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SVP-Giezendanner will LKW-Fahrer von Billett-Entzug verschonen

Ein Lastwagen der Fima Giezendanner ist am Mittwoch, 31. Oktober 2012, im Kanton Aargau unterwegs. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Ein LKW der Firma Giezendanner.Bild: KEYSTONE

SVP-Giezendanner will LKW-Fahrer von Billett-Entzug verschonen – nicht alle finden das gut

Transportunternehmer Ulrich Giezendanner (SVP) wehrt sich in einem Vorstoss gegen den «totalen Führerausweisentzug». Wer privat das Billett abgeben muss, solle trotzdem weiterhin Lastwagen steuern dürfen. Opferhilfe- und Fussgänger-Organisationen halten dies für gefährlich.
20.06.2017, 17:4221.06.2017, 11:36
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Rund 78’000 Personen mussten letztes Jahr in der Schweiz ihren Führerschein abgeben. In den meisten Fällen weil sie zu schnell oder unter Alkoholeinfluss gefahren waren. Auch Drogenkonsum, Telefonieren am Steuer, Missachtung von Vortritten oder andere Unaufmerksamkeiten haben zahlreiche Autofahrer das Billett gekostet.  

Ulrich Giezendanner (SVP-AG) spricht waehrend der Sondersession im Nationalrat, am Mittwoch, 3. Mai 2017 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Ulrich Giezendanner (SVP).Bild: KEYSTONE

Besonders hart trifft die Strafe jene, die beruflich auf den Führerausweis angewiesen sind – wie Lastwagen- oder Busfahrer. Müssen sie ihren Chefs erklären, dass sie ihren Ausweis los sind und ihren Job deshalb bis auf weiteres nicht mehr erfüllen können, kann das unangenehm werden.

Abhilfe verspricht nun ein Vorstoss von SVP-Nationalrat und Transportunternehmer Ulrich Giezendanner. In einer Motion fordert dieser den Bundesrat dazu auf, den «totalen Führerausweisentzug» zu überdenken. Werde ein Lastwagenfahrer am Wochenende mit seinem Motorrad mit zu hoher Geschwindigkeit erwischt, werde ihm der Führerausweis für den LKW gleich auch entzogen, kritisiert der Aargauer.

Diese «rigorose Entzugspraxis» führe dazu, dass «viele zuverlässige Berufsleute», oft Familienväter, ihr Einkommen verlören. Sie müsse deshalb geändert werden. Geht es nach Giezendanner, soll der Fahrer den Ausweis künftig nur noch für die Fahrzeugkategorie abgeben müssen, mit der er die Verkehrsregeln verletzt hat. Zumindest, wenn es der erste Ausweisentzug ist.

Doch die Pläne stossen auf erbitterten Widerstand. Bei der Opferberatung Zürich, die unter anderem Strassenverkehrsopfer und ihre Angehörigen berät, warnt man vor einer Aufweichung der heutigen Regeln. «Wer zu schnell oder betrunken fährt, soll auch die Konsequenzen tragen», fordert Stellenleiter Guido Ginella. Es möge im Einzelfall tragisch sein, wenn jemand wegen des Billettentzugs seinem Job nicht mehr nachgehen könne. «Dabei darf aber das Leid nicht vergessen werden, das den Opfern von Strassenverkehrsunfällen oder ihren Angehörigen widerfährt.»

Sollen LKW-Chauffeure weiterfahren dürfen, wenn sie den Führerausweis privat abgeben müssen?

Auch Thomas Hardegger, SP-Nationalrat und Präsident von Fussverkehr Schweiz, sagt: «Wer beruflich das Auto braucht, hat eine erhöhte Verantwortung und muss sich dessen bewusst sein.» Schwache Verkehrsteilnehmer wie Fussgänger oder Velofahrer seien zuerst davon betroffen, wenn die Verkehrssicherheit aufgeweicht werde. «Ich wehre mich darum in aller Form gegen diese Tendenzen.»

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Thomas Hardegger (SP).Bild: KEYSTONE

Motionär Giezendanner kontert: «Nehmen Sie einem LKW-Fahrer den Führerschein weg, steht seine ganze Existenz auf dem Spiel – ist das etwa sozial?» Während in seiner eigenen Firma ausweislose Chauffeure vorübergehend im Lager arbeiten könnten, sei dies bei kleineren Transportunternehmen oft nicht möglich. Dann stünden die Betroffenen auf der Strasse. 

Der SVP-Mann hält jedoch fest: «Bei Trunkenheit am Steuer darf es kein Pardon geben.» Würde sein Vorstoss angenommen, müsse dies in den Ausführungsbestimmungen konkretisiert werden, so Giezendanner. «Mir geht es darum, dass niemandem die Lebensgrundlage entzogen wird, weil er ein paar Stundenkilometer zu schnell unterwegs war.» Sogar mit dem Velo oder dem Rollbrett könne man hangabwärts in eine Radarfalle tappen und dadurch den Ausweis verlieren, warnt er.

Support erhält Giezendanner von der Thurgauer Sozialdemokratin Edith Graf-Litscher, die vergangene Woche einen Vorstoss mit ähnlicher Stossrichtung eingereicht hat. Als Sekretärin der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) stehen für sie vor allem die Busfahrer im Fokus. 

In Härtefällen sind Ausnahmen für Berufschauffeure bereits heute möglich: Betroffene können den Ausweis für ihr Berufsfahrzeug früher zurückerhalten, wenn sie sich in dieser Fahrzeugkategorie noch nie etwas zu Schulden kommen lassen haben. Zudem gilt eine gesetzliche Mindestentzugsdauer: Wer innerorts über 21 km/h oder auf der Autobahn über 31 km/h zu schnell erwischt wird, muss beispielsweise mindestens einen Monat lang auf den Führerschein verzichten.

Wie es beim Zürcher Strassenverkehrsamt auf Anfrage heisst, kommt die Ausnahmeregelungen heute aber «selten bis sehr selten» zur Anwendung.

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153 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dewar
20.06.2017 20:38registriert Januar 2015
Sonst schreit die SVP immer alles Täterschutz (z.B. wenn es um die Ausschaffung krimineller Ausländer geht), aber wenn's dann um's eigene Geschäft geht, ist es etwas gaaaaanz Anderes... Im Ernst: Das ist ja, als ob man einem Pädophilen weiterhin erlaubt, beruflich mit Kindern zu arbeiten, wenn er den Kindsmissbrauch auf seine Freizeit beschränkt.
Den Führerschein verliert man nur bei groben Übertretungen oder Wiederholungstaten. Von jemandem, dessen Beruf es ist, Waren sicher von A nach B zu bringen, muss man erwarten können, dass er sich an die Verkehrsregeln hält.
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Zap Brannigan
20.06.2017 19:36registriert März 2017
Wer beruflich auf seinen Ausweis angewiesen ist und trotzdem innerorts mit mehr als 70 oder mit mehr als 0.5 o/oo erwischt wird, hat offensichtlich nicht die für seinen Beruf erforderlichen Charaktereigenschaften. Wer will den solche Leute am Steuer eines 28 Tönners oder eines vollen Linienbusses?
Ausser dem Sommerloch in den Medien?
Ich habe mehrere hundert tausen Kilometer in 30 Jahren hinter mir, und meine höchste Busse war 250 Weil das Auto vor mir bei hellrot über die Kreuzung fuhr, und ich Depp ohne zu schauen einfach hunterher. War also zurecht und hätte durchaus uns Auge gehen können. http://2
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CASSIO
20.06.2017 18:58registriert Februar 2014
vielleicht sollte giezendanner seinen deutschen chauffeuren einfach nur die gesetze hier im land besser erklären...
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