Fehlende Heimlademöglichkeiten verhindern oftmals den Umstieg aufs E-Auto. Bislang sind Mieter, die eine Ladestation benötigen, auf das Wohlwollen ihres Vermieters angewiesen. Der Nationalrat wollte dies im Juni ändern. Er nahm gegen den Willen des Bundesrats und Hauseigentümerverbands (HEV) eine Motion von GLP-Präsident Jürg Grossen an, die Mieterinnen und Stockwerkeigentümern den Anspruch auf eine Heimladestation garantieren würde. Doch in Bundesbern gibt es weiterhin Widerstand.
Herr Romang, in Ländern wie Norwegen oder Dänemark setzt sich das E-Auto durch. Bei uns stagnieren die Verkäufe bei knapp 20 Prozent. Was läuft falsch?
Krispin Romang: Diese Länder sind vorausschauender und zukunftsorientierter als die Schweiz. Bei uns fehlt die politische Entschlossenheit, den Verkehr ambitioniert emissionsärmer zu machen. Und wir bekunden viel mehr Mühe, Heimladestationen in die Gebäude zu bringen, was den Umstieg erschwert.
Warum?
Gerade skandinavische Staaten haben einen weit höheren Eigenheimanteil als wir. Wenn man mit Norwegern spricht, verstehen sie gar nicht, warum es ein Problem sein könnte, eine private Ladestation in der Garage einzubauen. Für sie ist der Umstieg aufs E-Auto ein Klacks. (Anm. d. Red.: 79 Prozent der Norweger haben ein Eigenheim, der E-Auto-Anteil an Neuwagen liegt bei 95 Prozent.)
Wir hingegen verschlafen derzeit die Elektrifizierung. Das Parlament konnte sich nie auf ein Förderprogramm festlegen. Obwohl wir den grössten Handlungsbedarf für Heimladestationen haben, machen wir nichts. Alle unsere Nachbarländer kennen ein «Recht auf Laden», also das Recht darauf, eine Ladestation installieren zu dürfen, seit Jahren.
Haben Mieter oder Stockwerkeigentümer in der Schweiz keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Heimladestation?
Nein, und wir wollen auch keinen Zwang zur Installation von Elektroauto-Ladestationen.
Sondern?
Die Unverbietbarkeit der Installation. Wichtig ist, dass Mieterinnen und Stockwerkeigentümer eine Ladestation installieren lassen können. Bislang können Vermieter und Stockwerkgemeinschaften Heimladestationen verbieten, was auch sehr oft geschieht. Die Unverbietbarkeit haben wir auch beim Internetanschluss. Dort schreibt das Fernmeldegesetz dem Vermieter vor, dass der Internetanschluss nicht verhindert werden kann. Wir wollen also keinen Zwang zur Ladestation, sondern eben diese Unverbietbarkeit.
Man hört immer wieder, dass sich Vermieter beim Thema E-Auto-Laden querstellen. Ist das wirklich so?
Das ist leider noch sehr oft der Fall. Noch schwerer haben es Stockwerkeigentümer. Ältere Wohnungsbesitzer wollen nicht mehr investieren oder ein Antrag wird abgelehnt, weil man wegen irgendeiner alten Geschichte im Streit liegt. Zudem gibt es nach den Themen Minergie, Heizen und Solarenergie eine gewisse Investitionsmüdigkeit.
Wie sollen Mieter und Stockwerkeigentümer vorgehen, die ein Ladesystem einbauen möchten?
Es gibt dazu einen detaillierten Leitfaden, der in Abstimmung mit dem Hauseigentümer- und Mieterverband entstanden ist. Wichtig ist, sich professionell beraten zu lassen.
Fällt die Schweiz wegen der Blockade von Ladestationen beim Klimaschutz zurück?
Ja, aber nicht nur beim Klimaschutz. Die Schweiz war bei der Einführung neuer Technologien oftmals führend, wie bei der Solarenergie oder eben der Elektromobilität. In weiteren Marktphasen fallen wir dann zurück, weil viele Bremser, Verhinderer oder Zögerer versuchen, möglichst den gegenwärtigen Zustand zu bewahren. Andere Länder gehen viel zielgerichteter und mit mehr Überzeugung in die Zukunft.
Der Nationalrat hat dieses Jahr eine Motion von GLP-Präsident Jürg Grossen angenommen, die will, dass Vermieter den Einbau von Ladestationen nicht mehr verbieten dürfen …
… aber die ist nun in der Warteschleife, eine rasche Lösung zeichnet sich trotz der hohen Dringlichkeit nicht ab.
Wie stehen die Chancen im Ständerat?
Wahrscheinlich etwas schlechter als im Nationalrat. Die Mitte hatte im Nationalrat die Notwendigkeit der Motion erkannt. Bleibt es im Ständerat dabei, kommt die Motion wohl durch.
Als Mieter würde ich aber auch künftig nicht automatisch eine Ladestation erhalten?
Nein. Wie gesagt, wollen wir keine Pflicht. Aber sofern zumutbar und die Finanzierung sichergestellt ist, soll der Vermieter sie nicht mehr verbieten können.
Was geschieht, wenn der Ständerat die Motion bachab schickt?
Dann haben wir weiterhin die schlechtmöglichsten Voraussetzungen für die weitere Entwicklung der Elektromobilität.
Die Förderung der Elektromobilität ist umstritten. Oft profitieren primär Vermögende von der staatlichen E-Auto- und Ladestationen-Förderung.
Es ist völlig unsinnig, emissionsarme Mobilität nicht zu fördern. Es gibt kaum eine Massnahme im neuen CO2-Gesetz, welche die gleich grosse Wirkung wie die versäumte Förderung in Ladeinfrastrukturen erzielen wird.
Statt E-Autos sollten also primär Ladestationen subventioniert werden?
Subventionen für das Elektroauto sind unbestritten wirksam, aber persönlich würde ich bei intelligenten Ladesystemen ansetzen. Eine entsprechende Verordnung hätte sichergestellt, dass nur intelligent steuerbare Ladeinfrastrukturen in Mehrparteiengebäuden gefördert worden wären. So liessen sich auch die Kosten beim Verteilnetzausbau massiv reduzieren und das zukünftige Potential von bidirektionalen Anwendungen besser nutzen.
Einzelne Kantone oder Städte tun dies doch bereits?
Zürich und Bern fördern smarte Ladeinfrastruktur-Lösungen und sind damit sehr erfolgreich.
Braucht es überall smarte Heimladestationen? Eigentlich genügt eine Steckdose, um ein E-Auto zu laden.
Das ist keine Lösung. In den meisten Einstellhallen fehlt es an Steckdosen und diese sind nicht für eine dauerhafte Belastung ausgelegt. Wenn wir künftig mehr als 4,5 Millionen E-Autos in der Schweiz haben werden, brauchen wir zwingend intelligent steuerbare Ladevorgänge.
Warum? Viele laden mit dem mitgelieferten Ladekabel an der Steckdose. Das ist langsam, aber in der Regel reicht es.
Je intelligenter die Ladevorgänge gesteuert werden, also mit vernetzter Ladeinfrastruktur, desto weniger muss das Stromnetz ausgebaut werden. Wir sprechen hier von Milliardensummen. Nur Steckdosenladen mit dem Notladekabel wäre ungefähr das Dümmste, was wir tun könnten.
Kommen also fehlende oder «dumme» Heimladesysteme die Allgemeinheit teuer zu stehen?
Ja, ein intelligenter Grundausbau lohnt sich immer. Das Elektroauto wird zukünftig nicht nur das beliebteste Fortbewegungsmittel der Schweiz sein, sondern auch der grösste private Energiespeicher. Damit werden wir den selbst erzeugten Strom vom Dach bis zu 70 Prozent besser nutzen können. Mit der Fähigkeit, Strom aus der Autobatterie wieder ins Netz zurückzuspeisen, erhöhen wir die Versorgungssicherheit, können Marktpreisunterschiede optimieren und reduzieren die Systemkosten massiv. Die ETH schätzt das Potential mit 6,5 Milliarden Franken ein. Dafür brauchen wir Intelligenz.
Künftig ist ein Parkplatz ohne Lademöglichkeit kaum noch vermietbar. Löst sich das Problem der fehlenden Heimlademöglichkeit nicht von allein?
Der Markt versagt hier, da Mieter wegen der angespannten Wohnungssituation oft gar keine Wahl haben. Wenn sich der Vermieter querlegt, können sie nicht einfach die Wohnung wechseln. Gebäudebesitzer haben entsprechend wenig Anreize, rasch neue Ladestationen zu installieren. Woran sie kaum denken: In ein paar Jahren wollen plötzlich alle Ladestationen und dann wird es zu extrem langen Wartezeiten kommen.
Aber ist das Heimladen noch wichtig, wenn es immer mehr öffentliche Schnellladestationen gibt und E-Autos immer schneller laden können?
Der Ausbau des Stromnetzes wird massiv teurer, wenn wir nicht vorwiegend langsam zu Hause oder am Arbeitsplatz laden können. Warum? Autos stehen mehr als 23 Stunden pro Tag. Sind sie in dieser Zeit mit dem Stromnetz verbunden, können wir das Optimum aus der Elektromobilität herausholen, eben für das gesamte Stromsystem. Und für den Autofahrer ist es die günstigste und bequemste Lösung.
Und wo sollen alle laden, die ihr Auto nachts auf der Strasse abstellen müssen?
Man wird auch künftig nicht überall laden können. Aber man kann beim Einkaufen, beim Restaurantbesuch oder am Arbeitsplatz laden. Man lädt also an sehr unterschiedlichen Orten, während ein Verbrenner immer eine Tankstelle benötigt. Darum finde ich: Selbst wenn man nicht zu Hause laden kann, ist die Elektromobilität noch immer viel besser als fossil zu tanken. Wo überall Lademöglichkeiten existieren, realisiert man erst richtig, wenn man ein E-Auto fährt.
Es bleibt die Hürde, dass E-Autos teurer als vergleichbare Benzin-Autos sind. Das ist doch das eigentliche Problem?
Das gilt für den Anschaffungspreis. Über die gesamte Nutzungsdauer sind Elektroautos günstiger, was leider viele Leute nach wie vor nicht wissen. Aber klar, der noch teurere Kaufpreis ist derzeit noch ein Hindernis bei der Entwicklung.
Wenn das Benzin-Auto 19'000 Franken kostet und das gleiche Modell mit Akku 25'000 Franken, wird es trotzdem schwierig, Kunden für die E-Mobilität zu begeistern.
Klar, im Kleinwagen bzw. Tiefpreissegment ist es schwierig, die Preise von Verbrenner-Modellen zu erreichen. Ob ein Auto jedoch 88'000 Franken als Verbrenner oder 93'000 als E-Auto kostet, spielt kaum eine Rolle.
Darum haben die Hersteller zuerst ihre teuren Modelle elektrisiert. Aber wann kommen die kleinen und günstigen E-Autos?
Aktuell sind elektrische Kleinwagen, wenn man nur den Kaufpreis und nicht die Gesamtkosten betrachtet, noch etwas teurer. Die Differenz schrumpft aber und sie wird nochmals deutlich kleiner werden. Dass der Bund seit Anfang Jahr eine Importsteuer von 4 Prozent auf E-Autos erhebt, also die Elektromobilität verteuert, hilft natürlich nicht.
Andere Länder vergünstigen E-Autos und wir machen sie absichtlich teurer?
Die Importsteuer braucht es schlussendlich auch beim Elektroauto. Die Einführung zur gegenwärtigen Marktsituation war hingegen sehr unglücklich. Bei der Dienstwagenbesteuerung sind wir, glaube ich, noch das einzige Land, das elektrische Dienstwagen steuerlich benachteiligt. Für die Besteuerung wird der Anschaffungspreis berücksichtigt, welcher eben noch teurer ist. Auch hier haben politische Bestrebungen nur zu beamtenseitigen Erklärungen geführt, warum dies in der Schweiz nicht angepasst werden kann. So wie überall sonst in Europa.
Darum sage ich:
Ab 2025 gelten schärfere CO2-Ziele. Wer sie verpasst, muss happige Strafen zahlen. Werden die Automobil-Importeure nun zwangsläufig mehr Elektroautos verkaufen?
Ja, ansonsten sind die Ziele unmöglich zu erreichen. Der aktuelle Anteil Elektroautos reicht, um die diesjährigen CO₂-Ziele zu erreichen. Mit der Verschärfung der Ziele ab 2025 wird der Verkaufswille für Elektroautos massiv steigen. Zudem kommen auch diverse neue Modelle auf den Markt.
Das heisst?
Das Gesetz gibt den durchschnittlich erlaubten Anteil an CO₂ vor, der die im Jahr verkaufte Neufahrzeugflotte nicht überschreiten darf. Ansonsten werden hohe Bussen fällig. Die Ziele werden nicht linear verschärft, sondern schrittweise alle fünf Jahre. Die nächste Reduktion erfolgt nun 2025. Obwohl sich die Branche lange darauf vorbereiten konnte, werden die Ziele schwierig zu erreichen sein. Entscheidend ist zudem, dass die CO2-Ziele konsequent und ohne erleichternde Massnahmen erreicht werden müssen. Andernfalls werden die Importeure weiterhin den Anreiz haben, viele Verbrenner zu verkaufen.
Dass es schwierig wird, die schärferen CO2-Ziele zu erreichen, dürfte auch an den Falschinformationen liegen, die noch immer über E-Autos herumgeistern.
Ich halte seit zehn Jahren Vorträge über die Elektromobilität und die Vorurteile sind eigentlich noch immer die gleichen. Die Mythen halten sich hartnäckig. Besonders die angeblich oft brennenden Elektroautos oder der Irrglaube, E-Autos wären nicht deutlich sauberer als Verbrenner. Ein Dauerbrenner ist auch die Frage: ‹Wo nehmen wir den Strom her, wenn alle elektrisch fahren?› Dass man die Energiefrage beim effizienten E-Auto stellt, aber nicht beim verschwenderischen Verbrennungsmotor, ist schon interessant – und dies in einem Land, das selbst kein Erdöl produziert.
Letzte Frage: Setzt sich das E-Auto auch bei uns durch?
Zweifellos. Die Frage ist, ob wir für die Vollelektrifizierung bereit sind. Stand heute sind wir es sicher nicht.
In der Politik haben Rechtspopulisten und Neoliberale durch geschickten Lobbyismus die Macht übernommen.
Deswegen sind alle zukunftsgerichteten Ideen zugunsten von kurzfristigem Profit abgewürgt worden.
Ein Land wie die Schweiz könnte energieautark sein. Wir haben genügend Fläche für PV und Wind. Wir haben genügend Berge um die Energie in Form von Wasser zwischen zu lagern.
Aber nein, wir importieren lieber Uran, Öl und Gas.
Wahrlich DUMM!