Nach Donald Trumps erneutem Wahlsieg lautete eine zentrale Frage: Ist er besser vorbereitet als 2016, als er selbst nicht mit seinem Erfolg rechnete? Nach den ersten zehn turbulenten Tagen ist das Fazit eindeutig: Und ob er das ist! Fast schon stakkatoartig geben er und seine Berater bekannt, wer in der neuen Regierung welchen Job erhalten soll.
Einiges war absehbar, etwa dass Elon Musk und Vivek Ramaswamy die US-Verwaltung per «Rasenmäher» auf Effizienz trimmen sollen. Auch die Ernennung von Robert Kennedy Jr. zum Gesundheitsminister ist keine Überraschung. Was die Personalie des Impfgegners nicht weniger problematisch macht, auch wenn er einige halbwegs vernünftige Ideen vertritt.
Und dann gibt es jene Entscheide, die selbst Trumps Verbündeten die Haare zu Berge stehen lassen. Das betrifft den designierten Verteidigungsminister Pete Hegseth oder die MAGA-Konvertitin Tulsi Gabbard, die die Arbeit der US-Geheimdienste koordinieren soll. Beide verfügen weder über die nötige Erfahrung noch die Qualifikation für ihre Jobs.
Im Fall der Putin-Bewunderin Gabbard wird sogar befürchtet, sie könnte Geheimdienstinfos an Russland weiterleiten. Der bisherige Tiefpunkt aber ist die Ernennung von Matt Gaetz zum Justizminister. Bei uns würde man ihm das Etikett «Sex-Grüsel» anheften. Offen bleibt, ob der Senat den Mut hätte, diesem durchgeknallten Typen die Bestätigung zu verweigern.
Im auffälligen Kontrast dazu stehen die beiden Personen, die für die Topjobs im Bereich Aussenpolitik vorgesehen sind: Der bisherige Senator Marco Rubio soll Aussenminister werden, der Kongressabgeordnete Mike Waltz – er stammt wie Rubio aus Florida – ist als nationaler Sicherheitsberater vorgesehen. Seine offizielle Ernennung steht noch aus.
Sie wirken wie die «Vernünftigen» im Irrenhaus des designierten Präsidenten. Kaum jemand bezweifelt, dass Rubio und Waltz die Fähigkeiten für ihre Jobs mitbringen. In Europa werden sie mit einer gewissen Erleichterung betrachtet, wenn auch nicht uneingeschränkt. «Sie sind etwas weniger schlimm als andere», sagte ein europäischer Diplomat in Washington gegenüber «Politico».
Immerhin ist Marco Rubio Mitverfasser eines Gesetzes, das dem Präsidenten den Austritt aus der NATO erschweren soll. In seiner ersten Amtszeit hatte Donald Trump damit «geflirtet». Aussenpolitisch geht die Reise mit Rubio und Waltz allerdings in eine andere Richtung. Beide haben sich einen Ruf als besonders scharfe China-Gegner erworben.
Der Fokus einer Trump-Regierung dürfte sich somit nach Asien verschieben. Schon Barack Obama hatte dies vor, doch er wurde von anderen Schauplätzen (Afghanistan, Irak) absorbiert. Auch jetzt werden die USA durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten von einer Ausrichtung auf China abgelenkt, was durchaus im Sinne Pekings ist.
Donald Trump hatte im Wahlkampf wiederholt angekündigt, die beiden Kriege beenden zu wollen, jenen in der Ukraine sogar «in 24 Stunden». Wie das ablaufen könnte, schilderten der designierte Sicherheitsberater Mike Waltz und der Georgetown-Politologe Matthew Kroenig kurz vor der Wahl in einem viel beachteten Essay im «Economist».
Im Fall der Ukraine solle der russische Präsident Wladimir Putin an den Verhandlungstisch gebracht werden, notfalls mit harten Massnahmen, etwa indem die USA versuchen, die klandestinen russischen Ölexporte zu stoppen. Auch Waffenlieferungen für Angriffe auf Russland schliessen Waltz und Kroenig – anders als Joe Biden oder Olaf Scholz – nicht aus.
Dies könnte erklären, warum Moskau eher reserviert auf Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus reagiert hat. Unklar ist, was passiert, wenn Putin nicht mitspielt. Im Raum steht die Idee, ihm die eroberten Gebiete zu überlassen. Die Ukraine müsste für 20 Jahre auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichten, dafür würde sie von den USA massiv aufgerüstet.
Ähnlich diffus sind die Ideen für den Nahen Osten. Die Kriege gegen die Hamas in Gaza und die Hisbollah im Libanon sollen «schnell» beendet und die Abschreckung gegenüber dem Iran verstärkt werden, fordern Waltz und Kroenig. Die USA sollten dafür eine Militärpräsenz in der Region behalten, ansonsten aber ihre Ressourcen in den Indopazifik verlegen.
Ein Hindernis könnte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sein. Ihm wird nachgesagt, zum Zweck seines Machterhalts die Kriege in Gaza und im Libanon «endlos» weiterführen zu wollen. Unterstützt werden könnte er von Pete Hegseth, UNO-Botschafterin Elise Stefanik und von Mike Huckabee, der als Botschafter in Jerusalem vorgesehen ist.
In einem Interview zeigte sich der evangelikale Ex-Gouverneur von Arkansas offen für die Annexion des Westjordanlands, was progressive Juden in den USA entsetzt zur Kenntnis nahmen. Noch krasser Pro Israel hatte sich der designierte Verteidigungsminister Hegseth positioniert. Unter seinen vielen Tattoos finden sich Symbole aus der Zeit der Kreuzzüge.
Allerdings sorgte am Donnerstag ein Bericht der «New York Times» über ein Treffen von Trump-Intimus Elon Musk mit Irans UNO-Botschafter Amir Saeid Iravani für Aufsehen. Eine offizielle Bestätigung gibt es nicht, auch weil die USA und Iran keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Von iranischer Seite aber wurde die Begegnung vom Montag als «positiv» bezeichnet.
Dies könnte darauf hindeuten, dass Donald Trump auf einen Frieden in der Region – und in der Ukraine – hinarbeiten will. «Wenn die Stabilität in Europa und im Mittleren Osten wiederhergestellt ist, können die USA endlich China priorisieren», schreiben Mike Waltz und Matthew Kroenig. Es gehe auch darum, einen Angriff auf Taiwan zu verhindern.
Zu diesem Punkt hatte sich der alt-neue Präsident in der Vergangenheit jedoch ambivalent geäussert. Gegenüber China schwankte er zwischen Sanktionen und der Schwärmerei für Machthaber Xi Jinping. Und in der Ukraine sowie Gaza/Libanon könnte sich die hässliche Realität als weitaus komplizierter erweisen als schöne Friedensfantasien.
Es wäre keine Überraschung, wenn der sprunghafte Trump die Krisenherde sich selbst – oder den Nachbarländern – überlassen wird. Man wird sehen, wie lange es Marco Rubio und Mike Waltz im Irrenhaus aushalten werden. Gerade der Job des Sicherheitsberaters ist unter Trump ein Schleudersitz. In der ersten Amtszeit sassen vier Männer auf ihm.
Er zeigt allen, dass er tun kann, was immer er will.
Mit der Zeit wird man sich an den Wahnsinn gewöhnen und das normal finden.
Das wäre noch vor 20 Jahren undenkbar gewesen und zeigt, wie weit wir uns von einem auch nur ansatzweise vernünftigen politischen Diskurs entfernt haben.
Es ist die strategische Unterhöhlung der demokratischen Strukturen.
Und es funktioniert. Weltweit.
So sehe ich das.
Aber wo ich mit Trump einig bin:
China ist die grösste Bedrohung für den Westen.
Und entsprechend sollten wir handeln.
Hier müssen wir die Samthandschuhe - auch wenn’s (wirtschaftlich) sehr stark schmerzen wird - endlich ausziehen. Wenn wir nun nicht sofort das Ruder herumreissen und China die Stirn bieten, wird es nur noch viel teurer.