Der neue Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) scheint ein richtiger Verbandsmeier zu sein. Kürzlich ist er in die umstrittene Waffenlobby Pro Tell ein- und nach Kritik schnurstracks wieder ausgetreten. Jetzt hat er erneut bei einer mächtigen Lobby angedockt: Der Tessiner Arzt liess sich am Donnerstag von der Ärztegesellschaft FMH zum Ehrenmitglied wählen.
«Die Ärztekammer ernannte Bundesrat Dr. med. Ignazio Cassis zum Ehrenmitglied der FMH. Ignazio Cassis war von 2008 bis 2012 Vizepräsident der FMH», hielt der Ärzteverband in einer Mitteilung fest.
Die Ehrenmitgliedschaft des amtierenden Bunderats ist gerade jetzt pikant, da der Gesamtbundesrat versucht, die Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen. Zu den grössten Treibern der ständigen Kosten- und damit Prämiensteigerungen gehören die Ärzte. Cassis dokumentiert damit mindestens implizit seine Solidarität mit der Ärzteschaft, die derzeit gegen die Pläne des Bundesrats auf die Barrikaden geht, die Gesundheitskosten zu deckeln. «Globalbudgets sind leichtfertige Experimente zu Lasten der Patientinnen und Patienten», kritisierte die FMH erst vor zwei Tagen die Pläne des Bundesrats.
Zur Verbundenheit von Cassis zur FMH kommt noch die zu den Krankenkassen. Cassis war, nachdem er angeblich auf Protest seine FMH-Vizepräsidium aufgab, Präsident des Krankenkassenverbandes Curafutura. Ob er auch dort noch Ehrenmitglied wird?
Dass Cassis sich von einer Interessengruppe des Gesundheitswesens einspannen lässt, die derart aktiv gegen die Politik des Bundesrats und namentlich des zuständigen Gesundheitsministers Alain Berset (SP) vorgeht, sorgt im Bundesratsumfeld erneut für Kopfschütteln. «Unsensibel», kommentiert ein Beobachter. «Bei Gesundheitsthemen muss er im Bundesrat in den Ausstand treten», sagt ein anderer.
Allerdings: Cassis als Ehrenmitglied, das kam auch bei der Ärztekammer nicht überall gut an. Laut einem Insider haben angeblich nur etwa 80 der insgesamt 200 Delegierten dafür gestimmt.
(aargauerzeitung.ch)