Aufatmen im Leutschenbach: Das Schweizer Stimmvolk schmettert die No-Billag-Initiative mit fast 72 Prozent Nein-Stimmen ab. Die SRG und ihre 6000 Mitarbeiter sind gerettet – zumindest fürs Erste. Dass die Ruhe nicht lange anhalten dürfte, weiss auch Generaldirektor Gilles Marchand. Noch bevor die letzten Gemeinden ausgezählt waren, hat er gestern Nachmittag deshalb drei drei Reformpakete angekündigt.
Denn die Kritiker der SRG haben noch weitere Pfeile im Köcher:
Als das Parlament letzten Herbst über die No-Billag-Initiative debattierte, pochte die SVP auf einen Gegenvorschlag. Die Radio- und Fernsehgebühren sollten von heute 450 Franken auf «höchstens 200 Franken» gesenkt werden, so der Vorschlag der Fraktion. Allerdings hatten die anderen Parteien kein Gehör dafür – sie versenkten den Vorschlag. Bereits dachte eine Gruppierung um die Zürcher SVP-Exponenten Gregor Rutz und Natalie Rickli laut darüber nach, das Anliegen in Form einer Volksinitiative an die Urne zu tragen. Am Abstimmungssonntag mochte sich jedoch niemand mehr konkret zu den Initiativplänen äussern – man wolle zunächst auf parlamentarischen Weg versuchen, Reformen bei der SRG anzustossen.
Absehbar ist daher, dass es im Parlament ab heute Montag Kürzungsforderungen hageln wird. Das von der SRG angekündigte Sparpaket im Umfang von 100 Millionen Franken reicht vielen Politikern nicht. Wie die Sonntags Zeitung berichtete, wird die BDP einen Vorstoss einreichen, der eine Kürzung des SRG-Budgets (heute: 1.6 Milliarden Franken) um rund 200 Millionen verlangt. Das hiesse, dass die Radio- und TV-Gebühren pro Haushalt von 365 auf 320 Franken gesenkt würden.
Eine Senkung der Gebühren auf 300 Franken will SVP-Nationalrätin Natalie Rickli durchboxen. Wenige Tage vor der Abstimmung hat sie eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Taten statt Worte» eingereicht. Darin beruft sich die Zürcherin direkt auf Medienministerin Doris Leuthard. Diese schrieb in einem Livechat von «20 Minuten», eine Senkung auf 300 Franken in den nächsten fünf Jahren sei «denkbar». Für tiefere Gebühren macht sich auch Preisüberwacher Stefan Meierhans – ein Parteikollege Leuthards – stark. Er will die Medienabgabe für Haushalte in den nächsten vier Jahren schrittweise auf 338 Franken drosseln.
Auch Ricklis Parteikollege Gregor Rutz will sicherstellen, dass die Billag-Thematik nach dem Abstimmungssonntag nicht von der Bildfläche verschwindet. In einer parlamentarischen Initiative fordert er, dass die Unternehmen von den Empfangsgebühren befreit werden. Darauf pochen auch der Gewerbeverband und die FDP. Ohne die Gebühren der Unternehmen gingen der SRG künftig rund 170 Millionen Franken pro Jahr durch die Lappen.
#Abst18 #NoBillag @SRGSSR #Doppelbesteuerung für Unternehmen muss weg - 200 Millionen der Wirtschaft braucht es gar nicht (PDF) https://t.co/p8wRLWNjMg
— sgv-usam (@gewerbeverband) 4. März 2018
Ein Werbeverbot ab halb acht Uhr abends und eine Obergrenze für Werbeeinnahmen: Dies verlangt CVP-Ständerat Beat Vonlanthen in einer Motion, die er laut «Sonntags Zeitung» diese Woche einreichen wird. Bereits vor der Abstimmung hat Vonlanthen in einer Interpellation zahlreiche kritische Fragen zum Thema gestellt – und dem Bundesrat so das Versprechen abgerungen, im Rahmen des neuen Mediengesetzes «weitergehende Werbeverbote» zu prüfen.
Eine massive Reduktion der SRG-Werbung peilen auch die Grünen an. Parteipräsidentin Regula Rytz verlangt in einer Motion einen «schrittweisen Abbau von Werbung bei der gebührenfinanzierten SRG». So sollen die Radiosender der SRG etwa auf Sponsorings verzichten. Eine weitere Forderung der Öko-Partei hat SRG-Generaldirektor Marchand gestern bereits erfüllt: Er kündigte an, abendliche Spielfilme künftig nicht mehr durch Werbeblöcke zu unterbrechen.
Bei einem vollständigen Werbeverbot brächen der SRG über 420 Millionen Franken weg – ein Viertel ihrer heutigen Einnahmen. Wie Rytz festhält, gehen die Grünen jedoch davon aus, dass die Ausfälle auf anderem Weg kompensiert werden.
Bereits jetzt ist klar, dass die Gebühren ab nächstem Jahr auf 365 Franken sinken – das entspricht einer Kürzung um fast einen Fünftel. Anlass dafür ist die Einführung eines neuen Abgabesystems, dem die Stimmbürger vor drei Jahren im Rahmen der RTVG-Revision zugestimmt haben. Im Zuge der Gesetzesänderung hat Medienministerin Leuthard auch beschlossen, der SRG einen Gebührendeckel zu verpassen. Bisher wuchsen die Einnahmen der SRG automatisch mit, wenn die Zahl der Haushalte und Firmen in der Schweiz zunahm. Damit ist künftig Schluss: Maximal 1.2 Milliarden Franken erhält die SRG nach der Plafonierung jährlich noch aus dem Gebührentopf.
Allerdings liess Leuthard an ihrer gestrigen Medienkonferenz auch durchblicken, was sie davon hält, wenn sich die SRG-Gegner nun gegenseitig mit Abspeck-Plänen für die SRG überbieten. Wenn man mit über 71 Prozent Nein-Stimmen verliere, sei dies ein «Absturz», eine «Klatsche», ermahnte sie die Abstimmungsverlierer. Es gehöre sich nicht, nach einer solchen Bruchlandung gleich wieder mit neuen Forderungen an den Bundesrat zu gelangen.