Alarm in Schweizer Haushalten: Schweizer Detailhändlern gehe das Streugewürz Aromat aus, so wird berichtet. Vor allem bei der Migros herrsche gähnende Leere in den Regalen. Die SDA schreibt:
«Unilever, der britische Eigentümer des Nahrungsmittelproduzenten Knorr, geht laut ‹Blick› davon aus, dass nächste Woche alle Aromat-Regale der Marke Knorr wieder gefüllt sein werden. Beim Detailhändler Migros dürfte es noch länger dauern. Migros stecke in Verhandlungen mit dem Lieferanten, sagte ein Sprecher.»
SDA
Aha. Preiskampf also. «Zwischen der Migros und dem Hersteller herrscht dicke Luft. Sie können sich beim Abnahmepreis nicht einigen», so Blick.
Zunächst: Chillets mal echli. Die Streithähne werden sich schon noch einigen. Das Zeugs wird wieder erhältlich sein.
Deswegen? Seriously?Bild: WikiCommons
Und selbst wenn – selbst wenn – es nun eine Zeit lang kein Aromat gäbe ... na und? Hey, überlebenswichtig ist es mitnichten.
Oder anders gesagt: So geil ist Aromat auch wieder nicht.
Seht, Aromat ist eine Streuwürze, wie es sie überall auf der Welt zuhauf gibt. Klar, gewisse Länder haben ihre Lieblingsmarke, und vielleicht ist diese ebenfalls ähnlich eng mit der nationalen Identität verstrickt wie Aromat mit der Schweiz. Aber letztendlich besteht Aromat aus Zutaten, wie sie in jeder zweiten Streuwürze zu finden sind: Salz, MSG, Zucker, Gewürze, Weizenstärke, Öle und gemahlene Kuhhörner und dergleichen.
Hier die offizielle Zutatenliste laut Hersteller Knorr: jodiertes Speisesalz, Geschmacksverstärker (Mononatriumglutamat*), Milchzucker, Weizenstärke, Hefeextrakt, Gewürze (Zwiebeln, Knoblauch, Curcuma, Selleriesamen, Nelken, Lorbeer), pflanzliche Öle (Palm, Sonnenblumen), Trennmittel (Siliciumdioxid), Pilzextrakte.
Fehlt das Aromat, dann kaufst du dir eines der gefühlt 100-TAUSEND anderen Produkte. Die heissen vielleicht All Purpose Seasoning Blend, aber vom Konzept her ist's dasselbe.
Stichworte «Sand», «Meer». Bild: mccormick
Ach ja – auch mal überlegt, weshalb du so sehr für Aromat schwärmst? Der Geschmack? Fehlanzeige. Nö, du liebst es, weil es dich an deine Kindheit erinnert.
Das arme Kind hat ja Aromat auf der Nase! Die wäre also angefixt. (Ja. Jaaaaaaa. Ich weiss. Oh stfu.)Bild: Shutterstock
Vielleicht war es dein geliebtes Grosi, das dir erstmals etwas vom Pülverchen aus der ikonischen Büchse aufs hartgekochte Ei streute. Vielleicht sind diese Erinnerungen gar mit den ersten haptischen Erfahrungen mit Esswaren in der Frühkindheit verknüpft, damals, als deine kleinen Fingerchen erstmals ein Ei schälen und dann zur Streuwürze greifen durften. Das sind starke emotionale Erinnerungen, die tief in unserem Unterbewusstsein harren.
Das Beste überhaupt? Was? Ihr checkt das nicht? Q. E. D.Bild: Shutterstock
Analoges Beispiel: Ich liebe McVities Digestive Biscuits über alles. Gebe ich solche aber meinen Schweizer Freunden zum Probieren, ernte ich Konsternation. Was soll daran jetzt fein sein? Objektiv ist ein solcher Einwand mehr als berechtigt, denn den Uneingeweihten fehlt die wichtigste aller Geschmacksnoten: die Kindheitserinnerungen, nämlich der Mami dabei zuzusehen, wie sie die Guetzlidose von dem Küchenregal herunterholte.
Seht, jedes Land hat irgendeine Essware, von der alle schwärmen. Als Besucher wird man unweigerlich einen Einheimischen treffen, der einem von den einzigartigen und köstlichen Eigenschaften dieses einen typischen Lebensmittels vorschwärmt. Meistens kann aber der objektive Geschmackstest die hohen Erwartungen nicht ganz erfüllen. Der Grund: Uns fehlt der emotionale Kontext.
Ebendarum verstehen Ausländer etwa des Schweizers Begeisterung für eine der fadesten Würste der Welt nicht (Bratwurst). Oder was an einem Sprudel aus Milchserum eigentlich fein sein soll (Rivella). Oder weshalb um eine MSG-Würze solch ein Aufheben gemacht wird (Aromat). Das macht aber nichts, den die Schweizer verstehen meine Digestives auch nicht.
Essen ist immer emotional. Und manches Essen mehr als anderes.
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Die beliebtesten Kommentare
AromatJunkie
01.02.2023 16:01registriert Dezember 2020
Heeee voll fies! Wieso schiesst du jetzt gegen mich?! Ich finde dich jetzt auch nicht mega cool imfall!
Der Grund für die Beliebtheit von Aromat liegt nicht im emotionalen Bereich. Der Hauptbestandteil Glutamat verursacht suchtähnliche Veränderungen im zentralen Nervensystem. Wer daran gewöhnt ist, für den schmeckt alles ohne einfach fad.
Der Zürcher Kantonsrat will den Französischunterricht in der Primarschule abschaffen. Es ist eine ziemlich hilflose Reaktion auf die zunehmende Überforderung an der Volksschule.
Französisch ist unsere zweite Landessprache. Und im Gegensatz zum dominierenden Deutsch eine Weltsprache. Der «Franz»-Unterricht aber ist in der Deutschschweiz ein Politikum, seit er im Rahmen des Harmos-Konkordats an der Primarschule eingeführt wurde. Appenzell-Innerrhoden und Uri haben Harmos und Frühfranzösisch nie umgesetzt.