Stell dir vor, du greifst frühmorgens zum Handy, holst es aus dem Flugmodus und siehst das:
Akku voll geladen, schon wieder ein Update von Apple, *seufz*. Und ... WTF! Covid-19 im Anflug?
Eine vergleichbare Benachrichtigung haben in den vergangenen Tagen gleich mehrere Freunde und Arbeitskollegen auf ihrem iPhone zu Gesicht bekommen. Und sich verständlicherweise erschreckt, oder zumindest gewundert.
Dies belegen auch Reaktionen bei Twitter ...
Die Corona-Warn-App funktioniert – und man kann die Mitteilung auf dem Sperrbildschirm getrost ignorieren.
Mathias Wellig, Geschäftsführer der Softwarefirma Ubique und Entwicklerchef von SwissCovid, erklärt:
Die verwirrenden System-Benachrichtigungen über «mögliche Begegnungen» basieren auf einer unglücklichen Formulierung, die Apple zu verantworten hat (dazu unten mehr).
SwissCovid-User sollten sich davon nicht beunruhigen lassen, sofern es in ihrer App so aussieht:
Auf der BAG-Website ist das Problem schon vor geraumer Zeit adressiert worden. Im FAQ heisst es dazu:
Und dazu die Erklärung für iPhone-User:
Ein Arbeitskollege fragte sich daraufhin:
Gut zu wissen: Der betroffene Kollege macht Homeoffice, ist aber auch in der Redaktion am Arbeiten. Und ihm wollte verständlicherweise nicht in den Kopf, dass er im ÖV vom Aargau nach Zürich in der Nähe von gleich 9 (später) als infiziert gemeldeten SwissCovid-Usern gesessen haben soll.
Der SwissCovid-Entwicklerchef gibt auf mein Nachfragen hin «Entwarnung»: Konkret könne es schon reichen, wenn man einmal irgendwo am Bahnhof neben jemandem durchgelaufen sei, der dann später positiv getestet wurde.
In einer bislang nur auf Englisch verfügbaren Antwort erklärt das Bundesamt für Gesundheit in der FAQ , warum die System-Mitteilungen über «mögliche Begegnungen» sehr verwirrend seien («What are the weekly reminder messages from Android and iOS ?»).
Halten wir fest: SwissCovid funktioniert – und iPhone-User sollten sich von verwirrenden System-Mitteilungen nicht beunruhigen lassen, sondern die App konsultieren. Wenn da nichts angezeigt wird, und wenn man zudem keine Covid-19-Symptome verspürt, ist kein Handeln angezeigt.
Es ist kompliziert. Ziemlich kompliziert.
Um zu verstehen, warum iPhones mit installierter Corona-Warn-App (es ist nicht nur SwissCovid betroffen) mit Mitteilungen über «mögliche Begegnungen» verwirren, muss man verstehen, wie die Warn-Apps genau funktionieren.
Zur Erinnerung: SwissCovid und andere Warn-Apps in Europa (mit Ausnahme von Frankreich, Bulgarien etc.) basieren auf Schnittstellen, die Apple und Google in ihre Betriebssysteme iOS (iPhone) und Android integriert haben.
Apple und Google stellen den autorisierten Entwicklern der Corona-Warn-Apps mit den neueren Versionen ihrer Betriebssysteme iOS (iPhone) und Android ein sogenanntes Application Programming Interface (API) zur Verfügung.
Das API für die Corona-Warn-Apps wird Exposure Notification Framework (Apple) respektive Exposure Notifications API (Google) genannt. Es ist die Schnittstelle, die Software- und Hardwarekomponenten auf Betriebssystem-Ebene verbindet und damit ermöglicht, dass neuere iPhones und Android-Smartphones über Bluetooth Low Energy sicher Daten austauschen können und die Apps funktionieren.
Mathis Wellig erklärt gegenüber watson, warum bei einzelnen SwissCovid-Usern 9 oder sogar noch mehr «mögliche Begegnungen» auf dem iPhone angezeigt werden.
Denn jedes Mal wenn ein positiver Schlüssel (TEK) über die API gecheckt werde, werde (vom iPhone-System) einmal hinaufgezählt. Hinzu komme, dass die Dauer und Distanz bei dieser «Zählung» nicht berücksichtigt würden.
Bleibt anzumerken, dass dieses Kommunikations-Problem nicht nur SwissCovid betrifft, sondern alle Corona-Warn-Apps, die auf den Apple-Google-Schnittstellen basieren.
So wunderte sich etwa ein deutscher User, warum ihm sein iPhone «0 mögliche Begegnungen» anzeigte. Und dies obwohl sich insgesamt 4 aktive Warn-Apps im Haus befänden.
Einfache und beruhigende Antwort: Es wurde keine einzige Begegnung mit einer (später) als infiziert gemeldeten Person registriert. Dies wird von den Entwicklern der deutschen Corona-Warn-App bestätigt und in einer auch auf Deutsch vorliegenden Antwort im Online-FAQ ausführlich erklärt.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG), als Herausgeberin der App, muss die Kommunikation weiter verbessern*. Das Vertrauen der Bevölkerung sollte gefördert werden, indem offen und transparent über die komplexe Beziehung mit den US-Konzernen Apple und Google informiert wird.
*und Apple selbstverständlich auch.
Alle SwissCovid-User sollten sicherstellen, dass sie ihre Software auf dem neusten Stand halten. Und vor allem gilt es auch weiterhin alle offiziellen Vorsichtsmassnahmen zu berücksichtigen, vom Händewaschen übers Abstandhalten bis zum Tragen von Schutzmasken – sofern nötig.