Posse oder Tragik-Komödie? So genau ist das nicht zu sagen. Fest steht nur: Was die britische Ukip-Partei derzeit zu bieten hat, besitzt für Aussenstehende hohen Unterhaltungswert.
Ränkespiele, Machtkämpfe, Chaos – keine zwei Monate nach ihrem Triumph beim Brexit-Referendum ist die Rechtspartei auf dem besten Wege, sich in aller Öffentlichkeit selbst zu zerlegen. Das typische Schicksal einer Ein-Punkt-Partei?
Blick zurück: Nigel Farage, der Mann, der seit Jahrzehnten für den Austritt Grossbritanniens aus der EU gekämpft hatte, schrieb beim EU-Referendum Ende Juni Geschichte. Neben dem Londoner Ex-Bürgermeister Boris Johnson war der 52-Jährige das Gesicht des siegreichen Brexit-Lagers. «Einer der einflussreichsten Politiker seiner Generation», meint der britische Sender BBC.
Anderthalb Wochen nach dem Sieg kommt die überraschende Volte. Statt sich ins Brexit-Getümmel zu stürzen, zieht sich Farage zurück. «Ich will mein Leben zurückhaben», sagt er mit theatralischer Geste. Er habe alles erreicht, ohne UKIP hätte es niemals ein Referendum gegeben.
Der Rückzug erwischt die Partei auf dem falschen Fuss, geschockt und ratlos machen sich die Granden auf die Suche nach einem Nachfolger. Und verheddern sich im Klein-Klein der Parteipolitik. Gespielt wird mit allen Haken und Ösen, windige Tricks inklusive.
Letzte Wendung des Dramas: Ein Parteigremium bringt den Favoriten für die Nachfolge zu Fall. Steven Woolfe, 48 Jahre alt, Rechtsanwalt und EU-Parlamentarier, galt als Kronprinz und Farage-Liebling. Seine Ablehnung durch das Nationale Exekutivkomitee klingt reichlich bizarr: Er habe seine Online-Bewerbungsunterlagen 17 Minuten zu spät eingereicht.
Der Skandal ist perfekt: Kritiker sprechen von einem «Putsch» gegen den Favoriten, mehrere Mitglieder des Komitees treten aus Protest zurück. Medien sprechen vom «Bürgerkrieg» in der Partei, Farage schäumt vor Wut.
Hinter dem Personalgerangel lauert ein ernstes Problem: «Die Partei erscheint sinnlos, sobald der Brexit verwirklicht ist», kommentiert der «Guardian». Will sie überleben, muss die Partei sich neu erfinden, muss frische Ziele setzen.
Im Kern handelt es sich um ein ähnliches Problem, an dem in Europa auch andere Ein-Punkt-Parteien knabbern. Die Grünen etwa brauchten Jahre, bis sie sich zur «echten» Partei mit breiter Programmatik mauserten – schmerzhafte Flügelkämpfe eingeschlossen.
Das Grundproblem bei UKIP zieht weitere Probleme mit sich. Auf welches Wählerpotenzial soll sich die Partei konzentrieren: Enttäuschte Labour-Leute oder unzufriedene Tory-Sympathisanten? Hier liegt erheblicher Sprengstoff: «Die Landkarte unserer Fraktionen ist komplexer als die Karte Syriens», verrät ein UKIP-Mann dem «Independent». «Wir haben mehr verfeindete Stämme.»
Ein weiteres Problem: Gutes Personal für den Topjob ist knapp. UKIP war nicht zuletzt wegen ihres gewieften Medien-Mannes Farage erfolgreich. Der liess keine Kamera aus, fühlte sich richtig wohl im Blitzlichtgewitter. Das kann längst nicht jeder.
«Wenn wir nicht einen kompetenten Führer kriegen, der mit den Medien kann, könnte die Partei am Ende sein», befürchtet Douglas Carswell, der einzige Unterhausabgeordnete der Partei. «Es geht jetzt um Leben und Tod.»
(dsc/sda/dpa)