Schweizer Spitäler empfehlen ihren Angestellten, die SwissCovid-App während der Arbeit zu deaktivieren.
Am Mittwoch berichtete 24heures.ch, dass das Lausanner Universitätsspital, das Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), seinen Mitarbeitern rate, die SwissCovid-App nicht zu nutzen. Das Krankenhaus empfehle, dass das Personal die Corona-Warn-App bei der Arbeit nicht installiere oder deaktiviere, um «unnötige» Quarantänen zu vermeiden.
Gleichentags griff die Nachrichtenagentur SDA-Keystone einen Bericht des Radiosenders FM1Today auf und verbreitete eine ähnliche Meldung zum St. Galler Kantonsspital. Dem Personal werde empfohlen, die Corona-Warn-App des Bundes für die Dauer der Arbeit auszuschalten. Die Klinik befürchte zu viele Fehlalarme und damit verbundene Absenzen.
Die Empfehlung der St.Galler Kantonsspitals gelte nur für das Personal, nicht aber für Besucherinnen und Besucher. Das Spital begrüsse es, wenn möglichst viele Mitarbeitende die App im privaten Alltag nutzen würden.
Gegenüber watson hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Mittwochnachmittag Stellung genommen und die Empfehlung fürs Fachpersonal bestätigt (siehe unten).
Ja. Das vorübergehende Deaktivieren der Tracing-Funktion macht Sinn und ist auch von der Herausgeberin der App, dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) so vorgesehen.
Der Leiter Abteilung Digitale Transformation im BAG, Sang-Il Kim, sagte in einem Mediengespräch mit watson, dass darum die Benutzeroberfläche der SwissCovid-App das einfache Deaktivieren der Tracing-Funktion ermögliche.
Es gebe Lebenssituationen, wo es Sinn mache, die App in dem Sinne auszuschalten, weil man sonst unnötige «falsch positive Meldungen» (zu Kontakten mit Infizierten) generieren würde, erklärte der BAG-Kadermann und Facharzt.
«Einer der Hauptanwendungsfehler» wären Personen, «die im Gesundheitswesen arbeiten». Sie wüssten dass sie maximal geschützt seien vor dem Virus und in der Zeit mache es sicherlich keinen Sinn, dass das Tracing aktiviert sei.
Dies wird auch vom St.Galler Kantonsspital so gesehen: Das Pflegepersonal sei im Umgang mit Infizierten geschult und gelte deshalb während der Arbeit als geschützt.
Nein.
Eine nationale Richtlinie, wie Schweizer Spitäler zur SwissCovid-App kommunizieren sollen, existiert laut Bericht der Nachrichtenagentur SDA-Keystone bislang nicht. Es liege in der Kompetenz der einzelnen Institutionen, allenfalls solche Regeln zu erlassen.
Marco Stücheli, beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) zuständig für die Kommunikation zur SwissCovid-App, schreibt watson:
Der BAG-Sprecher betont, die Aussagen von Sang-Il Kim würden sich auf Personen beziehen, «die im Umgang mit potenziell infizierten Personen stehen und im Umgang mit potenziell Infizierten geübt» seien, «Schutzmassnahmen kennen und über Hilfsmittel verfügen».
Es gebe sicherlich die eine oder andere Situation, wo es Sinn mache, die Tracing-Funktion zu deaktivieren, hatte Sang-Il Kim im Mediengespräch mit watson gesagt. Grundsätzlich dürften das alltägliche Situationen sein, in denen Menschen Schutzmasken, Schutzbrillen und Schutzhandschuhe tragen und durch weitere Vorsichtsmassnahmen vor einer Übertragung des neuen Coronavirus geschützt sind.
Für alle anderen gilt: Die SwissCovid-App sollte immer dann aktiviert sein, wenn man ungeschützt Leute trifft. Und selbstverständlich auch bei Spital-Besuchen.
Wenn man sich als normaler Bürger an einem Ort wie einem Spital oder Testzentrum befinde, empfiehlt das BAG, die SwissCovid App grundsätzlich laufen zu lassen.
Es könne dann zwar sein, dass die Nutzerinnen und Nutzer Meldungen erhalten, obwohl sie in der Realität durch Schutzvorrichtungen (z.B. Plexiglas-Scheiben, Masken, etc.) vor einer Ansteckung geschützt waren. In diesem Fall werde die spezielle Situation dieses Tages und die daraus folgenden Massnahmen mit der Infoline SwissCovid (Telefonnummer wird bei der Meldung in der App angezeigt) besprochen.
Die Spital-Verantwortlichen befürchten, dass Pflegefachkräfte nach dem Anzeigen von Warnhinweisen in der SwissCovid-App unnötigerweise in Quarantäne geschickt oder getestet werden. Dazu muss man wissen, dass die SwissCovid-App aus Datenschutzgründen nicht angibt, wann und wo man sich in unmittelbarer Nähe zu Infizierten aufgehalten hat. Zum Warnhinweis wird lediglich das Datum angezeigt.
Im Lausanner Universitätsspital hatte die Empfehlung, die SwissCovid-App vorübergehend zu deaktivieren, für Aufregung gesorgt bei den Mitarbeitern, wie 24heures.ch berichtet. Ein Gewerkschaftsvertreter erklärte, man wolle nun bei der Personalabteilung um Antworten ersuchen.
Auch der Wortlaut der offiziellen Kommunikation sei etwas unglücklich, wenn von «unnötiger» Quarantäne gesprochen werde, die es zu vermeiden gelte. Quarantänen seien nicht unnötig. Vielmehr wollte die Spitalleitung damit erreichen, dass die Mitarbeitenden immer zur Verfügung stünden.
Der «Blick» erinnert an die schwierige Zeit, als die Corona-Krise in der Schweiz auf dem Höhepunkt war. Die arbeitsrechtlichen Vorgaben fürs Spitalpersonal seien durch den Bundesrat ausser Kraft gesetzt worden, damit die Spitäler flexibler planen können. Für die Mitarbeitenden habe das Mehrarbeit bedeutet. Im Zuge der Lockerungen habe die Regierung diese Massnahmen aber wieder rückgängig gemacht.
Möglich ist sowohl das Ausschalten der Bluetooth-Verbindung des Smartphones (über die System-Einstellungen) als auch das Deaktivieren der Tracing-Funktion in der SwissCovid-App. Beide Vorgehensweisen gewährleisten, dass die SwissCovid-App vorübergehend keine «Begegnungen» erfasst.
Es empfiehlt sich, nicht die Bluetooth-Verbindung zu kappen, sondern das Tracing in der App zu deaktivieren.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA