screenshot: dnszensur.ch
Swisscom und UPC sperren hunderte Webseiten: Jetzt kannst du sehen welche
Markus Ritzmann setzt sich für ein freies Internet ein – doch die aktuelle Entwicklung passt dem Netzaktivisten ganz und gar nicht: Der Staat überwacht uns im Netz, das freie Internet wird schleichend abgeschafft und mit dem neuen Geldspielgesetz müssen Swisscom und Co. ausländische Glücksspiel-Anbieter wie pokerstars.com sperren. Die Schweizer Spielbanken jubeln: Ihr intensives Lobbying hat sich ausgezahlt, die unliebsame Online-Konkurrenz aus dem Ausland wird per Internet-Zensur ausgeschaltet.
Netzsperren als Instrument der Zensur sind somit nicht mehr nur in Ländern wie China und Nordkorea opportun. Die Schweiz bedient sich der gleichen technischen Mittel, wenn auch aus ganz anderen Gründen.
Statt die Faust im Sack zu machen, hat der 21-jährige Informatiker Ritzmann heute die Webseite DNSzensur.ch lanciert. Sie zeigt erstmals auf, welche Webseiten von den beiden grossen Internet-Providern Swisscom und UPC blockiert werden.
watson konnte die «Zensur-Datenbank» vorab einsehen.
Die Zensur-Datenbank ist ab sofort online: Die gesperrten Webseiten können thematisch sortiert betrachtet werden
Bislang werden erst von Swisscom und UPC gesperrte Seiten angezeigt
Die Auswertung zeigt, dass Swisscom bislang primär betrügerische Phishing-Webseiten sperrt, die es auf Passwörter abgesehen haben
Bei UPC werden laut DNSZensur bislang fast ausschliesslich Webseiten mit Kinderpornographie gesperrt
Webseiten sind auf Webservern gespeichert und jeder Webserver verfügt über eine eindeutige IP-Adresse (z. B. 82.197.184.234). Da diese numerischen Adressen für Menschen nicht einfach zu lesen bzw. zu merken sind, wird jede IP-Adresse in einen leicht verständlichen Domain Name übersetzt (z.B. watson.ch). Dies geschieht automatisch im Hintergrund über sogenannte DNS-Server der Internet-Provider. Das DNS übersetzt also Domains wie pokerstars.com in IP-Adressen und fungiert demzufolge nach dem gleichen Prinzip wie ein Telefonbuch.
Bereits vor einem Jahr hat Ritzmann mit der Webseite ueberwacht.ch eindrücklich die Konsequenz des neuen Nachrichtendienstgesetzes (NDG) aufgezeigt.
Sein neues Projekt ist bestes Marketing für das eben lancierte Referendum gegen das revidierte Geldspielgesetz. Wir wollten vom Netzaktivisten wissen, was es mit DNSzensur.ch genau auf sich hat.
Das sagt der Mann hinter der Zensur-Datenbank
Herr Ritzmann, Ihre Webseite DNSZensur.ch zeigt, welche Webseiten von Swisscom und UPC gesperrt wurden. Was bezwecken Sie damit?
Markus Ritzmann: Kaum jemand weiss, dass auch in der Schweiz Webseiten gesperrt werden. Das Projekt soll diesen Umstand bekannt machen und die Internet-Provider an den Pranger stellen.
Wie viele Webseiten sperren Swisscom und UPC aktuell?
Momentan sind 748 gesperrte Webseiten bei Swisscom und 336 bei UPC bekannt. Das schwankt jedoch stark. Erst letzte Woche wurden 50 Webseiten entsperrt, davor kamen jedoch Dutzende hinzu. DNSzensur.ch kann nicht das ganze Internet überwachen, weshalb in Wirklichkeit viel mehr Webseiten gesperrt werden, als das Projekt je finden wird.
Ihre Zensur-Datenbank macht die Netzsperren der Provider transparent: An der Zensur selbst ändert sich dadurch aber nichts.
Das ist korrekt. Doch nun kann sich jedermann die Liste anschauen und sich fragen, ob es Sinn macht, solche Webseiten zu sperren. Es ist nur fair, zu erfahren, welche Webseiten von seinem Provider gesperrt werden. In Zukunft möchte ich weitere Provider aufnehmen und damit auch zeigen, welche Internet-Anbieter nicht zensieren.
Welche Webseiten werden denn von den Schweizer Providern gesperrt?
Es betrifft hauptsächlich Phishing (Webseiten, die es auf Passwörter abgesehen haben), Kinderpornografie und wenige Webseiten, die aus rechtlichen Gründen gesperrt wurden. Hin und wieder kommt es aber auch vor, dass Webseiten gesperrt werden, die völlig legitim sind. Letzteres ist ein grosses Problem.
Warum sollten harmlose Seiten betroffen sein?
Schnellschüsse bei DNS-Sperren können auch legitime Webseiten gefährden. Für viele Unternehmen könnte ein solcher Schaden existenzgefährdend sein.
Bei betrügerischen Webseiten sind Netzsperren doch sinnvoll.
Nein. Löschen statt Sperren ist effektiver, vor allem weil DNS-Sperren einfach umgangen werden können. Es kann doch nicht die Lösung sein, Webseiten einfach zu sperren und zu vergessen, statt gegen den Webseitenbetreiber rechtlich vorzugehen.
Warum stört es Sie, dass die Internet-Provider Webseiten mit Kinderpornographie sperren müssen?
Die Sperre von Kinderpornographie basiert auf einer freiwilligen Liste. Das Sperren nützt nichts, da die Blockaden von den Nutzern einfach umgangen werden können und die Anbieter von Kinderpornographie jederzeit andere Methoden für das Verteilen von Kinderpornographie anwenden können. Die Nachteile überwiegen die Vorteile.
Lassen sich DNS-Sperren wirklich so einfach umgehen?
Das Umgehen ist kinderleicht. Es reicht, einen anderen DNS-Server zu nutzen. Und wer nicht weiss, wie das geht, findet im Internet unzählige VPN-Angebote, die ebenfalls dasselbe bewirken. Manche Browser wie Opera haben ein kostenloses VPN bereits integriert.
Kritiker behaupten, Netzsperren öffneten Online-Kriminellen Tür und Tor.
Webseiten mittels DNS-Server zu sperren oder umzuleiten sind Techniken, die auch von Internet-Kriminellen benutzt werden. Wenn Swisscom und UPC die gleichen Methoden anwenden, gefährden sie das Vertrauen in ihre eigenen DNS-Server. Zudem wird dadurch ausgerechnet die Technologie zur Erkennung von kriminellen Phishing-Webseiten (DNSSEC) geschwächt und somit der weltweit koordinierte Kampf gegen die Internetkriminalität gefährdet.