Schweizer Autoren ruinieren sich – wenn sie diesen Fehler machen
Am Ende meiner ersten Kolumne vom 15. Juni 2025 stand eine Anschlussfrage: Sind die Gewinnspannen im Selfpublishing höher? Hier bietet sich also die Gelegenheit, Selfpublishing dem klassischen Verlagsmodell gegenüberzustellen. Ich bin dafür nicht schlecht aufgestellt: 2013 habe ich im Selfpublishing begonnen, 2018 bin ich dann zum klassischen Verlag gewechselt. Und mehrere meiner Bücher gehören bis heute zur ersten Kategorie.
Vorab sei daran erinnert, dass es zwischen klassischer Verlagsveröffentlichung und Selfpublishing eine hybride Kategorie gibt: die Veröffentlichung auf eigene Kosten, also im Zuschussverlag (auch Druckkostenzuschussverlag). Diese ist weder mit der einen noch mit der anderen der genannten Formen zu verwechseln. Worin unterscheiden sie sich, und wie erkennt man sie? Hier kann ich nur eine beispielhafte, nicht abschliessende Liste liefern.
Röstibrücke
Jeden Sonntagmorgen lädt watson Persönlichkeiten aus der Romandie ein, um aktuelle Ereignisse zu kommentieren oder ein Thema ins Licht zu rücken, das sonst zu wenig Beachtung findet.
Mit dabei: Nicolas Feuz (Schriftsteller), Anne Challandes (Schweizer Bauernverband), Roger Nordmann (Berater, ehem. SP-Nationalrat), Damien Cottier (FDP), Céline Weber (GLP), Karin Perraudin (Groupe Mutuel, ehem. CVP), Samuel Bendahan (SP) und die QoQa-Otte.
Die traditionelle Verlagsveröffentlichung – manchmal auch als Veröffentlichung auf Verlagskosten bezeichnet – ist jene, bei der der Verlag sämtliche Aufgaben und das volle Risiko trägt: vom Lektorat durch eine professionelle Redaktion bis zur Übergabe an Auslieferung/Vertrieb, die das Buch dem Buchhandel präsentiert und dafür sorgt, dass es in den Verkaufsstellen erhältlich ist. Dazwischen laufen Text und Daten selbstverständlich durchs Korrektorat, in den Satz und schliesslich in den Druck. Ein zentrales Erkennungsmerkmal eines klassischen Verlags: Er beteiligt Autorinnen und Autoren nie am Risiko. Insbesondere verlangt er weder eine finanzielle Beteiligung noch die Verpflichtung, auf eigene Rechnung eine bestimmte Anzahl Exemplare abzunehmen.
Die Veröffentlichung auf eigene Kosten bezeichne ich oft als Falle für Autorinnen und Autoren. Ich rate grundsätzlich davon ab und empfehle jenen, die keinen klassischen Verlag finden, stattdessen Selfpublishing. Woran erkennt man einen Zuschussverlag? Mehrere Warnsignale sollten misstrauisch machen. Zum Beispiel, wenn ein Text in extrem kurzer Zeit angenommen wird – mitunter schon zwei oder drei Tage nach Eingang des Manuskripts per E-Mail.
Der Vertrag sieht dann eine finanzielle Beteiligung der Autorin oder des Autors vor – oft zwei- oder dreitausend Euro, mitunter mehr – für eine Auflage von nur ein paar hundert Exemplaren. Oder, falls keine direkte Zahlung verlangt wird, die feste Verpflichtung, auf eigene Rechnung eine bestimmte Zahl Bücher abzunehmen. Ein klassischer Verlag würde so etwas nie verlangen. Zudem greifen solche Verlage am Text kaum oder gar nicht ein – es sind eben keine echten Verlage. Auch bei Korrektorat und Satz gibt es meist nur das Nötigste, der Kosten wegen.
Die tückische Falle beim Zuschussverlag liegt vor allem darin, dass die Bücher gar nicht oder nur unzureichend in den Buchhandel gelangen. In den meisten Fällen gibt es weder Auslieferung noch professionellen Vertrieb, sondern lediglich eine Listung im System der Buchhandlungen, über die diese das Buch bestellen können. Diese Bestellungen sind jedoch in der Regel Festbestellungen ohne Remissionsrecht für nicht verkaufte Exemplare – und genau da liegt der Haken.
Was man dabei nicht sagt: Grundsätzlich bestellt keine Buchhandlung Ware für ihre Regale, wenn es kein Remissionsrecht für nicht verkaufte Exemplare gibt. Die Folge: Buchhandlungen bestellen höchstens einzelne Exemplare, und auch das nur, wenn eine Kundin oder ein Kunde das Buch ausdrücklich bestellt. Es gibt keine Stapel auf den Tischen zum Erscheinungstag, oft nicht einmal ein Exemplar im Regal. Am Ende werden die allermeisten Autorinnen und Autoren, die einen Vertrag mit einem Zuschussverlag unterschrieben haben, die bei der Unterzeichnung angefallenen Kosten nicht wieder hereinholen.
Autorinnen und Autoren, die keinen klassischen Verlag finden, rate ich immer: Finger weg vom Zuschussverlag und lieber auf Selfpublishing setzen – das ist deutlich weniger riskant und viel rentabler, vorausgesetzt, man kann seine Bücher verkaufen. Im Selfpublishing lässt sich die Auflage frei wählen und das Risiko kalkulieren. Die Gewinnmargen sind attraktiv, oft über 50 Prozent des Verkaufspreises, wenn man weiss, wie man’s anstellt.
Zuerst steht die Wahl der Selfpublishing-Plattform. Sie ähnelt einer Druckerei, bietet aber Zusatzleistungen wie die Umwandlung des gedruckten Buchs ins E-Book und den Online-Verkauf. Solche Plattformen ermöglichen insbesondere Print-on-Demand: Einzelexemplare für Leserinnen und Leser sowie grössere Mengen für die Autorin oder den Autor. Klar ist: Je höher die Bestellmenge, desto grösser der Rabatt pro Exemplar. Eine Schweizer Druckerei punktet womöglich mit Qualität und spart Porto sowie Zollabgaben. Doch selbst wenn man diese Gebühren zu Material- und Arbeitskosten hinzurechnet, können Schweizer Druckereien preislich leider nicht mit ausländischen Anbietern mithalten – ob in Frankreich oder, wenn es um Tiefpreise im Buchdruck geht, in osteuropäischen Ländern.
Selfpublishing bietet zudem völlige Freiheit bei allen Veröffentlichungsentscheidungen. Der Preis dieser Freiheit: Man macht alles selbst, von A bis Z – das Layout, die Wahl von Schriftart und -grösse, Zeilenabstand und Rändern, alles entscheidend für gute Lesbarkeit. Auch das Cover will gewählt werden, ebenso der Buchrücken und die Rückseite.
Selfpublishing-Plattformen stellen relativ leicht zugängliche Vorlagen bereit. Und man darf nicht vergessen: Bei der Vermarktung eines Buchs zählt leider nicht in erster Linie die Qualität des Textes. Leserinnen und Leser, die einen nicht kennen, lässt zuerst das Cover zugreifen, danach der Rückseitentext (Klappentext) und erst dann das Innenlayout. Wenn eines dieser entscheidenden Elemente holpert, wird das Buch wieder hingelegt – und der eigene Text wird am Ende nie entdeckt.
Für den Text ist es wichtig, sich Beta-Leserinnen und -Leser sowie Korrektorinnen und Korrektoren ins Boot zu holen. Es gibt entsprechende Angebote, meist gegen Honorar. Man sollte sich bewusst sein: Autorinnen und Autoren haben nicht die nötige Distanz, um Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten im eigenen Text zuverlässig zu erkennen. Und selbst wer Orthografie und Grammatik im Griff hat, wird, wenn er oder sie allein Korrektur liest, in einem 300-Seiten-Text nie alle Tippfehler erwischen.
Zum Schluss: Ist das Buch einmal gedruckt, muss es unter die Leute und man muss auf sich aufmerksam machen. Die grösste Hürde im Selfpublishing liegt oft im sehr engen geografischen Radius. Denn Autorinnen und Autoren müssen ihre Bücher in Buchhandlungen deponieren, in der Regel auf Kommission mit Remissionsrecht. Und wenn man nicht sein Leben damit verbringen will, mit dem Auto durchs Land zu tingeln, bleibt der Aktionsradius meist auf die eigene Region rund um den Wohnort beschränkt. Natürlich gibt es die Post. Doch die Versandkosten für Pakete an Buchhandlungen, zusammen mit allen übrigen Vorlaufkosten, führen am Ende oft dazu, dass man seine Bücher unterm Strich mit Verlust verkauft.
Bei der Promotion gibt es keine Wunder. Soziale Netzwerke können helfen, man sollte ihre Wirkung aber nicht überschätzen. Lesegruppen sind voll von Selfpublishern, die ihre Bücher anpreisen und sich mit zu viel Eigenwerbung bisweilen selbst unglaubwürdig machen. Und der Zugang zu klassischen Medien – die trotz ausgedünnter Literaturseiten noch immer am stärksten Kaufimpulse setzen – bleibt für Selfpublisher in den allermeisten Fällen verschlossen. Zumal er schon für viele Autorinnen und Autoren in traditionellen Verlagen alles andere als einfach ist.
Oft werde ich gefragt:
Darauf habe ich drei Antworten. Erstens: Ich hatte seit zehn Jahren eine gewisse Medienpräsenz als Staatsanwalt. Als ich dann im Selfpublishing veröffentlichte, interessierten sich die Medien sofort für meine Bücher. Zweitens: Ich hatte das Glück, dass mir ein professioneller Buchvertrieb seine Dienste anbot. Ich bin also ein etwas hybrider Selfpublisher, der klassisch in Buchhandlungen und bei Grossverteilern ausgeliefert wird. Allerdings arbeiten Auslieferungen und Vertriebe in der Regel nicht mit Selfpublishern zusammen und machen nur sehr selten Ausnahmen.
Drittens: das Rätsel des Hypes. Warum hat die eine Autorin oder der eine Autor Erfolg, die oder der andere nicht? Darauf gibt es keine Antwort. Sonst würden alle Verlage und Selfpublisher einfach das Erfolgsrezept anwenden. Erfolg hängt zudem oft nicht allein an der Qualität des Werks. Mitunter entscheidet die Marktmacht eines Verlags oder der Umstand, dass ein Kreis bekannter Autorinnen und Autoren ein bestimmtes Genre bereits besetzt. Und eine Regel wird allzu oft vergessen: Die allermeisten Leserinnen und Leser lesen nur zwei oder drei Bücher pro Jahr – und greifen dann fast automatisch zu den Bestsellern ihres bevorzugten Genres.
Zum Schluss würde ich heute – mit etwas Abstand und Kenntnis der verschiedenen Modelle – sagen: Lässt man den strikt zu meidenden Zuschussverlag aussen vor, haben beide Wege Vor- und Nachteile. Im klassischen Verlag sind die finanziellen Margen und die Freiheit zwar geringer als im Selfpublishing. Dafür punktet Ersterer mit professionellem Lektorat und echter Auslieferung/Vertrieb, mit klarer flächendeckender Reichweite und mit höherer Glaubwürdigkeit bei Buchhändlerinnen und Buchhändlern.
Im Gegenteil: Es wäre falsch zu behaupten, Selfpublisher seien schlechter als Autorinnen und Autoren im Verlagswesen. In beiden Lagern gibt es hervorragende und weniger gelungene Texte. Das Phänomen des Hypes gibt es ebenfalls in beiden. Man erinnert sich etwa daran, dass Agnès Martin-Lugand im Selfpublishing begonnen hat und dass Bücher wie «Fifty Shades of Grey» oder «Wenn sie wüsste» – über deren literarische Qualität man denken kann, was man will – zu unbestreitbaren Welterfolgen wurden und ebenfalls als Selbstveröffentlichungen gestartet sind.