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Contact Tracing: Die verrückte Geschichte der Schweizer Corona-App

Corona-Pandemie: In der Schweiz werden weiterhin t
«Leute mit grippeähnlichen Symptomen müssen sich jetzt testen lassen, damit wir auch die Kontaktpersonen ausfindig machen können», sagt Daniel Koch vom BAG. Mit der SwissCovid-App will man (auch) symptomlose Personen, die sich angesteckt haben, warnen.Bild: TI-PRESS
Analyse

Die verrückte Geschichte hinter der «SwissCovid»-App, die nun weltweit für Furore sorgt

Die Pilotphase für die «SwissCovid»-App hat offiziell begonnen. Was in den letzten Wochen passiert ist, kann man als historisch einzigartig bezeichnen.
25.05.2020, 18:3627.05.2020, 17:22
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Die Schweiz testet als weltweit erstes Land die von Apple und Google zur Verfügung gestellte Software für digitales Contact Tracing. Dies mit einer App namens «SwissCovid».

In diesem Beitrag blicken wir zurück auf die Anfänge der «Schweizer Lösung» und ihre verrückte Geschichte. Und wir schauen, wie es nun ganz konkret weitergeht und was das Bundesamt für Gesundheit noch zu tun hat.

Was ist passiert?

Am Montag erfolgte der offizielle Start zur Pilotphase, in der unter anderem die Angehörigen der Eidgenössisch-Technischen Hochschulen Lausanne (EPFL) und Zürich die SwissCovid-App im Alltag testen.

An den Tests beteiligen sich auch Armeeangehörige «im Ausbildungsdienst», Mitarbeitende eidgenössischer und kantonaler Verwaltungen, Mitarbeitende von Spitälern und Kliniken sowie ausgewählte Institutionen und Organisationen. Dies unter anderem mit dem Ziel, dass die App barrierefrei sein soll und etwa von Sehbehindern genutzt werden kann.

An einer Medienkonferenz informierten am Montagnachmittag Vertreter des Bundes und weitere Fachleute, darunter der Epidemiologe Marcel Salathé vom DP-3T-Team.

Ab dem 28. Mai will der Bund unabhängige IT-Experten vom Chaos Computer Club Schweiz und anderen nicht-staatlichen Organisationen einladen, die SwissCovid-App im Hinblick auf Datensicherheit und Datenschutz zu prüfen.

Die Android-Version der SwissCovid-App.
Die Android-Version der SwissCovid-App.screenshot: ubique

Warum hat sich die Pilotphase verzögert?

Eigentlich wollte der Bund am 11. Mai mit der App-Pilotphase starten. Die Verantwortlichen entschieden aber, auf die Veröffentlichung der Apple-Google-Software zu warten und diese in die SwissCovid-App zu integrieren. Die API bringe tatsächlich technische Verbesserungen, hiess es heute. Technische Details zur Zuverlässigkeit und der Genauigkeit der Distanzbestimmungen mittels Bluetooth Low Energy (LE) wurden an der Medienkonferenz am Montag nicht genannt.

Die Pilotphase dauert längstens bis Ende Juni 2020 und soll allfällige technische Mängel und Probleme in der Benutzbarkeit sowie der medizinischen Prozesse aufdecken, bevor die App für die Bevölkerung freigegeben wird.

Der Bund sagte am Montag, dass theoretisch mehrere zehntausend Smartphone-User an den Tests teilnehmen können. Bei der iPhone-Version gibt es allerdings eine Einschränkung: Im Testbetrieb seien maximal 10'000 Installationen möglich, bei der Android-Version gebe es keine Beschränkung.

Ende Juni soll die «SwissCovid»-App landesweit für 8 Millionen Schweizerinnen und Schweizer verfügbar sein. Vorausgesetzt, das Eidgenössische Parlament genehmigt eine vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Epidemiengesetzes. Bis dann sollten auch die Detailfragen geklärt sein, was die länderübergeifende Funktionsweise der nationalen Apps betrifft.

Die Bevölkerung ist weiter positiv eingestellt, es gibt aber Wissenslücken

Der dezentrale Ansatz der Datenspeicherung (auf den Mobilgeräten der User) steht im Vordergrund, so soll eine Überwachung verhindert und der Datenschutz gewährleistet werden, wie das Bundesamt für Gesundheit (BAG) betonte. Die SwissCovid App kann mit den aktuellsten iOS- und Android-Versionen benutzt werden. Sie enthalten mit der gemeinsam von Google und Apple entwickelten «Exposure Notification API» neu eine Schnittstelle für die SwissCovid-App.

Damit ist die Schweiz das erste Land weltweit, das die Schnittstelle von Google und Apple für das Proximity-Tracing nutzt.

«Wir können Technologie», sagte der Epidemiologe Marcel Salathé vom DP-3T-Team. Ob die App schliesslich funktioniere, werde sich zeigen. Die Pilotphase sei wichtig. Die Schweiz werde auch intensiv aus dem Ausland beobachtet.

Sein Team sei von Anfang an motiviert gewesen, eine zentrale Überwachung auszuschliessen, sagte Salathé, Leiter der bundeseigenen Expertengruppe «Digital Epidemiology». Das sei gelungen. Kontaktdaten würden nicht zentral gespeichert, Überwachungsmöglichkeiten seien ausgeschlossen.

Dies ist allerdings noch längst nicht bei allen Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz angekommen. Zwar begrüssen gemäss einer repräsentativen Umfrage 70 Prozent der hiesigen Bevölkerung die Einführung der App – und fast 60 Prozent würden sie installieren. Abgesehen davon bestehen noch beträchtliche Wissenslücken.

Die im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit durchgeführte Befragung der Bevölkerung ergab, dass:

  • Obwohl die meisten Befragten angeben, eine Ahnung von der Contact-Tracing-App zu haben, war das konkrete Wissen über die Ausgestaltung der App zumindest Ende April 2020 noch bescheiden.
  • Am ehesten bekannt war zu dem Zeitpunkt, dass die Installation der App freiwillig sei.
  • Nur jeder und jedem Fünften sei es jedoch bewusst gewesen, dass die erfassten Daten nur lokal auf dem jeweiligen Smartphone gespeichert werden.
  • Sogar nur 7 Prozent der Befragten wussten, dass jeweils nur die aufzeichnende Person selber Zugang zu ihren persönlichen Daten erhalte.

Die bestehenden Wissenslücken sind laut den Studienverfassern relevant, «weil vermehrtes Wissen zu einer höheren unmittelbaren Installationsbereitschaft» führe.

Hast du vor, die freiwillige «SwissCovid»-App zu nutzen?

Kommentar des Digital-Redaktors

Die Ergebnisse der jüngsten Befragung zeigen, dass der Bundesrat weiterhin auf einen App-Vertrauensvorschuss zählen kann bei der Schweizer Bevölkerung. Allerdings sollte das Bundesamt für Gesundheit (noch) besser informieren. Es bestehen beträchtliche Wissenslücken, Befürchtungen und irrationale Ängste, denen man begegnen muss.

Weiterhin offen ist die Zuverlässigkeit der Bluetooth-basierten Kontaktmessungen und der damit verbundener Alarmierungen. Hier ist nun Geduld gefordert. Die Pilotphase ist eben erst angelaufen. Vorerst bleibt abzuwarten, was die Alltagstests im überschaubaren Rahmen bringen.

Gespannt sein darf man auch auf die Einschätzungen der unabhängigen IT-Sicherheitsexperten. Wobei die Apple-Google-Software unseres Wissens nicht frei einsehbar ist. Von der angestrebten hundertprozentigen Transparenz und vollständigen Offenlegung (Open-Source) ist man weit entfernt. Dies sollte dem Projekt aber nicht allzu sehr schaden.

Viel wichtiger ist es vor der App-Lancierung, seitens des Parlaments, auf die in der Bevölkerung bestehende Skepsis einzugehen. Wichtigster ungeklärter Punkt ist die Frage der Lohnfortzahlung bei einer freiwilligen Selbstquarantäne.

Dies sieht auch Marcel Salathé so: Wenn jemand einen finanziellen Nachteil befürchten müsse, sei das Risiko gross, dass man auf die freiwillige Quarantäne verzichte. Der epidemologische Nutzen würde in dem Fall nicht ausgeschöpft.

Daniel Koch sagte:

«Es ist noch zu früh, jetzt einen definitiven Entscheid dazu zu fällen. Das ist ein typischer Fall, bei dem am Schluss das Parlament entscheiden muss.»

Das lässt wenig Gutes erhoffen. Wenn sich die Parlamentarier in der Sommersession im Juni nicht sinnvoll einigen, könnte dies der App-Lancierung massiv schaden.

Das sind die Meilensteine zur SwissCovid-App
(Chronologie)

  • 25./26. Mai: Tausende Smartphone-User installieren die Testversion der App (iOS und Android), nachdem entsprechende Einladungs-Links im Internet kursieren.
  • 25. Mai: Offizieller Start der Pilotphase für die Schweizer Corona-Warn-App «SwissCovid»
  • 20. Mai: Der Bundesrat veröffentlicht zuhanden des Parlaments die Botschaft zu einer dringlichen Änderung des Epidemiengesetzes, die es für die geplante Tracing-App braucht. Stände- und Nationalrat befinden in der Sommersession im Juni über die Vorlage. (PDF)
  • 20. Mai: Wenn das Parlament den Gesetzesentwurf genehmige, werde die Tracing-App «vor Ende Juni in der ganzen Schweiz eingeführt», heisst es seitens Bundesrat.
    (Quelle: Twitter)
  • 20. Mai: DP-3T und Bund verraten den offiziellen Namen für die Schweizer Tracing-App: «SwissCovid».
  • 20. Mai: Apple veröffentlicht iOS 13.5. Das Update für das mobile Betriebssystem macht die Schnittstellen für die Proximity-Tracing-Apps grundsätzlich verfügbar. Zugriff haben nur die von Apple, respektive den nationalen Gesundheitsbehörden, autorisierten App-Entwickler.
  • 13. Mai: Der Bundesrat verabschiedet eine dringliche Verordnung für die Pilotphase der Tracing-App mit begrenztem Nutzerkreis. (Quelle: Medienmitteilung)
  • 13. Mai: Das BAG veröffentlicht ein 8-seitiges Dokument mit Fragen und Antworten zur Tracing-App (PDF).
  • 5. Mai: Der Nationaltrat spricht sich dafür aus, dass der Bundesrat ein dringliches Bundesgesetz ausarbeiten muss, um die Tracing-App in der Schweiz lancieren zu können. Der Entscheid der grossen Kammer fällt deutlich aus mit über 65 Prozent Ja-Stimmen für die Motion Glättli.
  • 4. Mai: Der Ständerat unterstützt einen parlamentarischen Vorstoss (Motion Glättli) und verlangt vom Bundesrat, den gesetzlichen Rahmen für die App zu definieren.
  • 30. April: Die EPFL führt einen 24-stündigen Feldtest mit 100 Soldaten der Schweizer Armee in der Kaserne Chamblon VD durch. Der für den App-Praxistest verantwortliche EPFL-Wissenschaftler Mathias Payer vom DP-3T-Team sagt: «Wir haben verschiedene Parameter wie Signalstärke und Frequenz getestet, um sicherzustellen, dass das System gute Informationen liefert, ohne zu viele Fehlalarme und ohne dass der Telefonakku geleert wird.»
    (Quelle: Medienmitteilung)
  • 21. April: Das Bundesamt für Gesundheit BAG erklärt, dass es den dezentralen Ansatz von DP-3T unterstützt und mit der EPFL und der ETHZ kooperiere, um die Tracing-App bis 11. Mai fertigzustellen. Dieser Zeitplan erweist sich als unrealistisch und kann nicht eingehalten werden. BAG-Generaldirektor Pascal Strupler betont, dass der dezentrale Ansatz «den schweizerischen Bedürfnissen nach maximalem Schutz der Privatsphäre» am besten entspreche.
    (Quelle: Medienmitteilung)
  • 16. April: Die viel zitierte Oxford-Studie zum digitalen Contact Tracing wird veröffentlicht. Ausgehend von Modellberechungen prognostizieren britische Forscher, dass die Epidemie gestoppt werden könne, «wenn etwa 60 Prozent der Bevölkerung» eine App nutzen, und selbst bei einer geringeren Beteiligung sei mit «einer Verringerung der Zahl der Coronavirus-Fälle und Toten» zu rechnen.
    (Quelle: Medienmitteilung)
  • 10. April: Apple und Google kündigen eine bis dato einzigartige Kooperation an, um die Lancierung von Bluetooth-basierten Proximity-Tracing-Apps mit technischen Schnittstellen auf Betriebssystem-Ebene zu unterstützen.
  • 4./5. April: Apples Führungsgremium («Executive Team») führt vertrauliche «Schlüsseldiskussionen» mit DP-3T-Vertretern, in denen es um das Bluetooth-basierte Proximity-Tracing geht. (Quelle: Edouard Bugnion, EPFL)
  • 3. April: DP-3T veröffentlicht die erste Version des DP-3T-Protokolls. Das ist die wissenschaftliche Vorarbeit für ein dezentralisiertes Proximity-Tracing-System, das dem Ansatz Privacy by Design verpflichtet ist und alle sensitiven Daten ausschliesslich auf den Mobilgeräten speichert.
  • 1. April: Die Gründung der paneuropäischen Software-Initiative PEPP-PT wird kommuniziert. Die aus dem Umfeld deutscher Industrieinteressen lancierte Inititative scheitert später kläglich, weil sie zentralisierte Tracing-Systeme bevorzugt. DP-3T tritt deshalb später wieder aus.
  • 1. April: Das offizielle Gründungsdatum von DP-3T (Decentralised Privacy-Preserving Proximity Tracing). Die Gruppe veröffentlicht bei GitHub ihr erstes Dokument.
  • 31. März: Das Österreichische Rote Kreuz nimmt Kontakt mit Uepaa auf – 10 Tage später, am 10. April, geht die «Stopp Corona»-App live, mit der Proximity-Technologie p2pkit von Uepaa. Später gibt man bekannt, dass auf den dezentralen Ansatz (DP-3T) gewechselt und die Apple-Google-Schnittstelle implementiert werde.
  • 26. März: Ubique präsentiert die «Next Step»-App, den Prototyp einer Bluetooth-basierten Corona-Warn-App, mit dezentraler Datenspeicherung (auf dem Gerät). In der Folge schliesst sich die Zürcher Softwarefirma den Technischen Hochschulen mit ihrer Initiative DP-3T an.
  • 24. März: Der Schweizer Epidemiologe Marcel Salathé wirbt fürs digitale Contact Tracing nach dem Prinzip «One Step Ahead». Covid-19-Betroffene sollen gewarnt werden, bevor sich in der Ansteckungsphase Symptome zeigen.
Bild
screenshot: nicky case / dp-3t
  • 23. März: In einer SRF-Sondersendung erklärt Marcel Salathé, dass es allenfalls möglich wäre, über Peer-to-Peer-Technologie digitales Contact Tracing zu betreiben.
  • 21. März: Der Schweizer Informatik-Professor Edouard Bugnion von der EPFL wendet sich an Apple, weil sich massive technische Schwierigkeiten abzeichnen beim Bluetooth-basierten Proximity-Sensing per Smartphone.
    (Quelle: Medienbericht CNBC)
  • 21. März: Singapur lanciert die TraceTogether-App, die weltweit erste Bluetooth-basierte Proximity-Tracing-App, die mehr schlecht als recht funktioniert. Auf iPhones klappt der Datenaustausch nur, wenn der Bildschirm aktiviert ist, respektive sich die App im Vordergrund befindet.
    (Quelle: Mitteilung auf gov.sg)
  • 18. März: Der «Tages-Anzeiger» greift das Thema auf und berichtet zum ersten Mal überhaupt über eine Tracing-App in der Schweiz und die p2pkit-Technologie.
  • 17. März: Uepaa kontaktiert die EPFL und biete Marcel Salathé und dessen Team Unterstützung an – erhält allerdings keine Rückmeldung, wie der Firmenchef sagt.
  • 16. März: Die Schweizer App-Entwicklerfirma Uepaa weist im Firmenblog auf die eigene Proximity-Technologie für Smartphones namens p2pkit.io hin.
  • Anfang März: An den Eidgenössisch-Technischen Hochschulen Lausanne (EPFL) und Zürich (ETHZ) starten Forscher ein gemeinsames Projekt für eine Contact-Tracing-App. Daraus geht später das Konsortium DP-3T hervor. Zu den führenden Köpfen gehört der auf digitale Epidemiologie spezialisierte EPFL-Wissenschaftler Marcel Salathé.
  • Ende Februar/Anfang März: Uepaa-Gründer Mathias Haussmann versucht das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und später Daniel Koch zu erreichen, um die Lancierung einer Proximity-Tracing-App vorzuschlagen. Ohne Erfolg.

Welche Rolle spielt die Schweizer IT-Firma Ubique?

Eine ganz zentrale. Das Zürcher Software-Unternehmen arbeitet bekanntlich seit längerem mit dem Bund zusammen und hat unter anderem auch die SBB-App entwickelt. Bei SwissCovid zeichnet Ubique für die Android- und iPhone-App verantwortlich, inklusive der Benutzeroberfläche (GUI).

Ubique-Chef Mathias Wellig kommentiert:

«Tatsächlich sind wir mit der SwissCovid-App weltweit die Ersten, die das Covid-19-Kontaktprotokoll von Android und iOS in einem grösseren Pilot produktiv einsetzen. Eine technische Pionierleistung der Schweiz – und für uns als App-Entwickler quasi ein Ritterschlag.»

Wellig ruft in einem Blog-Beitrag in Erinnerung, wie sich die ungewöhnliche Kooperation entwickeln konnte. Am Anfang stand ein Hackathon, also ein auf freiwilligem Engagement basierendes Treffen, an dem es darum ging, Software zu entwickeln für den Kampf gegen Covid-19. Daraus resultierte bei Ubique die Next-Step-App, aus der schliesslich die nun vorliegende SwissCovid-App hervorgehen sollte.

Mathias Wellig:

«Als während des Hackathons unsere Köpfe und Rechner heissliefen, hatte wohl niemand von uns erwartet, dass Next Step einmal so zur SwissCovid-App beitragen würde. Natürlich hatten wir gehofft, dass Next Step Beachtung findet und wir unseren Teil zum Ganzen beitragen können. Jetzt entwickeln wir mit BAG, BIT und NCSC, mit EPFL und ETH Zürich, auf Augenhöhe mit den kalifornischen Megakonzernen Google und Apple die SwissCovid App. Wir sind damit an vorderster Front der internationalen Bestrebungen für eine Privatsphäre schützende Contact-Tracing-App.»

Die Timeline zur App-Entwicklung

Bild
screenshot: ubique.ch

Welche Länder arbeiten an einer solchen App?

In Europa entwickeln zahlreiche Staaten, darunter auch die Schweizer Nachbarländer Deutschland, Italien und Österreich, eine Corona-Warn-App nach Vorbild von DP-3T, die auf die Apple-Google-Schnittstellen zugreifen kann.

Frankreich und Grossbritannien wollen hingegen an einem zentralisierten Tracing-System festhalten. Dies könnte eine länderübergreifende Funktionsweise verunmöglichen.

Quellen

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA

Alles über die Schweizer Corona-Warn-App

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Was man über Corona-Warn-Apps wissen muss
Contact Tracing meint die persönliche Rückverfolgung von Infektionsketten. Ziel ist es, die (unbemerkte) Verbreitung von gefährlichen Infektionskrankheiten einzudämmen oder im besten Fall zu stoppen. Konkret sollen alle Leute gewarnt werden, die über eine gewisse Zeit in relativ engem körperlichen Kontakt standen mit einer infizierten Person und sich angesteckt haben könnten, ohne es zu wissen.

Zu Beginn der Corona-Krise in der Schweiz wurde Contact Tracing übers Telefon gemacht, das heisst, Infizierte (in Quarantäne) wurden zu ihrem Umfeld befragt, das sie vielleicht angesteckt hatten. Wegen der exponentiellen Zunahme der Covid-19-Infektionen war dieses System allerdings bald einmal überlastet, es wird aber in der Phase nach der Lockerung der staatlichen Zwangsmassnahmen («Lockdown»), wenn es wenige Covid-19-Fälle gibt, flächendeckend betrieben von den kantonsärztlichen Diensten.

Digitales Contact Tracing funktioniert per Smartphone-App. Die Mobilgeräte registrieren über ihre Bluetooth-Verbindung automatisch und anonym, wenn sie sich über eine gewisse Zeit in unmittelbarer Nähe zueinander befunden haben. Dieses Verfahren wird auch als Proximity Tracing bezeichnet. Erst später, bzw. nur wenn eine Infektion durch einen medizinischen Test bestätigt worden ist, kann die erkrankte Person andere App-User, die sie vielleicht angesteckt hat, schnell und diskret warnen.

Singapur hat im März 2020 als einer der ersten Staaten eine auf der Messung von Bluetooth-Low-Energy-Signalen basierende App namens TraceTogether lanciert, wobei die Funktionalität eingeschränkt ist, weil der Datenaustausch zwischen iPhones und Android-Geräten nicht gut funktionierte. In Europa und weltweit werden nun Proximity-Tracing-Apps lanciert, die dieses Problem nicht haben, weil Apple und Google bei iOS und Android auf Betriebssystem-Ebene eine Schnittstelle zur Verfügung stellen.

Beim dezentralen Ansatz gilt der Grundsatz Privacy by Design: Die Datenverarbeitung (zur Berechnung des Infektionsrisikos) erfolgt auf den Mobilgeräten. Nur bei einer offiziell bestätigten Infektion und der Einwilligung des Users werden dessen anonymisierte Proximity-Daten (Schlüssel) an einen Server überragen, die es ermöglichen, Dritte zu warnen, und den Datenschutz zu gewährleisten.

Beim zentralen Ansatz werden die Proximity-Daten an einen staatlich kontrollierten Server übermittelt, wo das Infektionsrisiko berechnet wird. Diese System-Architektur ist von über 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern rund um den Globus als problematisch bezeichnet worden, weil der System-Betreiber nachträglich und heimlich Funktionen ändern («Function Creep») oder zusätzliche Funktionen einführen könnte («Mission Creep»).

Apple und Google unterstützen dezentrale Proximity-Tracing-Apps durch eine technische Kooperation. Sie stellen autorisierten App-Entwicklern eine Programmierschnittstelle (API) zur Verfügung, die Corona-Warn-Apps zuverlässige Bluetooth-Distanzschätzungen und Datenaustausch zwischen Android- und iOS-Geräten ermöglicht. Zudem haben die US-Techkonzerne das Proximity Tracing direkt in die weltweit dominierenden mobilen Betriebssysteme integriert.

Freiwillige Nutzung ist laut Apple und Google Bedingung und wird auch von der Schweizer Corona-Warn-App «SwissCovid» umgesetzt. Das heisst, digitales Contact Tracing kann nicht vom Staat erzwungen werden, sondern erfolgt nur mit Zustimmung der User (Opt-in).
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114 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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JP del Grano
25.05.2020 19:32registriert Dezember 2018
"Ab dem 28. Mai will der Bund unabhängige IT-Experten ...einladen, die SwissCovid-App im Hinblick auf Datensicherheit und Datenschutz zu prüfen"
Die App allein ist NICHT das Problem. Das, was sich "hinter" der von Google und Apple entwickelten Schnittstelle im Betriebssystem verbirgt (= das eigentliche funktionale "Herz" des Tracings) ist jedoch nicht überprüfbar. Die Entwickler der App schreiben daher: "We also strongly encourage both companies to allow an external audit of their code to ensure its functionality corresponds to its specification."
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ostpol76
25.05.2020 21:15registriert November 2015
"Von der angestrebten hundertprozentigen Transparenz und vollständigen Offenlegung (Open-Source) ist man weit entfernt. Dies sollte dem Projekt aber nicht allzu sehr schaden."

Hallo Daniel, wie kommst du zu der Aussage, dass dies dem Projekt nicht all zu sehr schaden wird?

Viele werden jetzt sagen:
Siehst du, es ist doch nicht Open Source wie immer versprochen wurde.

Für mich ist dies schon ein bisschen ein Killerkriterium, wenn nicht bekannt ist, was ein Layer unter der API passiert und ob irgendwelche Daten an Apple- und Google-Server gesendet werden.
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Satan Claws
25.05.2020 20:15registriert Mai 2019
Stellt euch das Bluetooth Signal vereinfacht wie eine Schallwelle vor.

Versperrt etwas die direkte Sicht wird der Ton leiser. Steht man in einem Flüstergewölbe hört man hingegen fast alles.

Genau so sind auch Bluetooth Wellen. Sie werden reflektiert, absorbiert oder gänzlich ausgelöscht.

Bluetooth war niemals dazu gedacht Abstände zu messen, sondern es sollte eine einfache Verbindung sein.

Weshalb wird uns nie gesagt wie ungenau das Ganze ist?
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«Erster wirklicher Stresstest für die Schuldenbremse»: Ökonom ordnet drohendes Defizit ein
Beim Bund drohen Defizite von bis zu vier Milliarden Franken. Wie schlimm ist das? Und wie hat man in der Vergangenheit darauf reagiert? Ökonom Thomas M. Studer, der zur Geschichte der Bundesfinanzen seine Dissertation verfasst hat, gibt Auskunft.

Jahrelang schrieb der Bund Überschüsse. Jetzt drohen Defizite in Milliardenhöhe. Verglichen mit früher: Wie schlecht steht es um die Bundesfinanzen?
Thomas M. Studer:
Um das vergleichen zu können, stellt man das Defizit ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Bei jährlichen strukturellen Defiziten von 2 bis 4 Milliarden Franken, wie sie der Bund erwartet, sind das gemessen am aktuellen BIP rund 0,25 bis 0,5 Prozent. In der Schuldenkrise der 1970er-Jahre waren es bis zu 0,9 Prozent, in den 1990er-Jahren sogar bis 2 Prozent. So schlimm ist es heute noch nicht. Was die Geschichte aber zeigt: Es ist schwierig, aus einer Defizitphase herauszukommen, wenn man mal drin ist.​

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