Die SVP ist kaum zu stoppen. Bei den nationalen Wahlen vor einem Jahr war die Volkspartei die grosse Siegerin, auch wenn sie ihr Rekordergebnis von 2015 verpasste. Seither wurde in sieben Kantonen gewählt, und auch dort legte die SVP zu, besonders in St.Gallen (+7 Sitze), Schwyz und Aargau (je +5). Selbst im linken Basel-Stadt kam ein Sitz hinzu.
Der einzige Ausreisser in der Gegenrichtung war der Kanton Thurgau, wo die SVP sogar drei Sitze im Kantonsparlament verloren hat. Erklärt wird dies mit der historisch tiefen Wahlbeteiligung von rund 30 Prozent, und die Partei trat ohne Listenverbindungen an. Die SVP konnte es verschmerzen, sie ist mit 42 Sitzen immer noch doppelt so stark wie die Mitte auf Platz 2.
Für den Politanalysten Mark Balsiger hat die SVP «so viel Schwung wie im eidgenössischen Wahlherbst 2015, als die Flüchtlingskrise das wichtigste Thema war», wie er gegenüber CH Media erklärte. Auch jetzt würden Asyl und Zuwanderung sehr viele Leute umtreiben. Ganz im Gegensatz zum Klima, das Grüne und Grünliberale vor vier Jahren beflügelt hatte.
Jetzt mussten die beiden Öko-Parteien Federn lassen. Im besten Fall konnten sie ihre Sitze halten. Die GLP hat in Uri zwar drei Sitze gewonnen, doch sie war im Innerschweizer Urkanton auch erstmals mit einer eigenen Sektion angetreten. Für Mark Balsiger zeigt dies, dass viele den Ärger über Klimakleber höher gewichten als die Gefahr des Klimawandels.
Das wirkt bizarr, denn gerade in diesem Jahr hat sich letztere in der Schweiz sehr deutlich gezeigt. Mehrere Gebirgsregionen wurden von heftigen Unwettern heimgesucht, und die Gletscher haben trotz vermeintlich guter Voraussetzungen Eis verloren. Doch weite Teile der Bevölkerung scheinen in den Verdrängungsmodus geschaltet zu haben.
Dafür rücken materielle Sorgen in den Vordergrund, seien es die je nach Versorger teilweise stark gestiegenen Strompreise oder die zunehmend schwierige Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. Hinzu kommt die instabile Weltlage mit zahlreichen Krisen. Dies hilft einer Partei wie der SVP, die auf «Heimatschutz» und eine alteidgenössische Igelmentalität setzt.
Für Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone ist dies frustrierend, wie sie im Interview mit der «Schweiz am Wochenende» erklärte. Nach einem Jahr Rechtsrutsch im Parlament stelle man fest, «dass es zu massiven Rückschritten kommt». Diese zu bekämpfen, sei aktuell die Hauptaufgabe der Grünen: «Es ist Zeit, Klartext zu sprechen. Und laut zu sein.»
Mazzone kündigte eine «Referendumslegislatur» an. Einen Vorgeschmack erhält man schon am 24. November. Gegen alle vier Vorlagen, über die abgestimmt wird, wurde von rotgrüner Seite das Referendum ergriffen. Auch auf kantonaler Ebene dürfte dieses Instrument vermehrt zum Einsatz kommen, im Aargau etwa in Form des Behördenreferendums.
Damit soll der Rechtsrutsch gebremst werden. Hoffnung macht ein «Präzedenzfall», der acht Jahre zurückliegt. Die SVP hatte bei den Wahlen 2015 die 30-Prozent-Marke nur knapp verfehlt und im Dezember mit Guy Parmelin den zweiten Bundesratssitz zurückgeholt. Und im Februar 2016 schien mit der Durchsetzungsinitiative der nächste Erfolg programmiert.
Es kam bekanntlich ganz anders. In einem der denkwürdigsten Abstimmungskämpfe der Geschichte wurde die Volksinitiative, mit der die SVP eine knallharte Umsetzung ihrer 2010 angenommenen Ausschaffungsinitiative erzwingen wollte, mit fast 60 Prozent Nein klar abgelehnt. Dieser schwere Rückschlag stürzte die SVP in ein jahrelanges Formtief.
Ein ähnlicher Effekt ist derzeit nicht in Sicht. Zwar sind gleich drei kontroverse Volksinitiativen in der Pipeline, die von der SVP oder aus ihrem Umfeld lanciert wurden: die Neutralitätsinitiative, die sogenannte Nachhaltigkeitsinitiative («Keine 10-Millionen-Schweiz!») und die Grenzschutzinitiative. Für letztere werden noch Unterschriften gesammelt.
Die Neutralitäts- und die Antizuwanderungsinitiative hat der Bundesrat vor den Sommerferien ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen, doch nun müssen sie durchs Parlament, wo heftige Diskussionen programmiert sind. Vor 2026 wird es sicher nicht zu einer Abstimmung kommen, und dann stehen schon die nächsten Wahlen vor der Tür.
Ein «Wunder» wie bei der Durchsetzungsinitiative ist vorerst nicht absehbar, wobei die SVP in der Folge auch darunter «litt», dass die Asylgesuche und die Zuwanderung rückläufig waren und der Problemdruck abnahm. Jetzt gibt es in Europa Bestrebungen, das Asylrecht zu verschärfen, doch die Arbeitsmigration dürfte wegen der Demografie hoch bleiben.
Allerdings ist auch bei der Klimakrise keine Entspannung in Sicht, ganz im Gegenteil. Deshalb könnten Grüne und GLP wieder zulegen. Offen ist auch, wie sich SP, FDP und Mitte positionieren werden, deren Wahlbilanz durchzogen ist. Die Freisinnigen versuchen offenbar, sich mit einem harten Kurs in der Asylpolitik als Alternative zur SVP zu empfehlen.
Stabilität war während langer Zeit das Markenzeichen der Schweizer Politik. Davon ist wenig geblieben. In der Sozialpolitik etwa liegt die Deutungshoheit bei der Linken, der mit dem Ja zur 13. AHV-Rente und dem Nein zur BVG-Reform zwei spektakuläre Abstimmungserfolge gelungen sind. Gleichzeitig gebärdet sich die SVP zunehmend wie eine «normale» Partei.
Die Schweiz ist politisch nicht mehr das, was sie mal war, könnte man etwas polemisch behaupten. Die direkte Demokratie aber bleibt ein starker Hebel, um Machtgelüste in die Schranken zu weisen. Deshalb darf man trotz des SVP-Vormarschs Ruhe bewahren.
LOL
Und sie haben genau GAR NICHTS begriffen und machen weiter wie bisher.