren vor der Kamera, woher ihre Vorfahren stammen. Beschämt müssen sie einsehen, dass sie das ungeliebte Fremde in sich selber tragen.
Wer fragt sich da nicht sofort, wo seine eigenen Vorfahren denn herkommen? Wer denkt da nicht daran, vielleicht selber einen solchen Test zu machen? Tatsächlich verzeichnet beispielsweise die Firma Igenea in Baar ZG, die Herkunftsanalysen für Schweizer, Deutsche und Österreicher anbietet, deutlich mehr Anfragen, seit das Video viral geht.
Für all diese Interessierten, die gern herausfinden möchten, «wer sie wirklich sind», gibt es allerdings eine schlechte Nachricht: So einfach, wie die Sache in dem Video dargestellt wird, ist es nicht.
Dazu kommt noch, dass der emotionale Clip – es handelt sich um ein Werbevideo der dänischen Reisesuchmaschine «Momondo» und der Agentur «&Co» – vermutlich gestellt ist. Diesen Vorwurf stützt ein Bericht der dänischen Zeitung «Copenhagen Post», die zwei der Versuchsteilnehmer als Schauspieler identifiziert hat.
Dennoch behauptet «Momondo» weiterhin, der Clip sei nicht gescripted und es seien darin keine Schauspieler zu sehen. Gegenüber «Horizont Online» betonte die Firma, der Zuschauer sei «Zeuge echter Gefühlsausdrücke der Menschen, die sich auf ihre persönliche DNA-Reise begeben.»
Schwerer wiegen allerdings die Vorwürfe, dass die Methode des DNA-Tests im Video nicht seriös sei. Mehrere Experten haben darauf hingewiesen, dass es ein Unding ist, ein Genom mit modernen Staatsgrenzen in Bezug zu setzen.
So stellt Sascha Willuweit, DNA-Experte an der Charité Berlin, in einem Beitrag von «Spiegel-TV» fest: «Wissenschaftlich fundierte Ergebnisse legen nahe, dass es Grenzen oder Eingrenzungen zwischen Grössen wie zum Beispiel Westeuropa oder Südosteuropa im europäischen Bereich gibt, aber nicht auf Länderebene. Ich kann zum Beispiel Spanien und Frankreich mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, nicht auftrennen.»
Willuweit betont, dass genetische Genealogie grundsätzlich ihre Berechtigung habe. Aber er bemängelt, dass in dem Video mit «einer Romantik der Herkunft agiert» werde, ohne sie zu erfüllen. «Es ist eine ganz klare Manipulation der menschlichen Gefühle.»
Anders Johannes Hansen, Professor am «Staatlichen Naturhistorischen Museum» von Dänemark, erklärte dem dänischen TV-Sender TV2, die DNA der Leute aus dem Clip müsste mit einer charakteristischen Probe «nationaler» DNA verglichen werden. So etwas aber gebe es nicht: «Was immer man auch heranzieht, um die DNA daran zu messen – wie entscheidet man, was 100 Prozent dänische DNA ist, oder deutsche oder englische? Es ist unmöglich – weil wir Teil einer genetisch multikulturellen Geschichte sind.»
Der Geschäftsführer von Igenea, Roman Scholz, stellt dagegen fest, es sei möglich, anhand einer Speichelprobe seine Wurzeln zurückzuverfolgen. «Mit einer Speichelprobe kann man auf jeden Fall feststellen, wo die Vorfahren gelebt haben», sagte Scholz dem österreichischen Nachrichtenportal «Kurier».
Auch Scholz räumt freilich ein, dass es dabei vornehmlich um Grossregionen wie Ost- oder Westeuropa gehe und eine Auflistung einzelner Länder komplizierter sei: «Das hängt stark vom individuellen Ergebnis ab und von der Datenlage.» Österreicher, sagt Scholz dem «Kurier», stammten «im Durchschnitt zu fünf Prozent aus dem Nahen Osten und zu 30 bis 40 Prozent aus Osteuropa» ab.
Genetiker Willoweit hingegen kritisiert gerade die Angabe von Prozenten, wie es in dem Video ebenfalls geschieht. Er nennt das Beispiel des deutschfeindlichen Briten, der im Clip zu sehen ist und der am Schluss erfährt, dass er zu fünf Prozent deutsch sei: «Sind es fünf Prozent seiner Familie, die aus Deutschland stammen, ist es eine fünfprozentige Wahrscheinlichkeit, dass ein Vorfahr von ihm aus Deutschland kam? Das Video beantwortet das nicht.» (dhr)