Seit etwas mehr als zwei Wochen ist Albert Rösti im Amt. Noch ist der neue Bundesrat daran, sich in sein Monsterdepartement UVEK einzuarbeiten. Gleichzeitig hatte er erste Auftritte auf internationalem Parkett. Am World Economic Forum (WEF) traf er Minister, darunter den deutschen Vizekanzler Robert Habeck, der ihn als «Kollege Röstli» ansprach.
Am Mittwoch im Berner Kursaal war die kuriose Episode kein Thema. Dort gab Rösti sein Debüt vor heimischem Publikum, am Schweizerischen Stromkongress. Der Branchentreff fand erstmals seit drei Jahren wieder vollständig live statt. Mit Spannung erwarteten die Vertreter von Produktion und Distribution, was ihnen der «Strom-General» zu sagen hatte.
Einen solchen hatte die SVP in den letzten Monaten gefordert und damit ihr Misstrauen gegenüber Röstis SP-Vorgängerin Simonetta Sommaruga ausgedrückt. Jetzt hat sie einen, in der Person ihres neuen Bundesrats. Und das erst noch in einer schwierigen Zeit, wobei sich die Lage zuletzt «etwas entspannt» habe, wie Rösti in seinem Referat erklärte.
Die Schweiz und Europa haben gute Chancen, diesen Winter ohne grössere Probleme zu überstehen, vor allem dank der teilweise sehr hohen Temperaturen. Im nächsten Jahr könnte es schwieriger werden, räumte der Energieminister ein. Denn niemand weiss, ob die Gasspeicher gefüllt werden können und es erneut einen milden Winter geben wird.
Eigentlich aber erwartete die Branche, was der neue UVEK-Chef zur Energiewende zu sagen hatte, die von Doris Leuthard eingeleitet und unter Sommaruga nur schleppend vorangetrieben wurde. Allzu sehr ins Detail mochte Albert Rösti nicht gehen. Dazu werde er «in ein paar Monaten» mehr sagen, erklärte er im Gespräch mit Moderator Urs Gredig.
Einige Akzente setzte er in seinem Referat durchaus, und dabei zeigte sich, dass er teilweise immer noch im Modus des SVP-Politikers unterwegs war. «Wir sind zu stark von Importen abhängig, insbesondere beim Strom», klagte Rösti. Eine Importstrategie aber sei «nicht nachhaltig», meinte er. In der Branche sieht man das ein wenig anders.
«Energiepolitische Autarkie kann keine sinnvolle Lösung sein für unser Land», sagte Michael Wider, Präsident des Verbands Schweizerischer Elektrizitätswerke (VSE) und Gastgeber am Stromkongress, in seinem Eröffnungsvotum, bei dem Rösti noch nicht im Saal war. Die Schweizer Branche fordert ein Strom- oder Energieabkommen mit der EU.
Ein solches aber gibt es nach den Vorstellungen Brüssels nur, wenn die institutionellen Fragen geklärt sind. «Das Verhältnis zur EU ist blockiert», klagte Wider. Am Ende seines Referats räumte Albert Rösti immerhin etwas verschämt ein, er habe im Gespräch mit Robert Habeck in Davos erklärt, die Schweiz brauche ein Stromabkommen.
Unbestritten aber ist für den Bundesrat, dass die Schweiz die Stromproduktion ankurbeln und die Energiewende beschleunigen muss. Der von Grünen und Umweltverbänden als «Ölbaron» verschriene Rösti gab dabei ein überraschend deutliches Bekenntnis zur Solarenergie ab: «Photovoltaik-Module sind die Dachziegel der Zukunft.»
Dankbar zeigte er sich für den Kompromiss im Parlament bei den alpinen Solaranlagen, an dem er als Nationalrat noch selber mitgearbeitet hatte. Als zweites Standbein der Stromproduktion sieht er die Wasserkraft. Er lobte die grossen Umweltverbände für ihre Mitarbeit am «runden Tisch» und zeigte sich besorgt wegen möglicher Einsprachen regionaler Organisationen.
Kein Thema war für Rösti die Windenergie, deren Akzeptanz in der Schweiz begrenzt sein mag, die aber dennoch eine wichtige Rolle spielen kann, weil sie nachts und im Winter Strom liefert. Gewisse Projekte sind seit vielen Jahren blockiert. Nun gibt es Bestrebungen im Parlament, die Verfahren ähnlich wie bei alpinen Solaranlagen zu beschleunigen.
Umso deutlicher sprach sich der Bundesrat für «eine gewisse Technologieoffenheit» aus. Faktisch stellte er damit das 2017 beschlossene Verbot neuer Atomkraftwerke infrage, sicherlich zur Freude des anwesenden Solothurner SVP-Nationalrats und Energiepolitikers Christian Imark. Für Rösti ist auch wichtig, dass die bestehenden AKWs nicht «unnötig früh» abgestellt werden.
Es war eine Anspielung auf das AKW Mühleberg, das 2019 wegen fehlender Rentabilität vom Netz genommen wurde. Den Bau eines neuen AKWs halten selbst Branchenvertreter in absehbarer Zeit jedoch für unrealistisch. Rösti setzt deshalb bei den bestehenden AKWs auf Laufzeiten von 60 Jahren. Auch in diesem Punkt befindet er sich auf SVP-Linie.
Ohne pragmatische und rasch machbare Lösungen wird es angesichts des absehbaren Mehrverbrauchs wegen der Dekarbonisierung nicht gehen. Der VSE hat dies in einer kürzlich veröffentlichten, gemeinsam mit der Empa erstellten Studie klar aufgezeigt. Darin ist nicht von AKWs die Rede, dafür von Wasserstoff. Auch dazu verlor Albert Rösti kein Wort.
Noch bleibt ihm Zeit, sich darauf einzustellen und aus dem SVP-Modus zu lösen. Den ersten Showdown vor dem Stimmvolk muss er ohnehin gegen seine Partei bestreiten. Sie hat das Referendum gegen das neue Klimaschutzgesetz eingereicht, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Im Komitee sass bis zu seiner Wahl auch Albert Rösti.
Klar, im Vergleich zu Öl, welches wir ja hier bekanntlich in Massen aus dem Boden pumpen können, sind wir beim Strom ganz abhängig 🤦
Irgendwann wird auch Rösti einsehen müssen, dass wir ohne Stromabkommen innerhalb der nächsten Jahre ernsthafte Probleme bekommen. Nicht innerhalb der nächsten 10 Jahre, sondern innerhalb der nächsten 3.
Was kann schon schief gehen, wenn man den Parlamentarier mit den meisten (!) Lobbymandaten (viele davon in Industrien, welche der Energiewende diametral widersprechen) in den Bundesrat wählt.
Unglaublich.
Genau wegen Typen wie Rösti wurde in den letzten Jahren der Ausbau der erneuerbaren verhindert. Und nun dafür Mitte links die Schuld geben und will AKWs bauen…
Eigentlich zum lachen, wenn‘s nicht so negative Folgen hätte.