Heute wird es ein bisschen traurig. Und ernst. Es ist leider ein bisschen zu viel passiert, als dass ich jetzt einfach mit heiterer Fiktion über die ganze Sache drüberfegen kann.
Fabrizio predigt Nächstenliebe, nachdem ihm Verena von ihrer Vergangenheit erzählt hat. Von ihrer gewalttätigen Mutter, von ihrem gewalttätigen Exfreund, von ihrem Leben als Missbrauchsopfer, das erst lernen musste, dass es Gewalt nicht verdient. Und ein paar Wochen später, nachdem die Sendung abgedreht ist, bezeichnet er Verena nach einem für beendet geglaubten TikTok-Livestream als eine von drei «Bitches» und «gotttverlassenen Miststücks». Und das Irritierende daran ist nicht einmal dieser haarsträubende Plural. Und auch nicht die sonderbare Wahl des Adjektivs.
Es ist die Selbstverständlichkeit, mit der man es aufnimmt. Man ist es sich schon so gewohnt, dass man fast geneigt ist, es einfach zu übergehen. Man denkt sich: Wen wundert's, dass er nicht so ist, wie er sich vor der Kamera gibt. Oder: Wer in dieser Sendung mitmacht, ist eh ...
Ja und wir, die wir sie schauen, darüber schreiben, reden und urteilen? Sind wir so viel besser? Gibt es diese Sendung nicht überhaupt nur, weil wir sie schauen, darüber reden, schreiben und urteilen?
Darum kann ich mich jetzt auch nicht aus der Verantwortung stehlen und wie gewöhnlich, von meinem erhabenen Bürostuhl aus, irgendeinen fidel überheblichen Text erdichten über dieses abgeranzte «Bachelor»-Universum, als würden in ihm keine echten Menschen leben.
Es ist beelendend. All diese Geschichten über Heime, abwesende Väter, sadistische Mütter, all diese verletzten, verprügelten Seelen, die obsessiv twerken, als könnten sie so den ganzen Vergangenheitsdreck wegwackeln, der an ihnen klebt. All diese Frauenfeindlichkeit, die Frauen gegenüber Frauen zeigen – XY ist eine Hure und eine billige Bitch –, all diese Frauenfeindlichkeit, die der Bachelor gegenüber seinen Kandidatinnen zeigt, die er vordergründig Ladys und hintergründig «Miststücks» nennt.
So viel Verletzung und so wenig Nächstenliebe. Das «Bachelor»-Universum scheint wahrlich gottverlassen.
Es ist aber auch genau der Ausschnitt, den wir aus dem Leben dieser Menschen sehen. Und wenn wir das schon tun, sollten wir vielleicht mal nicht über die weniger spassigen Dinge hinwegschauen. Für einmal nicht über die polyesternen Glitzerkluften oder die abenteuerlichen Satzbauten lachen, sondern stattdessen laut sagen, was schief läuft.
Es ist nicht in Ordnung, Frauen zu beschimpfen. Sie zu schlagen und zu demütigen. Es ist nicht in Ordnung, niemals und nirgendwo.
In Anbetracht der ganzen Dunkelheit grenzt es fast an ein Wunder, dass am Ende die Sonne doch noch ins Paradies zurückfindet. Und zwar in Gestalt von Yara, der puzzliversessenen Ex-Bachelorette. Ihre Rolle aber ist heute vielmehr die einer auferstandenen Naturgöttin. Die von Yoni, der weiblichen Urkraft, der Schöpferin allen Lebens.
Sie kommt, um aus den um einen Mann buhlenden Frauen einen Zirkel der Eintracht zu formen, ein Matriarchat fast, in dem Harmonie, gnadenlose Offenheit und Sicherheit herrscht. In dieser Frauenrunde nun werden die eigenen Bedürfnisse beim Sex behandelt, während Marcelline regelmässiges Beckenbodentraining für mehr Genuss beim Liebesspiel bewirbt. Und dann wird die Sache mit dem Fake-Orgasmus besprochen. Die Tatsache, dass jede Frau ihren Höhepunkt schon einmal vorgetäuscht hat, sei es, um das Mannesego nicht zu kränken oder einfach, damit es schnell vorbei ist.
Und da ist es wieder. All das, was noch immer so falsch läuft in der (heterosexuellen) Geschlechterbeziehung.
Aber damit nicht genug. Die Göttin will mehr sehen. Mehr wissen und spüren von den Ladys. Und darum:
Und wie sie das tun:
Und dann kommt Marcellines Auftritt:
Überhaupt ist die ganze Marcelline eine Bombe. Das findet auch Yara, die nach deren Vulva-Ausführungen schwärmt: «Wow, da wött mor grad sälber no ina, so schön beschriebsch das.»
Und es stimmt. Es ist eine einzige wohlige Frauenhöhle, die Yara und die Ladys sich da geschaffen haben. Da ist eine Verschwisterung im Gange, die es gerade sehr dringend braucht.
Und man denkt sich: Streicht den Bachelor einfach da raus und macht ein Tantra-Seminar nur für Frauen draus!
Stattdessen aber streicht er die Frauen raus, Marcelline und Verena, reisst damit Cousinen auseinander und zerhackt Freundschaftsbänder, sodass am Ende alle Ladys weinen.
Und dann stellt Fabrizio sein Glas hin und geht.
Er scheint seine eigene Show nicht mehr zu ertragen.