Also ehrlich, liebe Young Boys,
ich weiss nicht, was meinen ansonsten geschätzten Kollegen Toggweiler geritten hat. Hat er euch doch aufgefordert, es noch einmal zu ver... nein, ich werde dieses doofe Verb nicht verwenden! Weil es euch gegenüber unfair ist. Und weil es in dieser Super-League-Saison aus YB-Perspektive nur eine Frage geben kann:
Wann, wenn nicht jetzt?
Ich war wie der Toggi nie ein grosser Fan von euch, mein fussballerisches Herz schlägt seit ich denken kann für den FCZ. Aber eine gewisse Sympathie für Gelb-Schwarz war immer vorhanden. Ich habe mit euch gelitten, wenn ihr es in den letzten 30 Jahren wiederholt auf Slapstick-artige Weise noch ver...geigt habt, nachdem ihr bereits eine Hand oder mehr am Kübel hattet.
Aber jetzt scheint der Ball endlich für euch zu rollen.
Keine Mannschaft spielt ähnlich dominant und stilsicher wie YB. Der Cup-Halbfinal gegen den FC Basel war in dieser Hinsicht eine Offenbarung. Wann wurde Rotblau das letzte Mal von einem heimischen Konkurrenten dermassen an die Wand gespielt?
Und vor allem: Ihr könnt notfalls einen Sieg erzwingen, wie am Samstag – ausgerechnet – beim FCZ. Aus diesem Holz sind Meister geschnitzt.
Ich würde es euch echt gönnen, und das nicht nur wegen eurer Spielweise. Sondern wegen Christoph Spycher, der nun auch als Sportchef beweist, dass er mehr drauf hat als gewöhnliche Balltreter. Und wegen Adi Hütter, der dieses YB aufgebaut hat. Oder wegen Guillaume Hoarau, die coolste Nummer, die mit einer Rückennummer über die hiesigen Fussballplätze trabt. Und wegen Marco Wölfli, dem nach Jahren als Bankdrücker ein märchenhaftes Happy-End winkt.
Man könnte weitere Dinge erwähnen, etwa eure treuen und leidensfähigen Fans, die es verdient hätten, endlich einen Pokal bejubeln zu dürfen. Ich spreche aus Erfahrung, nie werde ich den Moment vergessen, an dem uns Iulian Filipescu in der 93. Minute nach 25 langen Jahren wieder zum Meister gemacht hat. Ich würde euch diese Euphorie von Herzen gönnen.
Dem FC Basel hingegen kann man in seiner derzeitigen Verfassung gar nichts gönnen. Es wäre vielmehr der reinste Hohn, wenn er trotzdem den Titel holen würde. Seine Erfolge in der Champions League sind Augenwischerei, auch die beiden Siege gegen die Teams aus Manchester.
Der FCB kann noch so oft gegen Premier-League-Klubs gewinnen, man wird ihn als Schweizer Klub auf der Insel niemals wirklich ernst nehmen, wenn für den Gegner nichts auf dem Spiel steht.
In der Champions League erhalten die Basler Raum für ihr Tempospiel. In der Super League hingegen macht man ihnen die Räume dicht. Die Ausgabe 2017/18 der Rotblauen kann damit nicht umgehen. Bestes Beispiel dafür ist Dimitri Oberlin. Auf der freien Wildbahn der Champions League kann er mit seinem Speed glänzen. Im Dickicht der Super League wird er zum Irrläufer.
Am Sonntag hat der FCB gegen Sion den ersten Heimsieg 2018 gefeiert, dank freundlicher Mithilfe des gegnerischen Goalies. Der arrogant gewordene Serienmeister hätte es verdient, sogar die CL-Quali zu verpassen. Aber sicher nicht, dass die Fussballgötter für ihn «Punkte regnen lassen».
Überhaupt, die griechische Mythologie. Odysseus «verdankte» seine Irrfahrt höherer Gewalt. Der Meeresgott Poseidon hatte ihn dazu verdonnert, nachdem der listenreiche Grieche dessen Sohn, den einäugigen Riesen Polyphem, aufs Kreuz gelegt und abgemurkst hatte. Was habt ihr Young Boys verbrochen, dass die Götter euch dermassen strafen sollten?
Ich zähle auf euch, dass ihr es dieses Mal nicht ver...bockt. Nach der Nati-Pause kommt der FCB zum «Gipfeltreffen» ins Stade de Suisse. Dann könnt ihr ihm ein für allemal den Meister zeigen. Falls es jedoch wieder schief geht, ist euch nicht mehr zu helfen.
PS: Ich gebe zu, ganz uneigennützig ist mein Mitfiebern nicht. Ich gehe davon aus, dass der Meistertitel euch dermassen ins Delirium versetzen wird, dass der FCZ sich eine Woche später den Cup krallen wird ;-)