Der Sommer ist vorbei, die Tage sind merklich kürzer geworden. Das erinnert uns daran, dass Ende Oktober die Uhren wieder auf Normalzeit (Winterzeit) umgestellt werden. Das Hin und Her mit Sommer- und Winterzeit geht allerdings vielen gehörig auf den Wecker – deshalb sind die Pläne der EU-Kommission, die Umstellung abzuschaffen, populär.
Auch viele Wissenschaftler begrüssen dies. Sie weisen darauf hin, dass der künstliche Wechsel der Biologie widerspricht. Doch zugleich warnen sie vor Problemen, wenn die Sommerzeit ganzjährig eingeführt wird.
Gilt im Winter ebenfalls Sommerzeit, steht man häufiger auf, wenn es noch dunkel ist. Abends ist es dafür länger hell, was dazu führt, dass man später müde wird – es droht Schlafmangel. Dies sei besonders problematisch für Schüler und Studenten, sagt der Chronobiologe Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München. Bei zu wenig Schlaf sei es schwieriger, zu lernen und das Gelernte zu verarbeiten. Und das Schlafbedürfnis sei mit etwa 20 Jahren am grössten.
Jedes Land, das die Sommerzeit nicht dauerhaft einführe, sagt Roenneberg voraus, werde «uns akademisch überholen». Und man erhöhe «die Wahrscheinlichkeit für Diabetes, Depressionen, Schlaf- und Lernprobleme – das heisst, wir Europäer werden dicker, dümmer und grantiger.»
Roenneberg ist nicht der einzige Forscher, der sich für eine dauerhafte Normalzeit ausspricht. «Die bisherige Winterzeit entspricht den Verhältnissen, die unter Berücksichtigung der natürlichen Lichteinflüsse für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus am günstigsten sind», sagt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), Alfred Wiater.
Zwar bestimmen Licht und Dunkelheit unsere innere Uhr – wann wir wach und wann wir müde werden. Aber die wenigsten von uns können sich nach diesem natürlichen Rhythmus richten. Unser Tagesablauf wird von der sozialen Zeit bestimmt – die meisten Leute benötigen einen Wecker, damit sie pünktlich bei der Arbeit oder in der Schule sind.
Die Dunkelheit im Winter wirkt sich in vielfältiger Weise auf uns aus. Wir sind öfter und länger müde und verspüren ein erhöhtes Schlafbedürfnis. Zudem fühlen wir uns öfter schlapp und antriebslos, manchmal kommt es auch zu einem verstärkten Hungergefühl. Obendrein leiden wir häufiger unter schlechter Stimmung, dem sogenannten Winter- oder Novemberblues.
Bei etwa 2,2 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz bleibt es nicht beim Winterblues; diese Leute – besonders Junge und Frauen – leiden an einer Winterdepression, auch saisonale Depression genannt. Unbehandelt kann eine Winterdepression wiederkehrend sein und sich schlimmstenfalls zu einer klassischen Depression entwickeln.
Der Lichtmangel beeinflusst unser Hormonsystem. Wenn Licht ins Auge fällt, wird das Netzhaut-Pigment Melanopsin aktiviert, was wiederum die Produktion des Neurohormons Melatonin hemmt. Bei Dunkelheit hingegen bleibt das Pigment inaktiv und die Zirbeldrüse im Zwischenhirn schüttet Melatonin aus. Als Schlafhormon lenkt es den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers. In den kurzen Wintertagen ist der Melatonin-Spiegel erhöht. Die Folge: Wir sind schneller müde und schläfrig.
Im Jahrestief befindet sich dagegen im Winter der Spiegel des sogenannten «Glückshormons» Serotonin. Dieser Botenstoff entfaltet, nachdem er freigesetzt worden ist, seine Wirksamkeit im synaptischen Spalt zwischen zwei Nervenzellen. Bestimmte Proteine heften sich dann an dieses freigesetzte, extrazelluläre Serotonin und befördern es in die Zelle zurück, womit seine Wirkung endet.
Im Herbst und Winter ist das Bindungspotenzial dieser Proteine höher – und zwar am deutlichsten an den Tagen mit der geringsten Sonnenscheindauer. Entsprechend niedrig ist dann der Serotonin-Spiegel. Dies dürfte sich in einem Mangel an Energie und einem gesteigerten Schlafbedarf äussern.
In unseren Breitengraden führt der verminderte Lichteinfall während der dunklen Jahreszeit ausserdem zu einem Vitamin-D-Mangel. Von Mitte Oktober bis Mitte März sind die Einfallswinkel der Sonnenstrahlen sogar am Mittag so flach, dass die Haut nicht genügend UV-B-Strahlung erhält, um die Produktion dieses Vitamins zu stimulieren. Normale Zimmerlampen nützen nichts, denn sie erzeugen keine UV-Strahlung.
Die im Sommer aufgebauten Vitamin-D-Reserven des Körpers werden deshalb aufgebraucht, denn auch die normale Ernährung kann den Produktionsausfall nicht kompensieren. Der Mangel an Vitamin D wird mit Abgeschlagenheit in Verbindung gebracht; vor allem aber kann der Darm ohne dieses Vitamin nur einen Bruchteil des Kalziums aus der Nahrung aufnehmen. Der Körper holt sich in der Folge das notwendige Kalzium aus den Knochen, was im Extremfall zu Skelettschäden führt.
In erster Linie sollten wir dem Lichtmangel entgegentreten. Das bedeutet, dass wir uns auch an trüben Tagen öfters an die frische Luft begeben und unserem Körper so viel natürliches Tageslicht wie möglich gönnen sollten. Sogar wenn die Sonne nicht scheint, ist die Lichteinstrahlung (2000 Lux) immer noch bedeutend höher als etwa im Büro (250 bis 750 Lux).
Künstliche Lichtquellen sind im Normalfall nicht notwendig; nur bei einer Neigung zur Winterdepression oder schweren Symptomen eines Vitamin-D-Mangels ist eine ausgiebige «Lichtdusche» mit speziellen Tageslichtlampen angezeigt – beispielsweise eine halbe Stunde bei einer Beleuchtungsstärke von 10'000 Lux.
Wichtig ist auch Bewegung. Wer ständig in der warmen Stube bleibt, bringt den Körper dazu, den Energieverbrauch herunterzufahren. Muskelabbau und ein träger Kreislauf sind die Folge. Dagegen stärkt körperliche Aktivität die Muskeln, bringt den Kreislauf auf Touren und sorgt für die Ausschüttung von Serotonin – was die Stimmung aufhellt. Dem Kreislauf und den Gefässen tun auch Wechselduschen oder Saunagänge gut.
Ein leichter Vitamin-D-Mangel kann über das Essen behoben werden. Besonders viel von dem Vitamin steckt beispielsweise in Lachs, Hering oder Makrele. Auch Milchprodukte, Eier oder Pilze enthalten etwas Vitamin D. Schokolade wiederum ist geeignet für einen schnellen Energieschub. Am besten nimmt man dunkle Schokolade; sie enthält am meisten Koffein und Theobromin, das wie Koffein wirkt.
(Mit Material der Nachrichtenagentur sda)