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Cambridge Analytica: Das musst du über den Facebook-Daten-Skandal wissen

Wann nimmt der Facebook-Chef zu den Vorgängen Stellung?
Wann nimmt der Facebook-Chef zu den Vorgängen Stellung?bildmontage: AP/watson

Facebook steht vor dem Super-GAU – das musst du wissen

Der weltgrösste Social-Media-Konzern gerät durch die jüngsten Enthüllungen eines Whistleblowers ins Wanken. Es drohen Rekordbussen und schlimmeres ...
19.03.2018, 16:3121.03.2018, 08:52
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Was ist passiert?

Facebook steuert auf die schwerste Krise seit der Firmengründung 2004 zu. Oder steckt bereits mitten drin.

Das Wichtigste in Kürze

  • Facebook steht wegen des mutmasslichen Missbrauchs von User-Daten durch Drittfirmen am Pranger.
  • Unter dem Deckmantel von akademischer Forschung sammelten Dritte im grossen Stil Facebook-Profil-Daten und verkauften sie ohne Einwilligung der Betroffenen weiter.
  • In den USA droht Facebook eine Rekordstrafe, falls dem Unternehmen ein Gesetzesverstoss nachgewiesen werden kann. Laut «Washington Post» ist gemäss theoretischer Berechnung eine Busse von 2 Billionen US-Dollar denkbar. (Das ist kein Schreibfehler, doch würde die tatsächliche Busse wohl «nur» im mehrstelligen Milliarden-Dollar-Bereich liegen).
  • Der Präsident des EU-Parlaments hat am Montag via Twitter eine umfassende Untersuchung angekündigt.
  • Die EU-Kommission rügt den möglichen Datenmissbrauch als «inakzeptabel» und die EU-Justizkommissarin plant Gespräche mit der US-Regierung und Facebook.
  • Der zum «Guardian» gehörende «Observer» und die «New York Times» berichteten am Samstag über die fragwürdigen Geschäftspraktiken der Firma Cambridge Analytica.
  • Laut dem Whistleblower Christopher Wylie beschaffte sich Cambridge Analytica durch Datenmanipulation bei Facebook direkten Zugang zu 50 Millionen zumeist US-Profilen.
  • Als Facebook von der missbräuchlichen Weitergabe der User-Daten erfuhr, verlangte es die Löschung derselben. Traf aber keine effektiven Massnahmen, um dies durchzusetzen. Nun hat das Unternehmen Untersuchungen angekündigt und will notfalls juristisch gegen ehemalige Partner vorgehen.
  • Die Daten wurden von Cambridge Analytica verwendet, um ein Programm zur Wähler-Beeinflussung zu entwickeln. Allerdings ist die Wirksamkeit der Software, die auch bei der Brexit-Kampagne eingesetzt wurde, höchst fraglich.
  • Der US-Milliardär Robert Mercer, der zu den reichsten Gönnern von Donald Trump im Wahlkampf zählte, hat 15 Millionen Dollar in Cambridge Analytica investiert.
  • Cambridge Analytica hat geschäftliche und personelle Verbindungen nach Russland, die nicht geklärt sind. Und es gibt eine Verbindung zu einem heutigen Facebook-Mitarbeiter.
  • Facebook-Verantwortliche versuchten zunächst mit formaljuristischen Begründungen zu beschwichtigen. Es habe keine (in den USA meldepflichtige) Datenpanne gegeben.
  • In Europa und Übersee wächst der öffentliche Druck, Facebook in die Schranken zu weisen. Dem Social-Media-Konzern droht eine strenge gesetzliche Regulierung.
  • Die Reaktion der Facebook-Führung auf «ein Jahr der Skandale» schwanke «zwischen defensiver Ahnungslosigkeit und distanziertem Schweigen», kommentiert CNBC.

Seit Samstag überschlagen sich die Ereignisse. Am Montag gab es neuen Enthüllungen zu den fragwürdigen Geschäftspraktiken von Cambridge Analytica.

Um 20 Uhr zeigte der britische TV-Sender Channel 4 laut Ankündigung einen «Undercover»-Report. Journalisten recherchierten während Monaten und filmten Verhandlungen heimlich.

Für Facebook könnte der Image-Schaden neue Dimensionen annehmen. Mark Zuckerberg ist auf Tauchstation.

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screenshot: twitter

Ich habe den Überblick verloren, was nun?

Zunächst gilt festzuhalten, dass noch nicht alle Fakten auf dem Tisch sind. Relevante Vorkommnisse liegen Jahre zurück. Verantwortliche zogen es bislang vor, zu schweigen.

Siehe weiter unten:

  • Chronologie der Ereignisse
  • Wichtige Akteure

Ist das überhaupt neu?

Dass Dritte über Facebook-Spiele und andere Anwendungen wie zum Beispiel Psycho-Tests an die Daten von ahnungslosen Facebook-Usern gelangen, ist nichts Neues.

Das grundlegende Problem: Wer Facebook nutzen will, muss in die weitreichenden Plattform-Richtlinien einwilligen.

Im aktuellen Fall bedeutete dies: Weil 270'000 User für einen Persönlichkeitstest ihr Facebook-Login verwendeten, ermöglichten sie den Zugriff auf ein Netzwerk von 50 Millionen Usern.

Die Enthüllungen des Whistleblowers zeigen, dass Facebook den Schutz der User-Daten nicht gewährleisten konnte. Über die Gründe für das Versagen kann nur spekuliert werden.

Wie schlimm ist es?

Das kommt auf die Perspektive an.

Der Image-Schaden für Facebook scheint riesig. Wobei er dies auch schon bei früheren skandalösen Enthüllungen war. Und geändert hat sich daraufhin wenig bis gar nichts.

Bei US-Medien wird das Verhalten von Facebook massiv kritisiert. Die Unternehmensführung sei uneinsichtig.

Für Facebook könnte sich die Schlinge zuziehen. Bislang hat es das US-Unternehmen dank geschicktem Lobbying geschafft, eine (strengere) Regulierung in den USA abzuwenden. Dies könnte sich nun ändern. Wobei zunächst langwierige Untersuchungen zu erwarten sind. Und nicht zuletzt muss wohl der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vor dem Kongress aussagen.

Donald Trump dürfte nicht tangiert sein. Er hat zwar auf die Dienste von Cambridge Analytica gesetzt. Ihm ein juristisch relevantes Verhalten nachzuweisen, dürfte unmöglich sein.

Wie reagiert Mark Zuckerberg?

Der Facebook-Gründer und CEO ist auf Tauchstation.

Sein letzter Facebook-Eintrag datiert vom 2. März. Da veröffentlichte Zuckerberg ein Foto mit seiner Frau, beim Backen.

In Kommentaren ist bereits von Führungsversagen die Rede. Plant der gewiefte Stratege einen Befreiungsschlag?

Die wichtigsten Ereignisse im Zeitverlauf (Chronologie)

16. März 2018

Facebook informiert via Pressroom, dass zwei Firmen sowie zwei Personen wegen Verstössen gegen die Plattform-Richtlinien suspendiert werden. Das heisst, die Betroffenen können nicht mehr auf Facebook und seine Schnittstellen zugreifen.

Suspendiert werden:

  • SCL Group
  • Cambridge Analytica
  • Aleksandr Kogan
  • Christopher Wylie

Einen Tag später wird klar, warum.

17. März 2018

Britische und US-Journalisten berichten exklusiv über die Enthüllungen des Whistleblowers Christopher Wylie, einem ehemaligen Mitarbeiter von Cambridge Analytica.

  • «The Guardian»/«Observer» (Dossier)
  • «The New York Times» (Bericht)

Der brisante Vorwurf: Die Daten von über 50 Millionen Facebook-Usern seien missbräuchlich verwendet worden, um ein Tool zur Beeinflussung von Facebook-Usern zu entwickeln.

In den britischen und US-amerikanischen Medienberichten ist von einem «Data Breach» die Rede, also einem nicht autorisierten Zugriff auf schützenswerte Informationen.

Facebook widerspricht. Es handle sich nicht um eine Panne oder einen Datendiebstahl, der nach dem US-Gesetz meldepflichtig wäre. Vielmehr hätten die Betroffenen bei Facebook einer Dritt-App Zugriff auf persönliche Daten gegeben. Und zwar auf einen Online-Persönlichkeitstest («thisisyourdigitallife») des Psychologie-Professors Aleksandr Kogan aus Cambridge.

Facebook schreibt, man habe die App 2015 entfernt, nachdem man erfahren habe, dass Kogan unerlaubt Facebook-Profil-Daten an Dritte weitergegeben habe. Und zwar an die Firmen SCL Group / Cambridge Analytica und Christopher Wylie.

18. März 2018

Facebook bestätigt gegenüber CNN, dass der Facebook-Mitarbeiter Joseph Cancellor Verbindungen zu Cambridge Analytica hat. Die Angelegenheit werde intern untersucht.

Gleichentags wird bekannt, dass Facebook Wylie suspendiert hat. Der Whistleblower wird nicht nur bei Facebook ausgesperrt, sondern auch bei Instagram und WhatsApp.

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screenshot: twitter
«Der erste grosse Whistleblower der Millennials? Und Facebook trifft ihn da, wo es schmerzt.»
Die britische Journalistin Carole Cadwalladr über Christopher Wylie, der nach seinen Enthüllungen nicht mehr auf Facebook, WhatsApp und Instagram zugreifen kann.

2016

Donald Trump gewinnt die US-Präsidentenwahl. Welchen Einfluss Cambridge Analytica gespielt hat, ist unklar.

2015

Facebook erfährt von der missbräuchlichen Verwendung von User-Daten, unterlässt es aber, angemessen zu reagieren. Zwar wird die Anwendung, über die die Facebook-Profil-Daten abgegriffen wurden, von der Plattform entfernt. Doch verzichtet das Unternehmen darauf, die Betroffenen zu informieren.

2014

Facebook-User melden sich für einen Online-Persönlichkeitstest mit ihrem Facebook-Login an. Damit ermöglichen sie nicht nur den Zugriff auf die eigenen Profil-Daten, sondern willigen ein, dass die Profile der Facebook-Kontakte abgegrast werden.

Das sind die wichtigsten Akteure

Cambridge Analytica

Datenanalyse-Firma. Von der SCL Group gegründet, mit Hauptsitz in New York. Versucht durch Big Data auf die soziale Stellung und politische Einstellung von Individuen zu schliessen, mit dem Ziel sie bei Entscheidungen zu beeinflussen. Der Firmenname rührt von der engen Zusammenarbeit mit Psychometrie-Experten der britischen University of Cambridge.

Geschäftsführer ist Alexander Nix.

Facebook

US-Konzern. Weltgrösstes «soziales» Online-Netzwerk mit 2,1 Milliarden aktiven Nutzern.

Laut «Guardian» war Facebook ab 2014 von einem massiven Datenverlust betroffen. Profil-Daten von über 50 Millionen Usern seien an Dritte weitergegeben und missbräuchlich verwendet worden. Das Unternehmen widerspricht: Die Betroffenen hätten ihre Einwilligung erteilt, indem sie sich mit ihrem Facebook-Login bei der App eines Dritt-Anbieters anmeldeten. Dabei handelt es sich um den Persönlichkeitstest von Aleksandr Kogan.

Global Science Research (GSR)

Firma, die mit Cambridge Analytica kooperiert hat. Gründer und Geschäftsführer ist Aleksandr Kogan.

SCL Elections Ltd

Tochterfirma von Cambridge Analytica. Ging laut «Guardian» eine kommerzielle Vereinbarung mit GSR ein, zwecks Erfassung und Verarbeitung von Facebook-Daten.

SCL Group

Britisch-amerikanisches Unternehmen für Verhaltensforschung und strategische Kommunikation. Ist die Muttergesellschaft von Cambridge Analytica, mit Sitz in Virginia, USA.

Aleksandr Kogan

Psychologie-Professor. Cambridge University. Entwickelte einen Online-Persönlichkeitstest, den hunderttausende Facebook-User absolvierten und damit nicht nur persönliche Daten preisgaben, sondern auch die Daten ihrer Facebook-Freunde.

Kogan hat laut «Guardian» russische Stipendien für Forschungszwecke in Anspruch genommen und besass von Facebook eine Lizenz zum Sammeln von Profildaten, allerdings nur zu Forschungszwecken. Indem er die User-Daten für kommerzielle Zwecke aufsaugte und an Cambridge Analytica und weitere Unternehmen weitergab, verstiess er gegen die Bestimmungen der Social-Media-Plattform und wurde suspendiert.

Christopher Wylie

Whistleblower. Arbeitete für Cambridge Analytica. War bei der Firma Eunoia Technologies angestellt.

Donald Trump

US-Präsident. Setzte im Wahlkampf 2016 auf die Dienste von Cambridge Analytica.

Joseph Cancellor

Wissenschaftler, heute für Facebook tätig. Leitete vorher mit Aleksandr Kogan die Datenanalyse-Firma GSR.

Michal Kosinski

Wissenschaftler, Cambridge University. Experte für Psychometrie. Wurde hierzulande durch einen Ende 2016 im «Magazin» veröffentlichten Artikel bekannt.

Robert Mercer

Hedgefonds-Milliardär und Informatiker. Hat sein Vermögen durch Software gemacht, die mit «Predictive Modeling» die Entwicklung von Aktienkursen prognostiziert. Er ist der Hauptfinancier von Cambridge Analytica. Ehemaliger Geldgeber von Steve Bannon, bis zum Zerwürfnis Anfang 2018.

Steve Bannon

Ex-Berater von Trump. Sass im Verwaltungsrat von Cambridge Analytica und vermittelte die Firma für Trumps Wahlkampf. Ab August 2016 leitete er die Wahlkampagne.

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quelle: epa/epa / ritchie b. tongo
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53 Kommentare
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walsi
19.03.2018 16:58registriert Februar 2016
Wie sagt man so schön, wenn etwas gratis ist, bist wahrscheinlich du das Produkt.
4370
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Zum Kommentar
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NotWhatYouExpect
19.03.2018 16:48registriert April 2017
Und was ist jetzt neu? FB gibt die Daten an Dritte weiter, was bekannt ist und jeder über die AGBs erlaubt.


Wer davon ausgeht, dass die Drittparteien immer sensibel mit seinen Daten umgehen, lebt in einer Traumwelt.

Auch so sehe ich bei uns Kantonen / Bund / Stadt haarsträubende Zustände, wie mit persönlichen Daten umgegangen wird. Verschlüsslung ist bei den Ämtern mehrheitlich ein Fremdwort.
15419
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aglio e olio
19.03.2018 18:38registriert Juli 2017
Die meisten User zucken mit den Schultern, sagen "ich hab ja nichts zu verbergen" und fertig "Skandal".
Die wenigsten haben genug Arsch in der Hose um FB den Rücken zu kehren.
Man könnte ja was verpassen...
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