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Sag das doch deinen Freunden!
Ich bin entsetzt. Keine noch so nüchterne Analyse des Geschehenen kann von der Tatsache ablenken, dass ich mich kaum je wegen eines politischen Ereignisses derart gekränkt gefühlt habe – emotionell wie physisch gar.
Als Kind war ich stolz darauf, britisch zu sein. Eine unermessliche Hurra-England-Ikonografie bot sich da an: Spitfire-Kampfflieger, der Union Jack, die Beatles, Jaguar E-Types, die Kreidefelsen von Dover – dies alles und mehr erfüllte mein kindliches Ich mit einem diffusen Wohlbehagen und Zugehörigkeit.
Als Erwachsener verschwand dann nach und nach dieser Stolz auf etwas, das letztendlich keine eigene Leistung war. Stolz auf das selbst Erreichte soll man sein, nicht auf die Zufälligkeit seiner Geburt. Stattdessen empfand ich aber Dankbarkeit: Nicht stolz darauf, Brite zu sein – aber glücklich. Es ist gut, Brite zu sein. Wir sind gerne Briten. Meistens.
I'm so angry. A generation given everything: Free education, golden pensions, social mobility have voted to strip my generation's future.
— Adam Newman (@NewmanDipFa) June 24, 2016
Doch wir wurden beraubt. Denn heute gibt es wenig, über das man glücklich sein kann. Glücklich darüber, dass die britische Wirtschaft leiden wird? Dass die Lebenskosten steigen werden? Dass wir nicht mehr wohnen und arbeiten können, wo immer wir wollen in der EU? Dass meine Kinder nicht mehr frei wählen können, wo sie studieren und ihr Erwachsenenleben beginnen können? Dass meine Freunde in nordirischen KMUs urplötzlich die Hälfte ihrer Kundschaft verlieren werden? Glücklich, dass die IDIOTEN obsiegt haben?
Absolutely brilliant poll on Brexit by @YouGov pic.twitter.com/EPevG1MOAW
— Tancredi Palmeri (@tancredipalmeri) June 23, 2016
Die Situation ist nicht unähnlich derjenigen nach etlichen Schweizer Abstimmungen: Eine Rechtsaussen-Initiative findet eine Mehrheit. Wie bei der Masseneinwanderungs-Initiative (ein ähnlich blödes Unterfangen mit weitreichenden Konsequenzen für die Zukunft des Landes) verläuft die Grenze entlang dem Güllengraben: Städter, jüngere Wähler und gebildetere Menschen – kurz: die Leute, welche die dynamische Zukunft eines Landes darstellen – werden von einer knappen Mehrheit von verwirrten Alten, ignoranten Hinterwäldlern sowie nationalistischen und rassistischen Hetzern geschlagen.
Für mich ist es Zeit, Nationalität von Emotionen zu lösen. Staatsangehörigkeit kann man ja pragmatisch behandeln. Will ich weiterhin meine EU-Rechte behalten, werde ich wohl den italienischen Pass beantragen müssen. Meinetwegen.
Ich wiederhole mich: Nicht mehr stolz. Sondern beschämt. Wütend. Und traurig.