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Bern schlägt Lugano in der Verlängerung und holt sich das Break

Playoff-Final, Spiel 3
Lugano – Bern 2:3 n.V. (0:0,2:1,0:1,0:1)
Luganos Paradelinie um Topscorer Klasen kann sich erneut zu wenig entfalten.
Luganos Paradelinie um Topscorer Klasen kann sich erneut zu wenig entfalten.
Bild: PHOTOPRESS

Bern schlägt Lugano in der Verlängerung und holt sich das Break

Bern hat sich das Break in der Playoff-Finalserie gegen Lugano erkämpft. In einer phasenweise wilden Auseinandersetzung sorgte Tristan Scherwey mit dem 3:2 in der Verlängerung (70.) für den minimalen Unterschied.
07.04.2016, 23:4809.04.2016, 13:49
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In der Zusatzschicht eines über dreistündigen Hockey-Thrillers legte nur noch eine Mannschaft abermals zu: der SCB, der wegen seiner etwas breiteren Besetzung über ein Quäntchen mehr Kraft verfügte. Die 2:1-Führung in der Best-of-7-Serie könnte angesichts der minim grösseren Ressourcen Berns kursweisend sein. Den Bianconeri droht eher früher als später ein Treibstoffengpass.

Die Zeit des Spektakels scheint endgültig vorbei, die Leidenschaft ist entscheidend, die Schwerarbeit steht im Zentrum, die schonungslose Härte überwiegt. Nehmerqualitäten sind gefragt. Wer Tief- und andere Schläge besser verkraftet, wird sich durchsetzen. Dass auch im dritten Abnützungskampf der beiden Kontrahenten Nuancen entscheidend waren, passt zu diesem Vergleich verschiedener Hockey-Kulturen.

Die Entscheidung durch Scherwey in der Verlängerung.
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Am Abend der zahllosen und überschäumenden Emotionen, das Spiel der grossen Wogen innerhalb des teilweise kaum mehr zu bremsenden Publikums, das (zu) viele Unterbrüche und zusätzliche Eisreinigungen provozierte, rückte der Sport zeitweise in den Hintergrund. Zu viele gerieten in Wallung und verloren im Treibhaus Resega phasenweise die Contenance – Diskussionen, Lamento, Beschwerden in jeder Ecke und Kurve des ausverkauften Stadions.

Als Damien Brunner bei einem späten Solo von Simon Moser mit dem Stock traktiert worden war, drohte zeitweise ein Tumult. Die Südschweizer verlangten einen Penalty und lagen nicht falsch, die Spielleiter indes werteten die Szene anders.

Ein Teil der 7800 Zuschauer verlor die Beherrschung, derweil die Protagonisten sich wutentbrannt über die angebliche Benachteiligung beschwerten. Die Nerven lagen blank. Als Bern in der Overtime nach einem Bullygewinn Plüss' dank Scherwey die Entscheidung erzwang, wog der ausgebliebene Pfiff doppelt und dreifach zu Ungunsten der erzürnten Tessiner.

Berns erster Akzent in Unterzahl

Nach einer Flut von gegenseitigen Provokationen und Boxeinlagen – 36 Strafminuten hatten die Referees innerhalb des hektischen ersten Abschnitts verhängt – konzentrierte sich Bern zunächst schneller wieder auf das Wesentliche. Simon Bodenmann verschaffte dem SCB in Unterzahl nach einem Konter den ersten Vorteil.

Bodenmann schiesst Bern zu Beginn des zweiten Drittels in Führung.
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Technisch brillant: Der Ausgleich von Martensson.
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Die Tessiner Reaktion blieb indes nicht aus. Tony Martensson, mit acht Treffern in 13 Partien aktuell der beste Playoff-Finisseur, spielte einmal mehr seine grosse Klasse aus. Der 35-jährige Schwede verarbeitete ein Zuspiel Ulmers perfekt. In der 38. sorgte mit Maxim Lapierre ausgerechnet jener Akteur für die temporäre 2:1-Führung, der im Normalfall nur für die Big Points im physischen Bereich zuständig ist. Der Kanadier, zuvor die Nummer 77 der Playoff-Skorerliste, mit der eher unrühmlichen Referenz von 730 Strafminuten in 694 NHL-Partien auf der Schweizer Bühne angekommen, lenkte eine Scheibe unhaltbar ab.

Für das 2:1 ist Lapierre verantwortlich – er lenkt vor dem Tor ab.
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Chatelains Prognose war richtig

«Lugano wird wieder mit einer anderen Intensität auftreten», hatte Alex Chatelain nach der höchst einseitigen Angelegenheit im zweiten Akt (1:0) prognostiziert. Der SCB-Sportchef täuschte sich nicht. Die Startphase war nicht mehr vergleichbar mit jener am Dienstagabend.

Die Tessiner verwickelten die Gäste auf allen Ebenen in einen wilden Kampf. Vor allem im ersten Drittel folgte nahezu jedem harten Duell ein längeres Scharmützel. Sannitz und Conacher lösten in der 16. eine mehrminütige Auseinandersetzung mit diversen privaten Abrechnungen aus. Sekunden vor der ersten Pause verliessen sogar Luganos Nordländer die Komfortzone – Klasen prügelte, Pettersson ebenfalls. Lokale Beobachter wunderten sich, weil die Schweden mit ihrer eher schmalen Postur in der Regel solchen Rencontres konsequent ausweichen würden.

Für einmal griffen aber eben auch die Stars der Südschweizer nicht in die Zaubertrick-Kiste. Dem rustikalen Berner Element begegneten die Bianconeri ausnahmslos mit dem gleichen Stilmittel: Härte ohne Ende, Trashtalk, Fausthiebe. Die Emotionen der aufgeputschten Tifosi übertrugen sich quasi 1:1 auf die Hauptdarsteller im Rink.

Ebbett drückt die Scheibe über die Linie und sorgt für die Verlängerung.
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Mitten in der aufgeheizten Atmosphäre liess sich selbst der in der Regel besonnene SCB-Coach Lars Leuenberger früh aus der Reserve locken. Die «Unterredung» mit Doug Shedden verlief so intensiv wie die Checks auf dem Eis. Der Austausch von zwei, drei Nettigkeiten erinnerte zumindest ansatzweise an die Epoche der legendären Playoff-Rivalitäten zwischen Luganos «Il mago» John Slettvoll und seinem Ex-Antipoden Bill Gilligan.

Leuenberger und Shedden geben sich Saures.
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Späte Beruhigung der Hitzköpfe

Leuenberger fand den Fokus allerdings ziemlich schnell wieder und lotste seine Equipe auf dem Hauptschauplatz auf die richtige Linie. Als die Berner ihre Betriebstemperatur auf angemessene Ausmasse senkten und ihre Energie im richtigen Moment in Konstruktives investierten, verschafften sie sich wieder Zugriff zu einer Partie, die nicht nur den Schiedsrichtern, sondern auch ihnen zu entgleiten drohte.

Aber nicht nur die Hitzköpfe Berns beruhigten sich im Finish wieder, auch Luganos Adrenalin-Fraktion passte die eigene Drehzahl im richtigen Augenblick wieder der Bedeutung des Spiels an. Brunner und Co. setzten in der Overtime vermehrt auf ihre Kernkompetenzen – die Rückkehr zur Normalität genügte nicht, nach 69 Minuten und 25 Sekunden jubelten nur die Berner. (sda/rst)

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Lugano - Bern 2:3 (0:0, 2:1, 0:1, 0:1) n.V. 7800 Zuschauer (ausverkauft). - SR Kurmann/Massy, Bürgi/Wüst.
Tore: 21. Bodenmann (Ebbett/Ausschluss Rüfenacht!) 0:1. 26. Martensson (Ulmer/Ausschluss Blum) 1:1. 38. Lapierre (Chiesa, Sannitz) 2:1. 47. Ebbett (Moser, Jobin) 2:2. 70. Scherwey (Plüss) 2:3. - Strafen: 8mal 2 Minuten gegen Lugano, 10mal 2 plus 10 Minuten (Roy) gegen Bern. - PostFinance-Topskorer: Klasen; Conacher.
Lugano: Merzlikins; Hirschi, Kparghai; Chiesa, Furrer; Ulmer, Vauclair; Kienzle; Brunner, Hofmann, Bertaggia; Walker, Sannitz, Lapierre; Kostner, Schlagenhauf, Reuille; Fazzini.
Bern: Stepanek; Jobin, Untersander; Krueger, Blum; Helbling, Gerber; Flurin Randegger; Bodenmann, Ebbett, Moser; Conacher, Roy, Rüfenacht; Scherwey, Plüss, Reichert; Alain Berger, Pascal Berger, Gian-Andrea Randegger.
Bemerkungen: Lugano ohne Steinmann (verletzt, Stapleton, Sartori, Romanenghi (alle überzählig), Bern ohne Hischier, Kobasew, Bergenheim, Bührer, Kousa (alle verletzt), Kreis, Ness, Smith (alle überzählig). 4. Pfostenschuss von Pascal Berger. 73. Timeout von Lugano. (sda)

Alle Schweizer Eishockey-Meister seit Einführung der Play-offs 1985/86

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Alle Schweizer Eishockey-Meister seit Einführung der Playoffs 1985/86
2023: Genf-Servette HC, Finalserie: 4:3 gegen den EHC Biel.
quelle: keystone / salvatore di nolfi
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8 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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chara
08.04.2016 00:06registriert Januar 2016
Der Brunner ist ein "Fussballet"😜😜
327
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Martinov
08.04.2016 00:19registriert April 2016
Freue mich auf den Match-Bericht von SCB-Fan Takkinen/Tikkanen/Tikitaka 😎☝🏼️
283
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Der Belehrende
08.04.2016 01:59registriert Januar 2015
Liebes Watson-Team
Wäre es möglich den Stockschlag an Brunner und dessen Interview auch hochzuladen?
Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüssen
Der heut nicht ganz so Belehrende
2011
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8
Was du schon immer sehen wolltest: Ein Gespräch zwischen Eismeister Zaugg und Marc Lüthi

In der Playoff-Zeit, da widmet sich selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Schweiz wieder dem Eishockey. Zumindest teilweise. Live-Spiele gibt es beim SRF keine mehr zu sehen, echte Zusammenfassungen auch nicht. Aber gestern hat «10 vor 10» dafür watson-Eismeister Klaus Zaugg porträtiert.

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