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Facebook Jahresrückblick 2018

Facebook CEO Mark Zuckerberg arrives on Capitol Hill in Washington, Monday, April 9, 2018, to meet with Sen. Dianne Feinstein, D-Calif., the ranking member of the Senate Judiciary Committee. Zuckerber ...
Mark Zuckerberg. Milliardär. Besonderes Kennzeichen: Heuchler.Bild: AP
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Facebooks rabenschwarzes Jahr in Bildern (Spoiler: 2019 wird's nicht besser)

22.12.2018, 13:3222.12.2018, 14:10
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Ausgerechnet ein technikbegeisterter Senior erteilte Facebook einen der letzten Nackenschläge des Jahres: Walt Mossberg, Ikone des US-Tech-Journalismus, kündigte an, dass er sein Konto deaktivieren werde.

«Ich habe mich entschieden, Facebook und den Facebook Messenger zum Jahresende zu deaktivieren. (…) Ich werde die Apps von meinen Geräten löschen. Und habe bereits das zu Facebook gehörende Instagram aufgegeben und die App gelöscht.»
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Und WhatsApp habe er gar nie genutzt, liess Mossberg auf die Frage eines Twitter-Users verlauten.

Mossbergs Facebook-Exodus sei deshalb so denkwürdig, weil es im Tech-Journalismus kaum eine gewichtigere Stimme gebe als den Reporter-Veteranen, der mit Steve Jobs befreundet war und so gut im Silicon Valley vernetzt sei wie wohl kaum ein anderer Journalist, kommentiert Meedia.de.

Und bei Twitter, wo Mossberg weiter präsent bleibe, erklärten andere bekannte Namen, warum das weltgrösste Social Network für sie dieses Jahr ebenfalls gestorben ist.

2018 – das rabenschwarze Jahr im Rückblick

2018 war das Jahr, in dem die Teflon-Schicht von Facebook und Mark Zuckerberg abfiel.

In der Vergangenheit schien es oft, als würden Probleme am weltgrössten Social-Media-Unternehmen schlicht abperlen, ganz egal, wie schlimm sie auch sein mögen. Ob massive Kritik von Datenschützern oder die Unfähigkeit, die Nutzer vor Hassreden oder Meinungsmanipulation zu schützen.

Klar gab es Ärger, aber die Mitglieder wurden immer mehr, das Anzeigen-Geschäft wuchs rasant. Das Jahr 2017, in dem sich Facebook entschuldigen musste für russische Propaganda-Kampagnen im Zuge der US-Präsidentenwahl, die Donald Trump ins Weisse Haus brachte, wirkte wie eine abgeschlossene Episode. Stattdessen musste sich Facebook-Gründer Zuckerberg 2018 noch unzählige Male mehr entschuldigen. Und auch andere Topmanager traf es.

FILE - In this Jan. 17, 2017, file photo, Chief Operating Officer of Facebook, Sheryl Sandberg, delivers a speech during the visit of a start-up companies gathering at Paris' Station F in Paris.  ...
Sheryl Sandberg. Beruf: Chief Operating Officer von Facebook. Besonderes Kennzeichen: Heuchlerin. Bild: AP

Anfang des Jahres versuchte Facebook, die Initiative zurückzugewinnen. Zuckerberg kündigte im Januar überraschend an, dass die Nutzer künftig mehr Beiträge von Freunden im Facebook-Newsfeed zu sehen bekommen – und weniger von Facebook-Seiten, denen man folgt.

So sei das besser für das Wohlbefinden. Der Schritt werde nicht nur den Konsum von Katzenvideos (jedenfalls mit einem Nutzer nicht persönlich bekannten Tieren) senken, sondern wohl auch einen Teil der Medieninhalte etwas aus dem Blickfeld rücken, räumte Facebook ein.

Es wirkte wie ein Befreiungsschlag, um dem Schlamassel mit dem US-Präsidentschaftswahlkampf zu entkommen: Weniger Platz für Politik bedeutet auch weniger Gefahr, dass nächstes Mal wieder gefälschte Propaganda-Accounts ihr Unwesen treiben.

FILE- In this May 29, 2018, file photo George Soros, Founder and Chairman of the Open Society Foundations listens to the conference after his speech entitled "How to save the European Union" ...
George Soros. Milliardär. Philanthrop. Weil er Facebook kritisierte, liess ihn das Unternehmen aufs Korn nehmen. Bild: AP

Nach all den Jahren, in denen Facebook alles und jeden – Unternehmen, Medien, Influencer, Videofilmer – auf die Plattform zu locken versuchte, wirkte das wie ein Kurswechsel. Und Zuckerberg sagte der «New York Times»: 

«Es ist wichtig für mich, dass wenn Max und August aufwachsen, sie das Gefühl haben, dass das, was ihr Vater aufgebaut hat, gut für die Welt war.»
Mark Zuckerberg

Noch nie hatte der manchmal etwas emotionslos wirkende Milliardär so offen gezeigt, dass er sich um sein Vermächtnis – auch in den Augen seiner Kinder – sorgt.

Erst sah es danach aus, als wäre der Sturm wieder einmal an Facebook vorbeigezogen – und dann kam der Fall Cambridge Analytica ans Licht.

Auf den ersten Blick war es nicht einmal der schlimmste Datenschutz-Fehltritt, den sich Facebook in all den Jahren geleistet hatte. Ein Cambridge-Professor hatte bei Facebook eine Umfrage-App veröffentlicht, mit der Persönlichkeits-Merkmale ermittelt werden konnten.

epa06636375 Cambridge Analytica whistleblower Chris Wylie (C) leaves a Fair Vote rally in London, Britain 29 March 2018. Cambridge Analytica is accused of using the personal data of 50 million Faceboo ...
Chris Wylie. Beruf: Datenanalyst/Programmierer. Whistleblower.Bild: EPA

Spielerei auf den ersten Blick, Daten für Forschung – oder mögliche Manipulation – auf den zweiten. Er hatte dabei Zugriff nicht nur auf die Daten der rund 300'000 Nutzer, die die Umfrage ausfüllten – sondern auch auf einige Grundinformationen ihrer Facebook-Freunde, also auf «Freunde von Freunden». Damit ging es um Dutzende Millionen. Das war auch erlaubt, so funktionierte die Plattform damals, bis Facebook den Zugang zu den Daten von Freunden 2014 schloss.

Regelwidrig war für den App-Entwickler hingegen, die Daten an Cambridge Analytica weiterzugeben. Besonders brisant machte den Fall auch, dass die Datenanalysefirma später für Trumps Wahlkampfteam arbeitete.

Entsprechend weitete sich der eigentlich Jahre zurückliegende Fall zu einem Skandal aus. Dass Facebook seit Ende 2015 von dem Datenmissbrauch wusste, aber sich mit der Zusicherung zufrieden gab, dass die Informationen gelöscht worden seien, goss noch Öl ins Feuer.

BILDPAKET -- ZUM JAHRESRUECKBLICK 2018 PEOPLE, STELLEN WIR IHNEN HEUTE FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG -- Facebook CEO Mark Zuckerberg arrives to testify before a joint hearing of the Commerce a ...
Zuckerberg bei einer Anhörung am 10. April in Washington D.C.Bild: AP

Zuckerberg wurde vor den US-Kongress zitiert und dort insgesamt zehn Stunden lang gegrillt. Der Ton war nicht freundlich. So beschloss Senator Dick Durbin, den Wert von Privatsphäre am Facebook-Chef persönlich zu demonstrieren. «Mister Zuckerberg, würden Sie sich wohl damit fühlen, uns mitzuteilen, in welchem Hotel Sie die vergangene Nacht verbracht haben?», fragte der 73-jährige Demokrat in der Anhörung.

Nein, Zuckerberg war nicht wohl dabei. «Um... Äh...», entgegnete der verblüffte Tech-Milliardär und quittierte die Frage vorsichtig lächelnd mit einem «Nein».

Nachdem er auch nicht berichten wollte, wem er diese Woche Kurzmitteilungen geschrieben hat, resümierte Durbin süffisant: «Ich denke, das zeigt, warum es hier eigentlich geht.»

Zuckerberg entschuldigte sich viel auf dem Capitol Hill. Und danach auch vor dem Europaparlament sowie in Blogeinträgen und Medieninterviews. Wenige Monate später musste er aufgebrachte Gemüter beruhigen, nachdem Hacker sich Zugriff zu Profilen von 30 Millionen Nutzern verschafften. Und sich rechtfertigen, nachdem bekannt wurde, dass Facebook eine PR-Firma engagierte, um die Glaubwürdigkeit von Kritikern zu untergraben. Zuckerberg erklärte, er habe davon erst aus einem Bericht der «New York Times» erfahren.

epa07170186 Facebook employees (R) talk with visitors at the Facebook pop-up store in Cologne, Germany, 16 November 2018. The shop is open for customers from 16 to 17 November 2018. Visitors will have ...
16. November 2018: PR-Aktion mit Facebook-Angestellten in Köln.Bild: EPA

Damit nicht genug, wurden im Dezember auch noch weitere fragwürdige Daten-Deals zwischen Facebook und anderen Tech-Konzernen wie Apple und Microsoft publik. Und von Spotify erfuhren wir, dass die Betreiber des Musik-Streamingdienstes Zugriff auf private Facebook-Nachrichten hatten.

Inzwischen belasten die Probleme auch das Geschäft. In Europa verlor Facebook in zwei Quartalen in Folge jeweils eine Millionen Nutzer und hat hier noch 375 Millionen mindestens einmal im Monat aktive Mitglieder.

Aber auch insgesamt steht Facebook ein Umbruch in seinem Werbegeschäft bevor, der die jahrelang auf Hochtouren laufende Geldmaschine des Online-Netzwerks abbremsen wird. Die Mitglieder teilen ihre Beiträge verstärkt im kleineren Freundeskreis statt im Newsfeed, der bisher das Herzstück der Facebook-Nutzung war.

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Ende November gab es noch eine Anhörung. In Grossbritannien. Zuckerberg liess sich vertreten. Bild: AP/House of Commons

Das Problem für das Online-Netzwerk: Aktuell kommen die Milliardengewinne fast ausschliesslich aus dem Newsfeed, der viel Platz für Anzeigen bietet. Beim Geldverdienen in seinen Chatdiensten WhatsApp und Messenger sowie den neuen Formaten auf der Facebook-Plattform steht die Firma dagegen erst am Anfang.

Sicher ist: 2019 wird Facebook nicht zur Ruhe kommen. Es wird das Jahr, in dem der an sich werbefreie Smartphone-Messenger WhatsApp Reklame einführen will.

Und bis zum nächsten Facebook-Datenskandal ist es nur eine Frage der Zeit.

(dsc/awp/sda/dpa)

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10 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
22.12.2018 14:41registriert Juni 2016
Ich erinnere mich noch wie auf das Magazin vom Tagesanzeiger eingeschlagen wurde als die eine Reportage über Cambridge Analytica machten.

Später zeigte sich das es doch recht gut zutraff.

Haben sich eigentlich die Kritiker beim Magazin Entschuldigt?
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Zweiundvierzig
22.12.2018 15:40registriert April 2016
Hab' mir dieses Jahr ein kleines Weihnachtsgeschenk für mich selbst gemacht: Habe Ende November den "delete"-Button in Facebook gedrückt, in ein paar Tagen wird mein Account gelöscht sein. #deletefacebook
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G.
22.12.2018 14:48registriert Dezember 2014
Die Sucker-Borg Unit
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