Blogs
Schweiz

Diese Versäumnisse können den Erfolg eines Buches sabotieren

Le succès d'un livre n'est pas uniquement dû à son auteur, loin de là.
Nicolas Feuz, 1971 in Neuenburg geboren, ist Autor von 20 Kriminalromanen.bild: Keystone / Unsplash, montage watson
Röstibrücke

Diese Versäumnisse können den Erfolg eines Buches sabotieren

Hinter jedem Buch, das in der Buchhandlung erscheint, steht eine Armee unsichtbarer Fachleute, deren Arbeit über das Schicksal eines Werks entscheiden kann. Ihre Rolle wird oft unterschätzt, ist jedoch in jeder Phase von entscheidender Bedeutung. Ein Einblick in die Schattenwelt der Literatur.
23.11.2025, 11:4423.11.2025, 11:44
nicolas feuz

Seit ich in der Literaturszene angekommen bin – 2013 zuerst als selbstverlegender Autor, ab 2018 dann als Autor in einem Verlag –, hatte ich das Glück, im Laufe der Monate und Jahre einige wichtige Informationen über die verschiedenen Berufe in der Buchbranche zu erfahren.

Sie ein wenig zu kennen und zu respektieren, kann zum Erfolg eines Buches beitragen. Aber wie mir ein grosser Pariser Verleger einmal sagte, gibt es kein Rezept für den Erfolg – sonst würde es jeder anwenden.

Röstibrücke
Jeden Sonntagmorgen lädt watson Persönlichkeiten aus der Romandie ein, um aktuelle Ereignisse zu kommentieren oder ein Thema ins Licht zu rücken, das sonst zu wenig Beachtung findet.

Mit dabei: Nicolas Feuz (Schriftsteller), Anne Challandes (Schweizer Bauernverband), Roger Nordmann (Berater, ehem. SP-Nationalrat), Damien Cottier (FDP), Céline Weber (GLP), Karin Perraudin (Groupe Mutuel, ehem. CVP), Samuel Bendahan (SP), Claude Ansermoz (ehemaliger Chefredaktor von «24 Heures»), Ivan Slatkine (Präsident der FER) und die QoQa-Otte.

Die sichtbare Spitze des Eisbergs

Man kann jedoch versuchen, die Chancen auf seiner Seite zu maximieren, denn wenn die Anerkennung aller Berufe der Buchkette zum Erfolg eines Buches beitragen kann, kann ihre Vernachlässigung umgekehrt ein Projekt bereits im Keim ersticken.

Die breite Öffentlichkeit sieht in der Regel nur die Spitze des Eisbergs, ist sich jedoch bewusst, dass dahinter ein Autor und ein Verleger stehen. Diese sichtbare Spitze ist das Ende der Kette: das Buch als Objekt in Buchhandlungen und anderen Verkaufsstellen. Mit ihren Empfehlungen und manchmal auch ihren Favoriten bleiben Buchhändler die wichtigsten Einflussnehmer in Sachen Bücher.

Und wenn es wichtig ist, physisch die Türen einer Buchhandlung zu durchschreiten, dann gerade deshalb, weil der Online-Verkauf niemals die Beratung durch Buchhändler ersetzen kann. Der Online-Verkauf beschränkt die Käufer leider allzu oft auf das Ghetto eines sterilen kommerziellen Marketings und hält sie von Perlen fern, die den Bestsellern, die durch Werbekampagnen – etwa durch bezahlte Online-Influencer – geformt werden, in nichts nachstehen.

Neben den Buchhändlern gehören auch die Mundpropaganda der Leserinnen und Leser, die Medien, insbesondere Fachzeitschriften und -kolumnen, unabhängige (und damit unvoreingenommene) Blogger sowie alle anderen öffentlichen Kommunikationskanäle rund um das Buch zur sichtbaren Spitze des Eisbergs.

Ein oft vergessenes Glied der Kette

Der unter Wasser liegende Teil des Eisbergs erfordert einen kurzen Blick auf die Entstehungskette eines Buches. Zwischen dem Autor und dem Verleger stehen manchmal Beta-Leser oder sogar Korrektoren der ersten Stunde, also Personen, die vom Autor privat beauftragt wurden, seinen Text vor dem Versand an den Verlag Korrektur zu lesen.

Der Verleger arbeitet dann selbst mit einer Vielzahl unterschiedlicher Fachleute zusammen, darunter Korrektoren, Typografen, Illustratoren, Grafiker, Pressesprecher, Buchhändler, Blogger und viele andere, bevor er den Entwurf des Buches an die Druckerei schickt und das Buch dann dem Verlag und dem Vertrieb anvertraut.

Und wenn es ein wichtiges Glied in der Buchkette gibt, das der breiten Öffentlichkeit oft unbekannt ist und dessen Bedeutung manchmal sogar von Autoren und Verlegern übersehen wird, dann ist es die Arbeit des Vertriebspartners und des Lieferanten.

Der Vertriebspartner ist für den Verkauf verantwortlich und stellt die Verbindung zwischen Verlag und Buchhändlern her. Er arbeitet über Teams von Vertretern, die ein Land oder eine Region bereisen, um Buchhandlungen und andere Verkaufsstellen zu akquirieren, das Buch den Buchhändlern vorzustellen und deren Vorbestellungen zu erfassen. Der Lieferant lagert das Buch in seinen Lagern und sorgt für die Logistik, damit das Buch physisch von der Druckerei zum Buchhändler gelangt.

Eine unverzichtbare physische Präsenz

In der Westschweiz wie auch in Frankreich unternimmt ein Vertriebsmitarbeiter in der Regel zweimonatige Touren. So wird er beispielsweise während seiner Tour im Oktober und November den Buchhändlern die Bücher vorstellen, die im Januar und Februar des folgenden Jahres erscheinen werden. Und so weiter.

In der Westschweiz wird ein Vertreter während seiner zweimonatigen Tour im Durchschnitt zwischen 60 und 70 Buchhandlungen oder andere Verkaufsstellen besuchen und dabei zwischen 50'000 und 60'000 Kilometer pro Jahr zurücklegen. Die Bedeutung des Einsatzes vor Ort ist entscheidend, denn eine Vorstellung des Katalogs per Videokonferenz (oder schlimmer noch, per Telefon) hat niemals die gleiche Wirkung wie eine persönliche Präsentation in der Buchhandlung. Eine Präsenz vor Ort kann die Vorbestellungen eines aus der Ferne vorgestellten Buches leicht verdoppeln oder sogar verdreifachen.

Autor und Verlag müssen sich unbedingt der entscheidenden Bedeutung der Arbeit der Vertreter, der Planung ihrer Touren sowie der Termine und Fristen, die diese Arbeit mit sich bringt, bewusst werden. Tun sie dies nicht, laufen Autor und Verlag schlichtweg Gefahr, das Buch, das erscheinen soll, zu gefährden.

Verkaufszahlen könnten um das Zehnfache sinken

So nimmt zum Beispiel ein Verleger, der selbst (manchmal unter dem Druck eines Autors) entscheidet, die Veröffentlichung eines Buches spät anzukündigen oder auch vorzuverlegen, das grosse Risiko in Kauf, dass das Buch den Buchhändlern nicht korrekt präsentiert werden kann. Handelt es sich um einen sehr bekannten Autor, mag die Auswirkung relativ gering sein. In allen anderen Fällen kann der Verlag beziehungsweise der Autor, der diese Entscheidung getroffen hat, sich später nicht beim Vertriebspartner über den kommerziellen Misserfolg seines Buches beklagen.

Beispielsweise haben sich bei einigen Büchern, die dem Vertrieb vom Verlag verspätet vorgelegt wurden oder deren Veröffentlichung vom Verlag ohne Rücksicht auf die Anforderungen des Vertriebspartners vorverlegt wurde, die Verkaufszahlen um das Zehnfache reduziert. Verkaufszahlen, die man vernünftigerweise hätte erwarten können, wenn der Vertreiber über die erforderliche Zeit und die notwendigen Voraussetzungen verfügt hätte, um seine Arbeit ordnungsgemäss auszuführen.

Die Bedeutung von persönlichen Favoriten

Verlage und Autoren sind sich manchmal nicht bewusst, dass die Vertreter des Vertriebspartners auch frühe Leser sind – noch vor den Buchhändlern – und dass einige Vertreter während ihrer Touren mit ihren ganz eigenen Favoriten zu den Buchhandlungen kommen. Vertreter haben daher auch einen grossen Einfluss, der nicht zu unterschätzen ist. So kann beispielsweise die Empfehlung eines Vertreters manchmal dazu führen, dass die Vorbestellung eines einzelnen Buchhändlers von 3 auf 30 Exemplare steigt.

Ja, es steht also fest: Das Vernachlässigen der Arbeit des Vertriebspartners seitens eines Verlags oder eines Autors kann ein Buch zum Scheitern verurteilen. Wie auch viele andere zu vermeidende Praktiken, von denen ich im Folgenden nur eine beispielhafte Liste geben kann:

  • Ein Buchhändler, der die Vertreter des Vertriebspartners nicht empfangen möchte, läuft Gefahr, neue Titel zu verpassen, nur die „bewährten Bestseller“ aus dem Katalog zu bestellen und damit Erstautoren nur geringe Chancen zu lassen.
  • Ein Verlag (leider immer häufiger und letztlich eine schlechte Renditekalkulation), der systematisch die Zusendungen von gedruckten Pressetexten an Buchhändler, Journalisten und Blogger durch einfache PDF-Dateien per E-Mail ersetzt, reduziert die Chancen, dass das Buch von denen, die es später weiterempfehlen könnten, vorab gelesen wird, auf die Hälfte oder sogar auf ein Drittel. Viele von ihnen weigern sich, ein Buch im PDF-Format zu lesen, und werden es daher mangels Kenntnis auch nicht weiterempfehlen.
  • Ein Verlag oder Autor, der die Vorabveröffentlichung eines Buches in einer Buchhandlung zum Nachteil anderer organisiert, die es erst einige Tage später über den Lieferanten am Tag der offiziellen Veröffentlichung erhalten würden, geht das Risiko ein, wichtige Buchhändler oder Buchhandelsgruppen zu verärgern und damit zu erreichen, dass das Buch nur noch in der Form eines einzigen Exemplars ins Regal gestellt wird oder sogar schlicht «boykottiert» wird, weil man sich nicht an faire Wettbewerbsregeln gehalten hat. (Schweizer und auch französische Vertriebspartner weigern sich übrigens mit gutem Grund, eine Buchhandlung vorab zu beliefern. Wenn der Verlag oder Autor dies nun eigenmächtig aus eigenem Lagerbestand tut, wird es unweigerlich bekannt werden, denn die Buchbranche ist klein.)
  • In ähnlicher Weise können «private» Verkäufe (d. h. solche, die ausserhalb des offiziellen Vertriebswegs über Grosshändler, Händler und Buchhandlungen stattfinden) zu demselben Ergebnis führen. Obwohl sie in bestimmten Situationen manchmal unvermeidbar sind, zum Beispiel wenn eine Veranstaltung in einer Bibliothek, Mediathek, Schule, einem Verein oder Unternehmen ohne logistische Unterstützung einer Buchhandlung organisiert wird, sollte die Werbung für das Ereignis niemals auf einen Verkauf von Büchern zu günstigeren Preisen als im Buchhandel hinweisen.
  • Ebenso kann sich ein Autor, der auf seinen sozialen Netzwerken für die Internetplattform eines grossen Online-Handelskonzerns wirbt, den ich nicht namentlich nennen werde, den aber jeder leicht identifizieren kann, später nicht darüber beschweren, dass dies seine Beziehungen zu den Buchhändlern beeinträchtigt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar kein Patentrezept für den Erfolg gibt, aber dennoch einige Tricks, um das Gegenteil zu vermeiden. An erster Stelle steht, sich für die anderen Berufe in der Kette zu interessieren, zu versuchen, sie zu verstehen, sie zu respektieren und sich bewusst zu machen, dass in jeder Kette ein einziges fehlendes Glied – selbst wenn es im Hintergrund arbeitet – den gesamten Mechanismus zum Stillstand bringen kann.

Nicolas Feuz ist ...
... von Haus aus Jurist. Von 1999 bis 2010 war er Untersuchungsrichter, anschliessend wurde er Staatsanwalt des Kantons Neuenburg – ein Amt, das er seit 2011 bis heute innehat, mit Spezialisierung auf die Bekämpfung des Drogenhandels. Seit 2010 schreibt er parallel dazu Kriminalromane – sowohl für Erwachsene als auch für Jugendliche.
infobox image
bild: Rosie&Wolfe
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
2 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
2
Haus in Maladers GR wegen Erdrutsch teilweise verschüttet
Bei einem Erdrutsch in Maladers GR in der Nähe von Chur ist am Samstagabend ein Haus teilweise verschüttet worden. Verletzt wurde niemand, wie die Stadtpolizei Chur mitteilte.
Der Erdrutsch habe sich im Hang hinter dem Haus gelöst und dieses erfasst, schrieb die Stadtpolizei. Die Meldung dazu sei kurz nach 21.30 Uhr eingegangen.
Zur Story